Die eine windstille Stunde

Robin Detje schreibt: „Für mein Gefühl ist alles gesagt, seit vielen Sonntagen. Es ist alles durchanalysiert. Ich kann nicht erkennen, dass die Gefahrenanalysen irgendeine Wirkung hätten. Der Typus des alten Sacks, der aus Trotz extra lange duscht, wenn das Wasser knapp wird, hat sich politisch auf ganzer Linie durchgesetzt. Kubicki, Merz, Trump, wo ist der Unterschied?“

Man möchte dem gerne etwas entgegensetzen, muss aber zugeben, dass es nicht einfach ist, nicht wahr. Es ist mehr der Liebe zu Geschichten als der Wirklichkeit geschuldet, dass die Guten am Ende immer gewinnen müssen.

Andererseits versteht sich allerdings auch, dass der Mensch aus Geschichten Wirklichkeit macht.

***

Frau Novemberregen über Vornamen und Herkunft. Eine Sache, die ich auch erst lernen musste, dass sich die Frage nach der Herkunft für die Großstadtkinder im Alter meiner Söhne gar nicht stellt. Also nicht einmal ansatzweise. Das ist etwas, worüber sie nicht nachdenken, das ist für sie kein vordringlicher Aspekt der Persönlichkeiten, das ist kein Umstand, der bei Bekanntschaften zu klären ist oder der ihnen etwas Wesentliches an den Freunden erklärt. Andere Aspekte sind wichtiger und spannender.

***

Am Sonntag habe ich noch die eine windstille Stunde mit Sonnenschein genutzt und bin schnell in den Garten gefahren, ich habe dort eben drei Reihen Radieschen gesät. Ab und zu entwickele ich also doch noch etwas Ehrgeiz, guck an. Das erste Mal in diesem Jahr die Finger in schwarzer Erde gehabt, die erste volle Gießkanne durch den Garten getragen. Das erste Mal im Saatgut herumgewühlt und einen Moment in der schon sonnenwarmen Laube gesessen, die allerdings noch nicht saisonbereit eingerichtet ist.

Ein paar Minuten auch der Heckenbraunelle zugehört, die nach einem ganzen Jahr Pause auf einmal wieder auf ihrem Posten in der kleinen Weide sitzt und meine Arbeit zuverlässig mit Gesang begleitet. Als sei sie nie fort gewesen, als habe sie kein Sabbatical gemacht.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Late Boomer

Auch mal sehen, was die Korrespondentinnen machen – aber auf dem Land z.B. ist wieder einmal überhaupt nichts los, man kennt das. Nichts als Gegend.

***

Einen Vortrag von Heinz Bude bei Deutschlandfunk Nova gehört: „So ticken die Babyboomer“, in dem gleich zu Anfang ein Umstand genannt wird, der mir nicht bewusst war, der aber hier im Blog gleichwohl schon implizit vorkam, weil er kaum zu übersehen ist: Im Jahr 2024 gibt es in Deutschland mehr sechzigste Geburtstage als jemals zuvor, und vermutlich auch mehr als jemals wieder. 46 Minuten, die sich lohnen. Die Reihe Hörsaal ist überhaupt oft interessant und empfehlenswert.

Ich gehöre je nach Definition und Jahrgangsbetrachtung mal zu diesen besprochenen Boomern und mal knapp nicht mehr, ich bin sozusagen in Analogie zu den Late Bloomers ein Late Boomer, was schön dazu passt, dass ich generell ein Spätzünder bin, um leicht entwicklungsverzögert besonders nett zu umschreiben. Selbst wenn es richtig sein sollte, dass ich kein Boomer bin, waren sie doch immer meine Bezugsgruppe, immer die ein wenig Älteren, die mir vorausgegangen sind, die mir alles vorgemacht, vorgesagt und auch eingerichtet haben. Ich bin ihnen also geistig verpflichtet und verbunden, das in jedem Fall.

***

Ich habe vielleicht wieder etwas verpasst – bei diesem Vorschlag von Frau Stark-Watzinger, an den Schulen Zivilschutz zu üben, stand da irgendwo, was man sich darunter vorzustellen hat? Was soll da gemacht und trainiert werden? Ich habe viele Kommentare dazu gesehen, meist ablehnende, aber so gut wie keine erklärenden Inhalte. Standen die irgendwo, abgesehen von dem Aspekt mit den netten Offizieren von der Bundeswehr, die ihren Beruf in den Schulen freundlich und werbend erklären sollen?

Home-Office für Pandemiefälle z.B. haben meine Söhne schon reichlich eingeübt in den letzten Jahren, da sehe ich gerade keinen Bedarf mehr. Aber was weiß ich schon, vielleicht sollen sie ja übungshalber Sandsäcke befüllen, schanzen oder so etwas.

Wenn es allerdings um die Frage gehen sollte, wie man sich in Zeiten der Polykrise noch halbwegs zuverlässig informieren kann – ich wäre sofort dafür, bitte umgehend überall und gleich als Pflichtfach einführen.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Schon hat man Ansprüche

Auf dem Weg zum samstäglichen Einkauf sehe ich zwei plötzlich ergrünte Bäume. Es muss in wenigen Stunden passiert sein, Blattaustrieb in der immer wieder beeindruckenden Expressversion, der Frühling als stürmischer Dringling.

Im Discounter aber steht direkt vor der Kasse nach wie vor eine angebrochene Palette mit billigem Glühwein. Der Absatz ist mittlerweile bestenfalls mäßig, wenn ich das richtig beobachte, aber wenn sie nur lange genug dort steht, noch ein paar Monate, wird er auch wieder zunehmen. So vieles ist nur eine Frage der Geduld.

Unten auf dem Spielplatz streut die Zierkirsche großzügig tausend rosafarbene Blütenblätter. Der eiskalt auffrischende Wind nimmt sie und legt Muster in den am Morgen noch regennassen Sand um die Schaukeln herum. Einen großen Halbkreis legt er, unregelmäßige Tupfen dazu, zwei, drei Wirbel auch, ein Künstler mit lässiger Hand.

***

Auf dem Hotel gegenüber weht wieder eine Flagge, die ich nicht kenne, es ist ein Staatsbesuch aus … ich muss erst einmal nachsehen. Malaysia, so sieht das aus. Durch die Flagge der USA wurde sie inspiriert, was es alles gibt. Am Abend sehe ich viel Polizei vor dem Hotel, Kolonnenfahrzeuge und Geleitschutz, es wird recht hoher Besuch sein.

Ich denke bei Malaysia allerdings vor allem an Sandokan, denn ich bin alt genug für so etwas. 1979 lief das im Fernsehen.

***

Bei Anke eine interessante Newsletter-Empfehlung im Blog.

Bei einem anderen Newsletter (vielen Dank für die Tipps gestern!) lande ich beim Abo auf einer Roboter-Prüfseite, sie wird automatisch übersetzt und fordert mich sprachlich etwas unglücklich auf: „Bestätige die Menschheit!“

Ich zögere lange.

***

Kurz im Garten gewesen, 20 Kilo Dünger dorthin geschleift. Ohne Auto, damit es auch sicher als Sport gilt. Es blüht eine ganze Armee blauer Hyazinthen unter dem Weißdornbaum, der noch vor sich hinträumt. Ich wollte die ersten Radieschen säen, habe es dann aber gelassen, es war mir bei einstelligen Temperaturen zu kalt dafür und der Wind trieb mich wieder nach Hause.

Unter 12 Grad spiele ich nicht mehr gerne mit, wie immer im März. Kaum war es einmal warm, schon hat man Ansprüche.

***

Gerne gelesen: Dieses Interview mit Nick Cave in der SZ.

Und bei Frau Novemberregen ein Satz, den ich sicher bei Gelegenheit und in geeigneter Umgebung zitieren werde: „Es ist ja ein Arbeitsplatz, keine Tagespflege.

***

Im Bild eine Weide am gegenüberliegenden Ufer der Billerhuder Insel, sie kommt hier im Laufe der Jahreszeiten öfter vor.

Eine frisch ergrünte Weide am Ufer der Bille vor strahlend blauem Himmel

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Ferienbeginn

In Hamburg beginnen die bescheuerten Märzferien, was mich wie immer eher nervt, denn verreisen wollen wir in dieser unzuverlässigen Jahreszeit nicht, die Herzdame und ich haben eh keinen Urlaub. Und in der Wohnung werden durch schlafende oder, schlimmer noch, herumlungernde Jugendliche wieder alle Zimmer und Schreibtische und auch das Bad zu allen möglichen Tageszeiten zwei Wochen lang durchgehend besetzt sein. Problem.

Falls Sie noch nicht jahrelang hier lesen, der Ausdruck „Herumlungernde Jugendliche“ war in der Zeit, in der ich Berufsanfänger in der Sozialforschung war, eine feste Größe in der Viktimisierungsforschung. Wir haben damals (1987) regelmäßig im Auftrag von Universitäten gefragt, wer u.a. Angst vor „herumlungernden Jugendlichen“ hatte. Es hat sich mir förmlich eingebrannt, so oft habe ich das in den ersten Jahren im Büro getippt oder in turmhohen Stapeln von Fragebögen ausgezählt. Angst vor ihnen habe ich dennoch nicht.

***

Die Kaltmamsell las Wolf Haas.

***

Im Economist sehe ich, dass Deutschland immerhin auf Platz 7 von 194 Ländern ist, was den Lebensstandard angeht. Vor uns liegen noch die Staaten in Skandinavien, Hongkong und auf dem ersten Platz die Schweiz, am unteren Ende der Skala liegt Somalia. Und wir hatten die Diskussion schon vor Jahren in mehreren Blogs, einige werden sich vielleicht daran erinnern, aber es ist doch immer wieder bemerkenswert, wie wenig zuverlässig dieser offensichtlich krasse und eigentlich unfassbare Vorteil, den wir bei den allgemeinen Lebensbedingungen Tag für Tag haben, bei uns Glück auslöst. Wie ich damals schloss: Nach der Befriedigung der Grundbedürfnisse kommt nicht das Glück, sondern der Psychiater.

Heute würde ich aus guten Gründen die weibliche Form für die Fachkraft wählen, ansonsten stimmt der Satz nach wie vor, denke ich.

***

Draußen auf der Nordsee, eine überaus traurige Meldung für den Freundeskreis Küste und Insel, sterben währenddessen die Trottellummen.

***

Und eine kleine Bitte. Falls Sie sich auch über Newsletter informieren – ich wäre noch oder schon wieder an weiteren Tipps interessiert, gerade an solchen, die etwas abseits liegen, also nicht eben die Newsletter der überregionalen Zeitungen oder der Krautreporter, von Correctiv etc. – die habe ich alle schon, ebenso die von weithin bekannten Einzelautorinnen, also etwa von Nils Minkmar, Meike Stoverock etc.

Lesen Sie noch andere Newsletter? Vielleicht zu Spezialthemen oder von Spezialexpertinnen? Den Rezeptnewsletter einer lettischen Zeitung, die analysierende Wochenpost einer Politologin aus Brüssel, monatliche Berichte von KI-Forscherinnen, irgendwas?

Gerne kommentieren, ich bin ausgesprochen neugierig und lese gerne test. Und ich bin nie sicher, ob ich nicht vielleicht irgendetwas Großartiges übersehe.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Tick Tack

Automatisch im Browser übersetzte Seiten werden immer besser, man kann die deutschen Texte mittlerweile über weite Strecken fast schmerzfrei lesen, zumindest die aus dem Englischen übersetzten. Bei anderen Sprachen sieht es noch schlechter aus, zumindest für mein Sprachempfinden. Ich müsste englische Texte nicht zwingend übersetzen lassen, aber ich mache es oft, denn ich finde diese Möglichkeit zu und zu faszinierend, diese globale, leicht zugängliche Lesemöglichkeit, diesen kleinen Zauber im Alltag.

Manche Fehler bleiben dabei zuverlässig erhalten, so wird etwa TikTok immer wieder zu Tick Tack übersetzt, und das ist eine der Fehlleistungen, die ich sogar mag. „In den USA soll Tick Tack verboten werden“, das könnte ohne Kontext auch eine Anspielung auf Sex sein, oder auf eine neue Droge. „Hey, willst du Tick Tack?“ Nachts am Bahnhof leise im Vorbeigehen gefragt.

Und die Aufforderung im englischen Guardian, der Zeitung bitte etwas Geld zu geben, sie wird durch die Übersetzung zu einer archaisch klingenden Mahnung: „Bezahl den Wächter!“ Ein Satz aus vergangenen Zeiten, aus einer griechischen Tragödie vielleicht, produziert von modernster Technik.

***

Noch einmal im Büro gewesen. In dem Haus in Hammerbrook sind mehrere Firmen, unten beim Eingang gibt es etliche Briefkästen. Eine der Firmen ist gerade wieder ausgezogen, es ist in den letzten Jahren ohnehin viel Bewegung in den kleineren Büros. Dauernd werden Möbel geliefert oder abgeholt. Auf den Briefkasten der ausgezogenen Firma hat jemand einen handgeschriebenen Zettel mit „Bitte keine Post einwerfen!“ geklebt.

Diesen Zettel hat jemand mit Edding scherzhaft etwas nachbearbeitet, dort steht jetzt „Bitte keine Pest einwerfen.“ Eine Pandemiereminiszenz am Rande, wieder schön passend im März, man kann das so stehenlassen.

***

Nachmittags lange draußen gewesen und durch die Stadt gegangen. Es war mir zum ersten Mal zu warm. Ein T-Shirt hätte mir gereicht und es liefen auch tatsächlich Menschen so herum, manche noch mit Jacken und Pullovern über dem Arm. That escalated quickly.

(Auch das eben nachgelesen, der virale Erfolg des Satzes „That escalated quickly“ begann 2012. Die Memes und die Kinder, sie werden so schnell groß.)

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Meldung aus dem Widerstand

Gewissermaßen als Nachtrag zum Text von gestern: Ich habe uns neue Tulpen für den Wohnzimmertisch besorgt, weil die traurig wirkende Halbmastsituation der weißen Blüten doch eher unansehnlich war. Die neuen Blumen, orangefarbene Tulpen, haben dann gar nicht erst ein, zwei Tage gewartet, bis sie ihre Köpfchen hängenließen, sie haben das vielmehr sofort gemacht, unverzüglich, direkt nach dem Auspacken, Anschneiden und der ersten Berührung mit dem Vasenrand, ganz so, als hätten sie eine Sollknickstelle im Stängel. Vielleicht werden die Tulpen bereits passend zur gesellschaftlichen Stimmung gezüchtet, es passt schon. Trauertulpen für triste Konsumenten.

Ansonsten ein eher belangloser Tag. Es war nicht warm genug, um wirklich schön zu sein, es war nichts interessant genug, um wirklich unterhaltsam zu sein. Fast hätte ich zum Tag „Überrasch mich!“ gesagt, aber ich bin ja nicht irre. Zumal gestern der 13., März war, der uns alle, Sie erinnern sich vielleicht noch, vor ein paar Jahren schon einmal recht gründlich überrascht hat, mit Auswirkungen bis heute.

Aber gut, das gilt vielleicht nur aus norddeutscher Perspektive, anderswo begannen Schul- und Büroschließungen etc. zu anderen Zeitpunkten, wenn ich mich recht erinnere. Anderswo denkt man an andere Jahrestage.

Immerhin aber habe ich dann im Büro noch ein Kompliment für gewisse Kenntnisse bekommen, das ist nicht nichts. Ich bin übrigens auch selbst deutlich öfter als früher nett zu anderen, lobend, rühmend oder ermunternd, wo es nur geht. Denn man muss, so denke ich, in einer immer härter werdenden und deutlich nach rechts rückenden Gesellschaft, in der Aggressionen und Hass unübersehbar zunehmen, in der unser Umgangston immer schärfer wird, die Umgangsformen immer kantiger, und in der die allgemeine Polarisierung weiter voranschreitet, alle acts of kindness als Handlungen des Widerstands betrachten.

Und Widerstand, da stehen wir doch drauf.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

 

Bestenfalls Skepsis

„Die Inflation entspannt sich weiter“, lese ich am Morgen in den Schlagzeilen und finde das erfreulich, dass es sich wenigstens die Inflation gut gehen lässt und sie also schön gechillte Tage bei uns verlebt, wenn schon sonst niemand im Umfeld.

Den entspannt gibt sich weiterhin eher niemand, ist eher niemand. Nicht in den sozialen Medien, nicht im Offlineumfeld. Die schlechte Laune hält sich, die verstetigte Anspannung und das Stressgefühl, ein depressives Element auch, eine Art Verbitterung, Zynismus, Pessimismus, Varianten der Resignation. Bestenfalls Skepsis. Ich stelle nur fest, ich werfe nicht vor. Ich kann das alles verstehen und ich kann auch leicht nachvollziehen, warum wir in der Gesamtheit aus der Schleife nicht mehr herauskommen, die Nachrichtenlage gibt es schon her, unser gemeinsames Älterwerden selbstverständlich auch. Man wird den Wirren der Welt nicht zugeneigter mit den Jahren.

Ich bin bemerkenswert schlecht darin, mich in vergangenen Jahren zu orientieren, aber eine Phase, in der eine neutrale oder sogar zwischendurch positive Stimmung gesellschaftlich überwog – sie wird mittlerweile länger als sieben Jahre her sein. 2014 vielleicht? Also zehn Jahre schon? Aber wie gesagt, ich bin nicht gut darin. Irgendwann jedenfalls waren wir mal etwas besser drauf. Damals.

Und es ist nur ein vages Gefühl, keine exakte Ableitung, aber ich nehme an, dass die jungen Menschen, die jetzt in das Erwachsensein starten, mehrheitlich nicht mehr mit dem Gedanken „Mal sehen, was wir alles erreichen können“ loslegen, sondern eher mit dem Gedanken „Mal sehen, wie wir da gut durchkommen.“ Das ist keine zwingend fatale Haltung, aber es ist doch eine fundamental andere, als sie vorhergehende Generationen hatten.

Na, egal. Auch mal zwischendurch etwas Schönes zur Kenntnis nehmen, etwas Nettes, Erbauliches! Irgendetwas, was nehme ich denn da, vielleicht einfach die weißen Tulpen auf dem Wohnzimmertisch neben mir.

Allerdings lassen die auch ihre Köpfe deutlich hängen. Irgendwas ist immer.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Dreifaches Gelb

Weil sich alles in allem spiegelt und das Private nun einmal politisch ist: Die Brotschneidemaschine beim Bäcker ist erneut kaputt, nachdem sie das bereits monatelang war und nie jemand verfügbar war, der sie reparieren konnte – der Personalmangel. Jetzt hat sie nach kurzer und finaler Betriebsphase endgültig den Geist aufgegeben. Es wird also ein neues Gerät geben müssen und auf meine Frage, wie lange das mit Bestellung und Lieferung denn dauern könne, gab es resigniertes Achselzucken und die vage Auskunft: „Sehr, sehr lange.“ Es klang wie sieben Jahre oder dergleichen, jedenfalls aber nach vatikanischen Zeitmaßstäben.

Ceterum censeo: Wir lösen keine Probleme mehr, wir sind wirklich recht weit heruntergekommen, was Prozesse, Lösungen und schon gar die Effizienz angeht. Ob nun bei der Digitalisierung, bei Fregatten oder bei Brotschneidemaschinen, einfach bei allem. Kommste heut nicht, kommste morgen. (Diese Wendung schnell einmal nachgelesen, manche führen sie auf einen Satz aus Köln zurück: „Küss de hück nicht, küss de morje.“ Das ist doch wenigstens nett.)

In diesem Zusammenhang ist auch interessant, wie lange mittlerweile Postsendungen aus UK zu uns brauchen. Wir waren vermutlich im 19. Jahrhundert schon einmal nennenswert weiter dabei und ja, es nervt alles und ebenfalls ja, es sind privilegierte Probleme, ich weiß.

***

Andrea Diener über Straßenfotografie, gefunden via Kaltmamsell. Fotos mit einer Kamera könnte man auch mal wieder machen, fällt mir dabei ein. Ich neige dazu, so etwas jahrelang zu vergessen.

***

Frau Fragmente wird 20, wie ist das nun wieder möglich. Glückwunsch jedenfalls!

***

Kurz im Garten gewesen. Drei Stationen sind das nur mit der U-Bahn. Dort ausgestiegen und überrascht gemerkt, dass es da, wo es etwas mehr Park und Hecken gibt, ein paar mehr Rasenflächen auch und mehr Bäume, tatsächlich nach März und Frühjahr riecht, nach Erde, nach Grün und überhaupt deutlich nach Natur, ganz auffällig riecht es dort so. Bei uns im kleinen Bahnhofsviertel ist das nicht so, diesen Effekt schafft der kleine Spielplatz vor der Haustür nicht.

Im Garten blühen die Osterglocken, die Forsythien und die Kornelkirsche, dreifaches Gelb. Und der Rhabarber treibt frisch aus, eine rote Note von unten. Man muss aber noch genau hinsehen, sonst geht man ohne Notiz daran vorbei.

Na, es wird. Das meinen auch die dicken Knospen an Birne, Apfel und Kirsche.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Saisonale Deko

Ich höre bei der Sendung Radiowissen auch die Themen, die mich eher nicht sofort interessieren, zu denen ich keinen direkten Bezug habe und bei denen ich geistig wenig anlegen kann. Das ist manchmal nichtssagend, aber oft unerwartet bereichernd, etwa bei dieser Folge hier über prähistorische Musikinstrumente – Der Sound der Steinzeit. Ausgesprochen gerne gehört. Und wie schön, dass sich Menschen mit so dermaßen abgedrehten Themen wir etwa Musikarchäologie beschäftigen, mich freut das. Oder diese Folge hier, über die Nabatäer (das sind die mit der Wüstenstadt Petra).

***

Wir haben ansonsten Ostern aus dem Keller geholt. Und nachgesehen, die Feiertage beginnen noch diesen Monat. Guck an.

Ab und zu überlege ich, allerdings nur aus müßigem Interesse, keineswegs anlassbezogen oder gar mit finsterer Absicht, bei gewissen Aspekten des Lebens, wie sie wohl für mich ausfallen würden, lebte ich allein, ohne Familie und Partnerin. Und ich denke, saisonale Deko hätte ich dann sicher nicht. Kein einziges Stück. Stets nach Möglichkeit Blumen oder auch Grünzeug der Jahreszeit auf dem Tisch, das schon, aber bunte Hasen und bemalte Eier und dergleichen … nein.

In den Foodblogs sehe ich nebenbei Gebäckrezepte mit Eierlikör, allerdings gab es hier gestern von der Herzdame gebackene Käsesahnetorte mit Mandarinen und einer Milliarde Kalorien, ich möchte an Eierlikör nicht einmal denken.

Eine angeschnittene Käsesahnetorte

Zum Abendessen dann türkische Linsensuppe, nach Rezept von einer KI. Ich habe dafür noch einmal drei Varianten getestet, ChatGPT, Mistral und Gemini. Es gab jeweils sehr ähnliche Ergebnisse und ich fand keine signifikanten Fehler, auch nicht bei der Einforderung von Varianten, mit anderen Zutaten, nach anderen Ländertraditionen, mehr Gewürzen usw. Zum Kochen kann man KI wohl nehmen, solange man nicht gerade bei selbstgesammelten Pilzen um Rat fragt und auch sonst misstrauisch etwa bei Mengenangaben bleibt.

Man kann aber auch einfach konservativ in ein Kochbuch sehen, schon klar. Es stehen genug davon neben mir, etwa auch Türkei vegetarisch aus der sehr guten Seiser-Reihe (keine bezahlte Werbung, nein), da wird die Suppe schon drin sein und es wird beim Nachsehen keine sinnlose Energie verbraucht.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

Frühlingsspuren

Dann ein komplett unblogbarer Tag, wie er in der Intensität selten vorkommt, was wiederum noch ein Glück ist. Das sollte ich vielleicht ab und zu erwähnen, dass so vieles hier nicht steht, dabei ist es bei allen oder bei fast allen Bloggerinnen so – wir schreiben nur über Anteile der Tage, und manchmal sind sie klein, fast winzig. Das Berichtbare eben, das man sich manchmal mit der Lupe und mit langer Bedenkzeit zusammensuchen muss. Das allerdings, dieses Suchen und Bedenken, könnte man glatt in Lebensratgebern empfehlen, so sinnvoll ist es (ich schrieb eben versehentlich Lebensrastgeber, wie schön ist das denn), so heilsam vielleicht auch, aber das klingt schon gefährlich kitschig, da hört man schon die Klangschale im Hintergrund. Gott bewahre, meine Wellness-Allergie.

Kalt war es gestern jedenfalls, das kann ich immerhin notieren, viel zu kalt war es, überall froren die Menschen. Man sah es ihnen deutlich an, und es lag, das sah man auch, an der märzbedingten Winterjackenverweigerung, denn wir tragen jetzt alle verbissen unser Übergangszeug. Es war ja schon einmal warm, nicht wahr.

Die Herzdame war kurz im Garten und kam mit diesen rustikalen Spuren zurück, Zweiglein im Haar, Rindenfetzen auf der Jacke, Moos an der Hose, Gras an den Schuhen, wie man das Outfit einer Kleingärtnerin fürs Fernsehen präparieren würde. Frühlingsspuren.

Sohn II, der seit Jahren ein unheimlich anmutendes Abo auf platte Fahrradreifen hat, stand zum ersten Mal in diesem Jahr mit demontiertem Rad im Flur und suchte sein Flickzeug in der Abstellkammer. Auch das ist bei uns ein Saisonbeginn. Ich hatte als Kind nie einen Platten, er hatte bereits etwa zwanzig, wir wissen nicht recht, wie das zugehen kann. Schlechtes Fahrradreifenkarma vielleicht. Er wird im letzten Leben die Reifen der Fahrräder anderer Menschen zerstochen haben, und er flickt jetzt so lange, bis er das überwunden hat. So etwas.

Der andere Sohn liegt krank und unbrauchbar herum, ich war nur zum Einkaufen und zu einem Termin draußen und ich kann mich, merke ich gerade, an diesen Einkauf nicht erinnern. Das kennen Sie vermutlich vom Autofahren, wenn man sich manchmal, auf bekannten Wegen, kaum an die Strecke erinnern kann, aber doch angekommen ist, weil man als höchstens halbbewusster Automat gefahren ist.

Offensichtlich kaufe ich manchmal so ein. Es ist neues Zeug im Kühlschrank, ich muss beim Discounter gewesen sein. Manches nur ableiten, es wird schon stimmen.

***

Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.