Die ersten Hunde schnüffeln schon

Eine Zugbegegnung.

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Ich mag die Radio-Reihe „Zeitzeugen im Gespräch“. Bei dem Dialog mit dem Historiker Heinrich August Winkler blieb ich an einem Detail für den Freundeskreis Handschrift hängen – er hat sein Hauptwerk, 6.000 Seiten über die Geschichte des Westens, mit Kugelschreiber geschrieben, so etwas muss ich mir immer einen Moment genauer vorstellen. Der Rest ist aber auch hörenswert.

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Bei der Kaltmamsell sah ich interessante Links zu Katastrophen und Büchern. Wobei ich auch ihre Bestellungen von Olivenöl etc. lesenswert finde. Ich nehme mir nie Zeit, mich mit so etwas zu befassen, bin dem aber sehr positiv gesonnen. Aber bei mir ist es mehr ein Fall für: „Wenn die Söhne aus dem Haus sind“, diese Liste wird auch allmählich länger.

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An der Straßenecke gegenüber malt jemand die Außenmauern am Erdgeschoss eines alten Hauses neu an, jedenfalls wenn es gerade mal nicht regnet. Die Mauern bilden da eine Ecke, gegen die nahezu alle vorbeikommenden Hunde pinkeln oder vor die sie kacken, eine Kommunikationszentrale und ein Kommunalklo für sie. Es ist dazu eine Ecke, an der manchmal recht offensichtlich gedealt wird, an der auch andere dubiose, schnelle Geschäfte zu ungewöhnlichen Uhrzeiten stattfinden. So eine Ecke, die gerne mal besprayt und ungelenk mit Tags beschmiert wird, an der sich Menschen auf der Straße davor um die Vorfahrt streiten und schnell Schläge androhen: „Ey, was willst du!“

Eine Ecke, um die fast alle zu schnell fahren, mit welchem Verkehrsmittel auch immer, Zone 30 hin oder her, alle Schilder sind hier nur Symbolpolitik. Eine Ecke, um die nachts ausgesprochen klischeemäßig finstere Gestalten schleichen, an der am Abend Jugendliche cornern und trinken, an der am Morgen leere Flaschen und Dosen stehen, Scherben auf dem Fußweg.

Mit anderen Worten, diese Mauern bilden eine deutlich großstädtische, arg abgenutzte, sichtlich heruntergekommene Ecke mit deutlichen Gebrauchsspuren, wie man sie aus Krimis kennt. An so einer Ecke treffen sich die Hauptfiguren, eine von ihnen der spätere Täter, kurz für drei bedeutungsschwere Dialogzeilen. Die frische Farbe wird an diesen Wänden gewiss nicht lange frisch wirken, das weiß man. Die ersten Hunde schnüffeln schon, noch während dort gearbeitet wird, noch während ich dies schreibe und ab und zu zum Fenster gehe, um nachzusehen, wie es da unten zugeht.

Der Maler arbeitet dennoch mit Hingabe und Gründlichkeit. Er kniet vor einer Kante auf dem Boden und sieht genau hin, er hat sich etwas untergelegt, damit er den Fußweg nicht bekleckert. Als ob es etwas ausmachen würde. Der Maler macht seine Sache, soweit ich es beurteilen kann, gut, und er macht sie, so wirkt es jedenfalls, auch gerne, er hört Musik dabei, die klingt eher munter als getragen. Der Maler arbeitet für ein Ergebnis, das nicht lange halten wird. Er arbeitet für den Moment, für ein Gebild von Menschenhand an Schmuddelwand.

Daraus dann vielleicht die Motivation für die nächste Woche ableiten.

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Und dann gibt es noch neue Musik von Johnny Cash. Ja, von dem Johnny Cash, und ganz so neu ist sie also nicht, aber uns eben doch. Well allright.


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Der übliche Tag

Vorweg ein herzlicher Dank für die Zusendung eines Buches von unserem Wunschzettel: „Einige Herren sagten etwas dazu – die Autorinnen der Gruppe 47“ von Nicole Seifert. Ich freue mich sehr darauf, es ist demnächst dran.

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Mittwoch. Der übliche eine Tag Office-Office in der Woche im verregneten Hammerbrook. Eine graue Betonwand und ein Parkplatz vor dem Bürofenster, ein Stapel leere Paletten vor einem Lieferanteneingang an einer Gebäuderückseite, ein Müllwagen. Man muss schon ein wenig bemüht gegen dieses Setting anpfeifen, um hier in Stimmung zu kommen.

Alle paar Minuten rumpelt eine rote S-Bahn vorbei, mal in die eine, mal in die andere Richtung. Spiegelt sich einen Moment in den Pfützen unten auf der Straße neben den aufgeständerten Gleisen, verbreitet Großstadtatmosphäre. Dazu ein wenig Straßenlärm und am Rand des Bildes Menschen mit Regenschirmen, in dicken Jacken, unter Kapuzen und mit schnellem Gang. Rein in die Imbisse und in die Bäckereien, wieder raus, in die Büros, hin und her. Becher und Tüten durch die Gegend tragend. Was man so macht, was man so abläuft, wie man so abläuft. Vor den Verwaltungszentralen rauchende Menschen mit hochgezogenen Schultern im Nieselnass, unruhig trippelnd, locker um Großaschenbecher gruppiert. Rauch- und Dampfwölkchen über ihnen, die lösen sich schnell auf.

Tauben und Möwen fliegen ab und zu quer durchs Bild, die einen flatternd in Grüppchen, die anderen einzeln und segelnd. Auf einmal eine quirlige Kohlmeise am Fensterrahmen direkt vor mir, diesen nach Insekten absuchend, inspizierende Blicke, schnell und gründlich. Ein routinierter Profi, das sieht man gleich. Blaugelbbunt ist dieser Vogel, viel bunter als er im Garten oder auf dem Balkon bei uns zuhause wäre. In Hammerbrook fallen die Farben mehr auf, jede Farbe fällt hier auf.

„Ich trage auch etwas Blau“, sage ich zu dem Vogel. Aber navy, aber dunkel, schon klar. Hanseatisch gedeckt. Die Meise hört mir eh nicht zu, sie ist viel zu beschäftigt, ich könnte alles behaupten.

Ich mache Excel auf und fülle eine beliebige Zelle ohne jeden Grund mit knalligem Gelb und eine daneben mit intensivem Hellblau. Ich sage „So.“

Weitermachen.

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Schlichte Wahrheiten, vage Vermutungen

Ein langer Text über die Dummheit des Menschen und die Intelligenz der Kraken.

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In den letzten Tagen gehört: Eine Folge von „Das Wissen“ (SWR) über Varian Fry, zu dem es neulich die Serie auf Netflix gab. Die mir nicht gefallen hat, ich schrieb kurz darüber. Diese Radiosendung fand ich erhellender. Kernbotschaft der Sendung, dass ein Mensch einen Unterschied machen kann. Das vielleicht schon einmal vormerken für finstere Zeiten. Immer ambitioniert bleiben, auch wenn das Scheitern wahrscheinlich ist.

Außerdem gehört: Diese lange Reportage aus 2023 über das Bedrohungsgefühl in Taiwan: „Taiwan und China: Doku über die Angst vor der Invasion“ (54 Minuten), da kann man wieder etwas dazulernen. Die Ungeheuerlichkeit der Lage bleibt dennoch unvorstellbar.

Und dann noch ein Feature vom Deutschlandfunk Kultur: Wie sich Paris auf steigende Temperaturen vorbereitet (32 Minuten). Paris sei die tödlichste Stadt in Europa bei Hitze, heißt es da. Bei diesen geografischen Neuzuordnungen, nach denen das Klima in Hamburg bald etwa dem von San Marino entsprechen wird, liegt Paris bei Sevilla.

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Abends weiter in der Kafka-Biographie vom Stach gelesen, zwischendurch immer wieder gestaunt über die schier unfassbare Detailfülle, die er bearbeitet hat und die überhaupt zur Familie Kafka und ihrer Zeit vorhanden ist, ermittelbar war, was es alles an schriftlichen Belegen gab und noch gibt. Dabei die vage Vermutung gehabt, dass es heute weniger ist oder zumindest leicht weniger sein kann, je nach Haltbarkeit unserer Daten, die online am Ende fragiler sind als auf Papier.

Aber wer weiß, das ist nur eine Annahme und vielleicht ist es auch nicht schlimm, dass es weniger wird. Man kann es so oder so sehen.

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Einkaufen gewesen. Gefroren. Abends Champignonbaguette gemacht, etwa so. Dieses Gericht hatte ich jahrelang vergessen, dabei ist es dermaßen schnell, leicht und reich an Käse und Wärme, dass es ein Trost in den Tagen der letzten Winterbitternis sein kann.

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Ich lernte von einem Sohn den Ausdruck Pookie Wookie Bear, der mir nicht geläufig war, der jetzt aber korrekt einsortiert werden kann, auch von Ihnen. Was ist es hier wieder serviceorientiert. Falls Sie mal eine Abwechslung zu „Schatz“ und dergleichen brauchen – bitte sehr.

Passend dazu, aber nicht ganz so kosend, bei Thomas Knüwer noch das Wort „Delulu“ mitgenommen. Beim Nachsehen gelesen, dass „Staying delulu is the solulu“ ein passender Meme-Spruch dazu ist. Ein sprachbereichernder Tag war das.

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Hier noch eben eine schlichte Wahrheit, gut gerockt, denn Bernd Begemann hat ein neues Album, ein neues Video: Es hat einen Vorfall gegeben – und die Zuschauer sind nicht in Sicherheit.

Die schlichten Wahrheiten werden in weiteren Titeln auf dem Album fortgesetzt, etwa bei „Gemäßigt ist das neue Radikal.“ Wer würde dem nicht zustimmen, wir sind längst an diesem Punkt.

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Triumphmärsche auf der urbanen Kurzstrecke

Gelesen: Anke über die Gamaschen und andere Kleidungsstücke von Arno und Alice Schmidt.

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Ein kleiner Nachtrag zum gestern erwähnten Ehrgeizthema – Chinas Jugend hat da auch so ein Spezialthema: #grossoutfitforwork.

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Und dann noch ein Nachtrag zum ebenfalls gestern erwähnten Kant, bei Spektrum gibt es ein fiktives, aber nicht substanzloses Interview mit ihm, zu aktuellen Fragen und mit einem Schluss, den man wohl unterschreiben kann.

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Annette Dittert über die Freuden des Neoliberalismus: „Denn seit Margaret Thatcher die englischen Wasserfirmen 1989 privatisiert hat, haben die umgerechnet mehr als 70 Milliarden Euro an ihre Aktionäre ausgezahlt, in Abwasser-Rohre und Infrastruktur allerdings nur marginal investiert. Weshalb englische Flüsse und das Meer mittlerweile im Dreck versinken. Immer häufiger landen Briten, die einfach nur schwimmen waren, im Krankenhaus, oft mit schweren Lebervergiftungen, denn im ungeklärten Abwasser sind jede Menge Bakterien.

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Genug der Medien, kurz zur Politik im eigenen Stadtteil, zum writing on the walls, da gab es lange kein Update: Jemand sprüht in diesen Tagen „All eyes on Gaza“ an die Wände und auch aufs Pflaster im kleinen Bahnhofsviertel. Ein anderer Mensch sprüht, sicher deutlich später, einen Strich durch das Wort Gaza und korrigiert durch eine Anmerkung: All eyes on Hamas.

In einer anderen, pubertären Variante steht da dann: All eyes on Schwanz, mit erläuternder Skizze im Stil der bekannten Schulklokunstwerke, die wir alle einmal … nein. Nicht alle. Okay.

Ansonsten müssen die drei Kioske um die Ecke neuerdings sonntags schließen, weil im Bezirksamt jemandem auffiel, dass sie doch unter Einzelhandel fallen. Es reicht nicht, in die Mitte einer Millionenstadt zu ziehen, man entkommt solchen etwas provinziell anmutenden Regelwerken nicht. Wobei in der Provinz, aus der ich komme, am Sonntag stets alles geöffnet war, durch die Bäderregelung an der Ostsee. Wir gingen an jedem beliebigen Tag zum Einkauf, normal, wie in New York, Rio oder Tokio so.

Für mich war Hamburg in dieser Hinsicht damals also ein Rückschritt, ein seltsamer.

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Am Sonntag sind die Herzdame und ich kurz im Garten gewesen. Während in den Timelines ausführlich und vehement klagend aus allen Landesteilen von Graupelschauern, Regen und Schnee berichtet wurde, schien bei uns die Sonne. Und obwohl die Temperatur dabei nicht im Wohlfühlbereich lag, ganz und gar nicht, war das Bild des Frühlingsgartens doch wieder von belebender Schönheit und von krassen Farben geprägt, Textmarkergrün im Hintergrund.

Lilablühender Flieder vor hellblauer Gartenlaube

Vor einigen Lauben saßen Menschen in der Sonne und im Windschatten, noch in Winterpullovern, Teetassen in den Händen, um bloß diese halbe Stunde Sonnenschein intensiv auszunutzen. Oben schon wieder die unheilverkündenden schwarzen Wolken, über der Bille heranjagend, übergriffig, rücksichtslos.

Bedrohlich wirkende Wolken über der Bille, ein lilafarbenes Hausboot am Ufer

Wir sind immerhin trocken hin- und zurückgekommen. Die kleinen Freuden, die bescheidenen Triumphmärsche auf der urbanen Kurzstrecke.

Dann am frühen Abend entschlossen angespargelt, die Abwesenheit der Söhne auch dafür genutzt: Pasta mit Ziegenkäse, grünem Spargel und Thymian. Ohne Rezept, wie so ein Könner. Es schmeckte dennoch.

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Eine Hose noch, eine Bluse, ein Hemd

Nils Minkmar über die Memoiren von Schäuble: „Schäuble lernt Dutzende oder Hunderte von Menschen besser kennen, aber Porträts haben hier die Tiefe von Smileys. Angela Merkel ein freundliches, Helmut Kohl ein großes und böses Gesicht.

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Nicht erzählt habe ich, fällt mir gerade ein, dass ich neulich, als die letzte Karstadt-Insolvenz-Meldung gerade durch die Medien ging, in einem solchen Kaufhaus war, einen Tag nach dieser Meldung. Es war voll dort, überraschend voll, aber es waren alle, alle, die dort in langen Schlangen vor den Kassen standen, alt. Also noch deutlich älter als ich, weit im Rentenalter. Es waren, nehme ich an, die Menschen, die jetzt den endgültigen und vor allem schnellen Tod der Kaufhäuser antizipierten und also eilig noch einmal einkaufen gehen wollten, bevor diese Möglichkeit für immer aus der Stadt verschwinden würde. Eine Hose noch, eine Bluse, ein Hemd, eine Bratpfanne. Das Bild dieser Warteschlange war wieder eines, das jenseits aller Glaubwürdigkeit war, viel zu überzeichnet sah das aus, eine Karikatur, ein Sketch, so gar kein junger Mensch dazwischen.

Ich stand staunend und reihte mich dann einfach ein, mit meinen grauen Haaren fiel ich sicher kaum auf.

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Eine Album-Empfehlung: The Power of the heart – a tribute to Lou Reed. Unter anderem mit dieser Perle von Mary Gauthier:

Aber auch der Wainwright bemerkenswert:

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Gelesen: Literary love affair – why Germany fell for a windswept corner of Ireland. Über die Nachwirkungen des irischen Tagebuchs von Heinrich Böll. Das ich auch immer noch lesenswert finde.

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Gesehen: Diese Doku über Kant (arte, 53 Minuten). Nicht nur Kafka in diesem Jahr, sagt der Kulturkalender mahnend.

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Was kann Deutschland vom Bildungsweltmeister Singapur lernen? Eine Reportage von Jennifer Johnston. 33 lohnende Minuten für jeden, der intensiven Kontakt mit dem System Schule hatte oder hat, also sicher auch für Sie. Faszinierend anders, was da über Singapur erzählt wird, der inhaltliche Abstand zu Deutschland erscheint riesig, wirkt unüberbrückbar, es ist ein Mentalitätsgraben von beträchtlichem Ausmaß zwischen den Weltgegenden. Man kann es zumindest einmal zur Kenntnis nehmen, man muss gar nicht sofort etwas daraus ableiten. Es sei denn, man möchte dringend.

Es ist sicher kompliziert, aber es ist am Ende wohl ein Ehrgeiz- und also Motivationsproblem. Aller Ehrgeiz in unserem Land bezieht sich auf den Status Quo, der längst erstaunlich vielen Gruppen und auch mehreren Generationen zum anbetungswürdigen goldenen Kalb geworden ist, und das ist eben keine Richtung, die noch in die Zukunft weist. Ob es einem nun passt oder nicht, wir haben uns in der Gegenwart verrannt, scheint mir, die währenddessen zur Vergangenheit wird. Wir wollen nichts mehr werden, nur sein, und das bitte komfortabel.

Ob Ehrgeiz aber überhaupt erstrebenswert ist – das wäre dann eine weitere, viel tiefere Frage. Allerdings eine, die in Singapur für große Verwunderung sorgen würde. „Ich weiß aber, dass alle etwas wollen sollen“ schrieb die deutsche Philosophin Judith Holofernes vor etlichen Jahren (2003), und es war keine freudige Feststellung.

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Was liegt in den Stunden

Gesehen: Trintignant über Trintignant auf arte. So schön, das sollte man auch ab und zu sagen, dass es arte gibt, was hat mir dieser Sender nicht schon für Freude bereitet. Andere europäische Sender, aber das nur am Rande, haben längst Schwierigkeiten mit den Faschisten, die Lage ist und bleibt bedrohlich.

Wie schon bei der Simone Signoret neulich wiederum eine Doku mit wunderbaren Bildzitaten aus französischen Filmen, man möchte den Tag danach mit dem passenden Soundtrack fortsetzen und bei jedem Moment des Alltags zumindest kurz überlegen, ob er eine Großaufnahme sein könnte und wer als nächstes ins Bild kommen sollte, von wem gespielt und mit welcher Kameraführung. Die Ranunkeln vor Raufaser, der kritische Blick der Herzdame auf die absinkenden Blüten, mein Griff zum Mantel, ich gehe neue Blumen holen. Wie fängt man das ein, was sagt das aus, was liegt in den Gesichtern, in den Stunden.

Die Söhne sind auf Reisen, wir haben heute Zeit zu zweit. Es ist ein guter Tag für ein Kapitel, für paar Filmminuten. Welche Blumen würde ich holen, wenn Trintignant mich spielen würde. Was ist das für ein Gedanke, was entstehen für Bilder, aber egal, ich kann hier denken und schreiben, was ich will. Vorteil Blog.

Ach, ach. Mal wieder mehr französische Filme sehen, die alten Filme noch einmal sehen. Ich merke doch, es entsteht da ein Bedürfnis, aber was ist das dann für eine kulturelle Mischung in meinem Konsum gerade. Kafka und Lelouch, Chabrol, Truffaut etc., daneben Schiller, so geht es hier zu und folgt gar keinem intellektuellen Interesse, ich kann das unmöglich vorgeben.

Es folgt alles vollkommen ungehemmt lediglich Neigungen und Launen, as my wimsey takes me, um auch eine Frau und ihr Werk in diesem Kontext zumindest anklingen zulassen. Die habe ich auch Ewigkeiten nicht mehr gelesen, fällt mir ein, ob mir ihre Bücher wohl immer noch gefallen würden? Oder jetzt erst recht?

Auch bei ihr ist es interessant, kurz den Lebenslauf nachzulesen.

Wo war ich stehengeblieben? Trintignant jedenfalls. Ein so gutaussehender Neunzigjähriger, und eine wunderbare Schlussszene der Dokumentation, in der die Lyrik einen angenehm hohen Stellenwert hat. Gefällt mir.

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Nichts trifft uns gründlich

AI isn’t useless. But is it worth it? Das ist ein langer, langer Text über die Anwendung von AI, über das Warum und das Wie und den eventuellen Nutzen, den Schaden und auch über die ethischen Fragen. Der Text wird nur kurz knackig technisch, das Durchhalten lohnt sich und das Ende ist treffend.

Hervorragend, und meiner momentanen Meinung zu dem Thema auch noch täuschend ähnlich. Das freut mich, sogar auf eine etwas streberhafte, fingerschnippende Art, ich gebe es zu, denn ich habe ebenfalls viel Zeit mit dem Thema verbracht in den letzten Monaten.

Man muss es der Weltgeschichte aber ab und zu ins Gesicht sagen, wie wahnsinnig enttäuscht man davon ist, dass ethische Fragen überhaupt keine Rolle mehr spielen, bei nahezu keinem Thema. Was für ein eklatantes Versagen von uns allen.

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Auch gut: Dieser Text von Hedwig Richter. Über den, so schreibt sie, plebiszitärvulgären Volkswillen und die Abwärtsspirale der niedrigen Instinkte. Das hat sie schön und bemerkenswert treffend gesagt, man möchte ihr zu der Wortwahl herzlich gratulieren. Und man kann dann noch in Gedanken eine Linie zum erstverlinkten Text und der Schlussfolgerung darunter ziehen, so unter uns Moralapostelinnen.

Gibt es den Begriff Apostelin überhaupt, das Wort sieht doch etwas seltsam aus, schon gar im Plural? Selbstverständlich nachgesehen und zack: Junia. Es gibt sogar eine Apostelin-Junia-Kirche. In Augsburg. Guck an!

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Noch ein Longread, über die Kabel auf dem Meeresboden und die Männer, die sie reparieren (gefunden via hotelmama auf Bluesky).

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Der jüngere Teil der Welt hört gerade wieder Taylor Swift, ich höre etwas seniorigeren Herren zu, die auch neue Musik liefern. Es ist alles gut verteilt und für jeden etwas dabei: Black Tie Job.


Oder hier, man kann ihnen auch bei der Arbeit zusehen:


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Und Reinhard Repke hat Eva Strittmatter vertont, „Anfang der Liebe“ – Nichts trifft uns gründlich, alles ist leicht. Erst wenn man weiß, dass sie enden kann, hat man den Anfang der Liebe erreicht.

Es gibt von Reinhard Repkes „Club der toten Dichter“ eine ganze Reihe Alben, wenn Sie das nicht kennen, da gibt es einiges zu entdecken. Den Schiller habe ich damals live gesehen, Dirk Darmstädter als Sänger, es war ein großartiger Abend. „Der allein besitzt die Musen, der sie trägt im warmen Busen, dem Vandalen sind sie Stein.“

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Konstruktive Kartofffeln

Ich finde die Nachrichten am Morgen zusehends unangenehm, fast schon körperlich unangenehm. Dieses fortwährende Fremdschämen ob all der Dummheiten, Frechheiten und Schrecklichkeiten. Dabei finde ich mich selbst ausreichend peinlich und unerträglich und habe mit eigenen Problemen genug zu tun. Aber all diese zusätzlichen, entsetzlich abstoßenden Menschen, diese furchtbaren, belastenden Themen und Ereignisse, die ich lieber nicht zur Kenntnis nehmen möchte, sie aber doch immer wieder alle beflissen und teils sogar in der Tiefe studiere. Als sei es die erste und wichtigste Bürgerinnenpflicht, sich mit der FDP zu befassen, mit den Ansichten von Merz, von Trump, auch mit Nazis, mit grauenvollen Kriegen, mit der Klimakrise und der Apokalypse und immer so fort. Dabei immer den Poisel im Ohr, wie soll ein Mensch das ertragen.

Aber nur ironisch, versteht sich, denn andere ertragen doch viel mehr, viel Schlimmeres, daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben. Sich immer gleich zurückpfeifen und relativieren. Das ist allerdings auch so ein Pflichtding, und am Ende ist es eng verwandt mit der protestantischen Arbeitsethik, Hauptsache, man macht sich nieder und klein und funktional.

Lindner hat gesagt … Um Gottes willen, was ist das für ein Niveau, worüber reden wir da. Lieber vom Bildschirm hochsehen und den Blick ins Regal vor mir lenken, da keimen Kartoffeln in Eierkartons vor, sie kommen demnächst ins Beet. Bizarre Triebe tastend in den Raum gestreckt. Das ist etwas Konstruktives, das ist der Zukunft zugewandt und gleichzeitig dermaßen traditionsverbunden. Gartenbau als geteilter Wert quer durch die Generationen, meine Großmutter hätte diese Kartoffelsache sicher gemocht. Kartoffeln ansehen und weiteratmen, Kartoffeln sind okay.

Gleich neben den Kartoffeln steht der Lehmann, das Bukolische Tagebuch 1927 – 1932. Der Herr hat auch woanders hingesehen, wie konsequent er das gemacht hat, und es war keine Biedermeier-Attitüde bei ihm. Ich habe mich eine Weile mit Nature Writing befasst, dieses Buch blieb mir aus der Zeit in Erinnerung und steht für mich zum gelegentlichen Wiederlesen bereit. Wie ich überhaupt meine Bücher nach und nach auf die reduziere, bei denen ein Wiederlesen noch in Betracht kommt.

Im Sommer wird das Buch in die Laube gestellt, um im Garten verfügbar zu sein, es ist passende Draußenlektüre. Wenn Sie in der Richtung Interesse haben, ich empfehle es erneut, wie schon vor längerer Zeit einmal.

Aber unterm Strich, das wollte ich eigentlich nur sagen, und Sie wissen eh schon, dass es mich beschäftigt, ist die Themenwahl, unsere Themenwahl, selbst ein großes, ein immenses und manchmal tagesfüllendes Thema.

Womit vergeht die Zeit, die mir auf Erden gegeben ist, kleiner muss man es nicht denken.

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Kafka, Schiller etc.

Vorweg noch einmal ein herzlicher Dank – es kamen die weiteren beiden Bände von Reiner Stachs Opus über Kafka. Das Trio der dicken Bände sieht auf dem Nachttisch ganz hervorragend aus, ich freue mich.

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Ein Sohn räumt sein Zimmer um, nur wenige Wochen nachdem der andere Sohn das in seinem Raum gemacht hat. Bei ihm sieht es jetzt ebenfalls deutlich weniger nach Kinderzimmer aus, auch wenn noch ein paar Gegenstände, Spiele, Deko etc. aus früheren Zeiten in den Regalen stehen, einfach nur, weil niemand das alles spontan wegwerfen will und auf den ersten Blick nirgendwo ein anderer Platz frei ist. Man könnte das Zeug vielleicht später verkaufen, doch noch einmal benutzen, an die etwaigen und höchst theoretischen Enkelinnen weitergeben, verschenken, was auch immer.

Kinderzeitreste also, auf unbestimmte Zeit zwischengelagert, und dann wahrscheinlich auf lange Zeit nicht mehr angerührt. Wir hatten alle oder fast alle einmal solche Zimmer mit solchen Regalen, nehme ich an. Dicker Staub auf Brettspielschachteln und Stofftierglasaugen.

Der Schreibtisch steht jetzt anders im Raum, weswegen ich, der ich in den Kinderzimmern Home-Office mache, während sie in der Schule sind, also hoffentlich in der Schule sind, weil mir hier sonst Raum und Tisch fehlen, mich fühle, als hätte ich ein neues Büro bekommen.

Sehr nett, eine Abwechslung, und ich musste gar nichts dafür tun.

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Am Montagabend weiter in der Kafka-Biografie gelesen, weiter zufrieden gewesen. Wenn ich in der Geschwindigkeit von gestern weiterlese, brauche ich allerdings eine Ewigkeit für das Buch, ich werde die Lektüre nicht mehr jeden Tag erwähnen. Setzen Sie bitte einfach Kafka als Grundnote meiner Abende in der nächsten Zeit voraus, es passt schon. Er wurde im aktuellen Kapitel gerade erst geboren, es musste auch erst ein paar Seiten lang Wallenstein abgehandelt werden, der Prag-Hintergrund etc.; es entwickelt sich angenehm langsam, das Werk.

Ich bin etwas in Versuchung, von diesem Buch aus alles Mögliche nebenbei zu lesen, so erinnere ich mich etwa an Schillers Wallenstein nur vage, da könnte man doch noch einmal hineinsehen, wenn das Stichwort schon fällt … Na, mal sehen.

Dicker Staub übrigens liegt hier nicht nur auf den Brettspielschachteln, sondern auch auf der Schiller-Gesamtausgabe, sehe ich gerade. Auch eines der Werke, die ich damals in der Antiquariatszeit statt Lohn mitgenommen habe.

„Spät kommt Ihr – doch Ihr kommt!“ Gleich der erste Satz ein bekanntes Zitat. Verlockend.

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Den Meisen nacheifern

Vorweg ein herzlicher Dank in die Schweiz, es kamen per Post die Aufzeichnungen der Kaschnitz in antiquarischer Ausgabe – wunderbar!

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Schnatterkalt geht es am Dienstagmorgen weiter, auch der Regen auf den Dachfenstern fehlt nicht, ebenso wenig der schneidende Wind ums Haus. Unbill aller Art da draußen. Mit Murren und Knurren in den Tag. Die Vögel allerdings singen vom Wetter gänzlich unbeeindruckt, als sei es ein herrlicher, strahlender Frühlingsmorgen mit allen Möglichkeiten des milden Monats Mai. In Bezug auf die morgendliche Stimmung vielleicht doch mehr den Meisen nacheifern, sie haben den Menschen da eindeutig etwas voraus.

Versuchsweise vor dem Badezimmerspiegel sich selbst eins pfeifen. Na ja.

Wobei ich zu den Menschen gehöre, die ausgesprochen gerne aufstehen, auch früh. Ich bin dabei aber nicht zwingend gut gelaunt. Gute Laune wird doch etwas überschätzt, glaube ich, man kann auch suboptimal gelaunt reibungslos funktionieren und, nur als Beispiel, Texte schreiben wie immer oder anders tätig werden. Ich wache ausgesprochen arbeitsam auf, nicht unbedingt vergnügt. Und es ist auch in Ordnung so.

Zum wilden Herumflirten, wie es mir die Meisen vorleben, neige ich am frühen Morgen gewiss nicht. Das ist bei Menschen generell keine gute Uhrzeit für die Partnerinnenwahl, glaube ich, und außerdem habe ich schon eine. Was ein Glück.

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Dann ein Vormittag im Home-Office ohne blogbare Highlights. Nur der Buntspecht besucht immerhin zwischendurch den Balkon. Er hält sich dort sogar länger direkt vor mir auf und lässt sich bestaunen, das ist nicht nichts. Ich kann vom Balkon aus, Moment, ich zähle eben im Geiste nach, etwa 25 Vogelarten identifizieren, die hier regelmäßig zu Besuch kommen oder vorbeifliegen. Im Garten werden es einige mehr, werden es etwa 35 sein und ich weiß gar nicht, ob das für Stadtmitteverhältnisse nun viel oder wenig sind. Man müsste etwas vergleichen, Sie können ja auch einmal zählen.

Es sei denn, Sie sind passionierter Vogelbeobachterin und wohnen im Naturschutzgebiet, dann würde mich Ihr Ergebnis vermutlich nur frustrieren.

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Gelesen: Beim Redaktionsnetzwerk Deutschland gibt es einen Newsletter „Demokratie-Radar“. Ich nehme an, er könnte auch einige der Leserinnen interessieren.

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