Mir ist auf Mallorca aufgefallen, dass man am Pool mittlerweile durch das Nichtvorhandensein besonderer Merkmale auffällt, so als einziger Mensch ohne Tätowierung unter lauter Gezeichneten. Das war mir tatsächlich nicht klar, wie stark das jetzt verbreitet ist, dass unterhalb eines gewissen Alters nahezu jeder irgendein Tribal, asiatische Schriftzeichen oder sonst etwas auf dem Arm, dem Nacken oder wer weiß wo hat. Man muss suchen, um eine Person zu finden, die nicht irgendwie verziert ist. Wirklich erstaunlich. Da muss auch Sohn I grübeln, der sich bar jeder Diskretion von mir die Kunstwerke erklären lässt – “was steht da auf dem Arm, Papa? Und auf dem Hals?” Das kann ich natürlich gar nicht in jedem Fall aufklären, kryptische Zeichen, seltsame Bildnisse, abstrakte Dingse auf vorbeigehenden Körpern sind nicht immer leicht zu deuten. Namen, die bekommt man hin, Namen kann man lesen oder zumindest erahnen.
Sohn I hört zu und denkt nach, er kann die Lust an Tätowierungen natürlich nachvollziehen, da er sich, wie alle Kinder, dauernd mit Kuli bemalt und mit Klebe-Tattoos verzieren lässt. Von “für immer” hat er dabei aber noch keine rechte Vorstellung, in seinem Alter sind die Bilder ein kurzer Spaß und nichts für die menschliche Ewigkeit, das liegt noch nicht im Bereich seiner Phantasie. Oder doch?
Er zeigt auf den Arm eines Mannes, um den sich ein längerer Frauenname ringelt, und fragt: „Wenn man sich den Namen seiner Freundin tätowieren lässt und dann irgendwann einmal eine neue Freundin hat und das dann wieder so macht und dann wieder und so, dann ist man doch irgendwann ganz voll mit Namen, oder? Und dann?“
Sehr klug bemerkt von Sohn I. Mir ist auch kürzlich aufgefallen, dass es anscheinend gar keine nichtrauchenden Mitzwanzigerinnen ohne Tattoos und Piercings mehr zu geben scheint.
… dann muss man sich die Freundin nach ihrem Namen aussuchen. Da die Liste aber inzwischen lang genug ist, stellt das kein so großes Problem dar.
Das hatten wir schon vor einigen Jahren, am Badesee auf der Decke liegend, festgestellt. Ich war echt die einzige erwachsene Person am ganzen Badestrand ohne Tattoo, oder wenigstens ein Bauchnabelpiercing.
Irgendwann werden die Zurückgebliebenen wieder die Hippen sein.
Amüsierte Grüße, Dörthe
Kluges Kind. Wir haben es bisher tatsächlich geschafft, Sohn 1zig davon abzuhalten, sich auch nur ein klitzekleines Tatoo stechen zu lassen, einfach durch den Hinweis, dass früher Seeleute, Knackies, Arbeiter an ihren Tatoos zu erkennen waren. Bei Blankeneser Bonzen werde er wahrscheinlich eher kein einziges Tatoo sehen, nur Brandzeichen an ihren Pferden…Das hat ihm zu denken gegeben.
Was Kommentator Babarossa sagt. Wobei sich vermutlich die Chancen auf eine neue Damenbekanntschaft mit jedem neuen durchgestrichenen Namen verringern dürften. Und Sprüchen wie „du kannst nicht die erste, aber du kannst die letzte Frau in meinem Leben sein“ werden auch nur die naivsten und jüngsten meiner Geschlechtsgenossinnen einleuchtend finden. (Was wiederum die häufig vorkommende Altersdiskrepanz zwischen den beteiligten Personen erklären könnte.)
Wer modern sein will, muß schon wieder auf dem Weg sein, unmodern zu sein…
Nicht zu vergessen: manche Tätowierungen sind durchaus als Warnhinweis zu verstehen – eine Art Schutz-Kennzeichnung für Außenstehende.
Wobei ich hübsche Tätowierungen durchaus hübsch finde.
Ich erinnerre mich dunkel an das Buch „Der lachende Lesering“ aus den frühen 60er Jahren. Da gab es eine Karikatur von einem Seemann mit der Seemannsbraut auf der Brust und einigen durchgestrichenen Namen auf darunter. Neu ist die Idee also nicht. Nur beim „Otto Normalverbraucher“. Wobei die Idee selbst ja nicht schlecht ist – bis zu einer gewissen Menge an Freundinnen. Misstrauisch sollte man werden, wenn der Mann dann nur noch „SchatzI“ stehen hat.
Aktuell lassen sich junge Frauen doch gerne den Namen ihrer Kinder auf den Unterarm tätowieren. Da steht dann auf ganzer Länge und Breite in einer Schnörkelschrift, die das Comic Sans der Tätowierer ist: „Maurice Jerome, 20.06.2010“ (links) und „Winona Cheyenne, 13.05.2012“ (rechts).
Der Blogpost ist richtig und amüsant und der Sohn hat sehr recht. Darum sollte man auch die Nadel vom Namen des / der Liebsten lassen, denn wie wir alle schon feststellen konnten ist Liebe vergänglich, ein Tattoo aber nicht.
Wenn ich aber einige der Kommentare hier lese fühle ich mich schmerzhaft in die Steinzeit zurückversetzt. Seefahrer, Knackis, Gangs oder auch nur dass dumme Arschgeweih .. das greift doch alles sehr kurz und tritt eine der ältesten Kunstformen der Menschheit mit Füssen und dagegen möchte ich mich als ausführlich tättowierter Mensch weit mit über 20 Jahren Alter (20×2 genau genommen) ausdrücklich wehren.
Erstmal: Tättowiert oder nicht ist egal. Das macht den Menschen nicht cooler oder besser oder schlechter oder klüger oder dümmer oder was weiß ich auch immer. Es ist eine individuelle Entscheidung, die jeder für sich zu treffen hat – ohne Wertung.
Mir ist außerdem jeder lieber, der sich bewusst gegen ein Tattoo entscheidet als Idioten, die sich aus Dummheit oder ohne nachzudenken für ein Tattoo entscheiden, denn machen wir uns nichts vor: man verändert seinen Körper für immer und sollte dieser Entscheidung das entsprechende Gewicht verleihen.
Dazu ist ein gewisses Alter unabdingbar. Es ist immer amüsant, wenn die Teenager-Kinder meiner Freunde zu mir kommen und Schützenhilfe wollen, wenn sie sich ein Tattoo wünschen, und ich sie mit „Werde erstmal 21 oder besser 25.“ wegschicke. Ich war auch schon 25 beim ersten Tattoo und das war auch gut so. Man muß sich selbst gut kennen und trauen können.
Desweiteren wichtig ist die Auswahl des Künstlers mit dem man arbeitet. Ein gutes Tattoo ist immer individuell gestaltet und wird in einem schönen, sauberen Studio technisch einwandfrei gestochen. Das ist Vertrauenssache und man sollte mit Umsicht wählen.
Ein gutes Tattoo ist außerdem niemals billig. Wenn ihr jemanden seht, der relativ großflächig mit Tattoos bedeckt ist, laufen da in der Regel hunderte ggf tausende von EUR rum.
Also nichts gegen ein Schmunzeln über tättowierte Grafiksünden, offensichtliche Modefiaskos für die Ewigkeite und Winona Cheyenne Schriftzüge (ich habe die Anfangsbuchstaben der Vornamen meiner Nichten auf den Handgelenken – ist deutlich übersichtlicher), die sich um Arme und Beine wickeln, aber bitte nicht alle Menschen mit Tattoos über einen uralten, mit Vorurteilen überladenen Kamm scheren.
Wir nennen Euch ohne ja auch nicht pauschal „langweilige, unkreative, unmoderne Weicheier“.
Tattoos gibt es in vielen Kulturen schon lange, nur sind die allesamt nicht so unansehnlich wie vieles, was das Auge hierzulande so erblickt.
Tatsache ist, dass ein wirklich professionelles Tattoo nicht billig ist, dafür dann aber auch nicht so aussieht.
Ich kann asiatische Schriftzeichen leider nicht lesen, doch ich vermute, dass viele Tattoos ganz profane Dinge bedeuten, etwa „Hochspannung – Vorsicht Lebensgefahr“, „Mindesthaltbarkeitsdatum siehe Deckel“ oder „Hier könnte Ihre Werbung stehen“.
„Bei Blankeneser Bonzen werde er wahrscheinlich eher kein einziges Tatoo sehen…“
Da wäre ich nicht so sicher 😉
(Und: Bei solchen Diskussionen Schmisse nicht vergessen!)
Dass man nach Unverzierten suchen muss, diese Erkenntnis hatte ich, als ich das erste mal im Dino-Bad St.-Pauli war auch!
Ich so voll der Freak!
Man bekommt, wenn man untätowiert bleibt, Grundbesitz in Blankenese? Menno, hätte mir das früher jemand gesagt.
Ich muss wohl auch trotz Tattoos den Segelschein selber machen, man wird also nichtmal automatisch Seemann.
Für eine richtig schöne Klischeeliste fehlt noch, dass Körper im Laufe der Zeit älter und unansehnlicher werden, und dass dann im Altersheim keiner mehr die Motive erkennen kann.
Stimmt … das gesegnete Alter. Auf die Frage „Und was machst Du wenn Du dann alt bist?“ antworte ich in der Regel „Mir beide Arme abnehmen lassen damit die Tattoos dann weg sind.“ 😀