Eine Fortsetzung zu diesem Text. Es hat dann doch nicht sollen sein, der Schreibtisch steht nun wieder in der lichtlosen Ecke im Flur. Ich wohne sozusagen, ganz wie im Märchen, wieder im Pisspott. Kurzentschlossen alles zurückgeräumt, alles wieder auf Start. Kein blauer Himmel mehr über mir, kein Bett mehr neben mir, in das ich mich spontan fallen lassen könnte. Und zwar aus mehreren Gründen, die wie folgt erörtert werden:
Zum einen haben Menschen meines Alters irgendwann in der langhaarigen Hippiephase ihres Lebens natürlich Carlos Castaneda gelesen. Den kennt heute kein Mensch mehr, das macht auch nichts. Von der Lektüre weiß man sowieso kaum noch etwas, ich jedenfalls nicht, man war ja bei der Lektüre damals auch nicht ganz nüchern. In Erinnerung geblieben ist mir aber doch die Szene, in der der Erzähler im Auftrag seines Schamanen nächtelang den einzig richtigen Platz in einem Haus für sich sucht. Denn es gibt, so die Annahme im Buch, für einen Menschen immer nur einen genau richtigen Platz in einer Wohnung. Castaneda hat die Suche nach diesen zwei Quadratmetern damals mit bewusstseinserweiternden Substanzen sicher nennenswert spannender gestaltet als ich heute mit meinem bescheidenen abendlichen Bier, aber das Ergebnis ist doch vergleichbar. Ich sitze nun einmal nur hier in der Ecke richtig. So fühlt es sich jedenfalls an. In dieser Ecke in der Mitte der Wohnung, an der Kreuzung zwischen den Zimmern. In dieser Ecke, wo alle immer vorbeikommen, wo ich also spätestens alle drei Minuten gestört werde. Wo jeder komplett missachtet, dass ich arbeite. Wo mich Kindergeschrei umgibt, Kinderlieder, Kinderfragen. Wo ich beim Aufstehen fast unweigerlich über Spielzeug stolpere. Wo mich die Herzdame garantiert wegen irgendwas anspricht, sobald ich anfange einen Satz zu tippen. Wo ich mit Kopfhörern auf den Ohren auf den Bildschirm starre und Konzentration eher vortäusche als einsetze. Egal, das muss alles so. So habe ich in den letzten sieben Jahren alle Texte geschrieben, ich lass das jetzt einfach so. Das passt schon.
Zum anderen war der Schreibtisch zwischenzeitlich im Schlafzimmer, und das ist der Raum, in dem es am ruhigsten ist. Das Schlafzimmer liegt am Ende der Wohnung, da ist außer einem Bett und einem Kleiderschrank fast überhaupt nichts drin. Da geht keiner hin, da ist so gut wie nie ein Kind anzutreffen, jedenfalls nicht tagsüber, was sollte man da auch tun? Das Schlafzimmer ist aus Kindersicht ein eher langweiliger Raum. Normalerweise. Als aber mein Schreibtisch dort stand, war der Raum plötzlich faszinierend belebt. Die Söhne fanden es auf einmal hochspannend, neben mir auf dem Bett herumzuspringen, dort stundenlang herumzuliegen und Selbstgespräche zu führen oder sich gemütliche Leseecken auf den Decken und Kissen einzurichten. Sie haben sich neben meinem Schreibtisch gestritten und geprügelt, sie haben darunter mit Murmeln gespielt. Sie haben mir kommentarlos selbstgemalte Bilder und Legokunstwerke auf die Tastatur geworfen. Sie haben ihren CD-Player rübergeholt und furchtbares Zeug abgespielt. In der ruhigsten Ecke der Wohnung. Was also heißt, ich kann dem Trubel sowieso nicht entkommen, der Trubel kommt mir nach – und er findet mich sowieso. Da kann man auch gleich bleiben, wo man ist, dann muss man sich nicht umgewöhnen.
Und zwischendurch kam es dann doch auch vor, dass tatsächlich niemand bei mir im Schlafzimmer war. Um mich herum nichts als Ruhe. Alle spielten irgendwo anders, machten irgendwas in den anderen Räumen. Und das habe ich dann nicht mitbekommen, was sie da gemacht haben. Das war ganz furchtbar.
Mal sehen, welches Kunststück der Raumplanung uns als nächstes einfällt, ich werde natürlich berichten. Von hier aus meiner ollen Ecke.
Ich bin auch so ein Gewohnheitstier, und das ist gut so:-) Manchmal sollte man einfach alles so lassen, wie es ist!
VG Charlie
oh my gooooooooood, wann warst du denn in unserer wohnung? diese verflixte schieberei kenne ich zu gut und ich habe mit großem vergnügen deinen post gelesen.
Genieße die Ruhe im unbevölkerten Schlafzimmer und schreibe … schreibe … schreibe 🙂
Gruß von Clara
Diesen einen besonderen Platz im Haus, den habe ich auch. Leider ist der auf der (nicht überdachten) Terrasse, und somit während des halben Jahres nicht nutzbar, es sei denn, man liebt Wetter über alle Maßen.. Da ich nicht im tropischen, sondern im nordischen Klima meinen Lebensmittelpunkt habe, vermisse ich meinen Lieblingsplatz im Winter ganz furchtbar. Aber mal ehrlich, wer guckt schon gerne auf einen „eingewinterten“ Garten.
Sie sollten die olle Ecke dann wenigstens mit einem großformatigen Bild einer schönen Landschaft dekorieren. Und daneben hängen Sie den entsprechenden Immobilienteil der entsprechenden Zeitung. Aber ich wiederhole mich.
Sehr interessant 🙂
Wie wäre es denn mal mit einem homelifting?
LG aus Albersloh
Elin
Gut nachvollziehbar, ich kann auch da am besten arbeiten, wo das Leben um mich herum tobt oder dran vorbeizieht. Schlafzimmer haben sowieso was von totem Raum. Eine Zeitlang haben wir um Platz anderweitig zu nutzen in einem sogenannten Wohn- (tatsächlich Garderobe, Arbeits-, Spiel- und Musikzimmer) auf einer Schlafcouch geschlafen, tagsüber wurde das dann immer zum Allzweckzimmer umgestaltet. Ging auch. Besser ist aber das kühlste, kleinste, langweiligste und dunkelste Zimmer in einer Wohnung als Schlafzimmer zu deklarieren, man kann ja mit offener Tür schlafen. Und wenn man das Bett für andere Annehmlichkeiten als zum Schlafen nutzen will, kann man ja praktisch die gesamte Wohnung inklusive Küche, Flur und Bad nutzen, natürlich nur, wenn die Kinder mal nicht da sind…