Es ist eigentlich gar keine Geschichte, es ist nur etwas Kontext zu einem Bild, aber die Regeln mache ich hier ja selbst, what a stroke of luck. Instagram-Begleittexte schreiben sich angenehm leicht weg, ich brauche so etwas gerade, das ist genau das richtige Format für Zeiten der fortgeschrittenen Urlaubsreife, in denen man etwas Prokrastinationsspielzeug benötigt.
Wir sehen hier ein Haus an der Stelle, an der das Hamburger Grindelviertel in Eppendorf übergeht, jedenfalls ungefähr. Im Rücken des Fotografierenden denke man sich bitte ein Kino, in dem ich übrigens an dem Tag mit Isa war, als Deutschland gegen Frankreich spielte, wir hatten sehr, sehr viel Platz im Saal, es war uns ein Fest. Gesehen haben wir da diesen Film, eine äußerst nette Flucht- und Integrationsgeschichte, bei dem leider die weibliche Hauptfigur etwas zu kurz kommt, aber sonst, wie gesagt, schon nett und sehr herzig und empfehlenswert und auch komisch. Aber darum geht es gar nicht.
Es geht um die auf die Wand gemalten Katzen da an dem Haus, denn unter diesen Katzen stand, als ich im Jahr des Herrn 1987 – da reiste man noch mit Postkutschen, liebe Kinder – nach Hamburg zog, “Katzen gegen die Nato!” in ziemlich fetten, riesengroßen Lettern unter dem Wandbild. Ich zog nach Eppendorf, fast in Sichtweite des legendären Musikschuppens Onkel Pö, der allerdings kurz vor meinem Einzug schloss und in eine hippe Großkneipe umgebaut wurde, was ich der alten Hamburger Szene bis heute übel nehme. Ich gucke Udo Lindenberg, der hier ein Haus weiter residiert, immer noch böse an, wenn ich ihn auf der Straße im Vorbeigehen sehe.
Damals war Eppendorf noch ein Studentenviertel voller WGs, in jedem zweiten Haus gab es ein Antiquariat oder einen Trödler, in jedem dritten eine verrauchte Kneipe. Die Typen, die nach und nach erst ihre MitbewohnerInnen vergrault und dann auch ihre linke Gesinnung verdrängt haben, die bewohnen diese prächtigen Altbauwohnungen dort immer noch, sind mittlerweile aber Oberstudienrat oder Fachärztin oder Architekt oder Privatier oder irgendwas in einer Partei und im Immobiliengeschäft, was in Hamburg traditionell nahezu identisch ist, und das erklärt dann auch den sogenannten Charme des Viertels heute, aber darum geht es ja nicht.
Der Spruch “Katzen gegen die Nato” verschwand jedenfalls irgendwann wieder, darum geht es. Das Bild wurde alle paar Jahre liebevoll restauriert, ein Spruch erschien darunter aber merkwürdigerweise nie wieder, kein einziger, in all den Jahren nicht. Es gab kein “Katzen gegen die Wiedervereinigung”, kein “Katzen gegen das Ozonloch”, kein “Katzen gegen Saddam”, kein “Katzen gegen Hartz IV” und es gibt auch heute, wie man auf dem Bild deutlich sieht, kein “Katzen gegen Rassismus.”
Es ist eigentlich jammerschade. Wo doch Katzen zu allem eine Meinung haben, wie jeder weiß.