Deutsch von Chris Hirte. Das Buch fand ich nicht überzeugend. Eine etwas unentschlossene Mischung zwischen Tagebuch und Essay, nichts Halbes und nichts Ganzes, dabei ist die Grundidee schon nett: Der Autor räumt wegen eines Umzugs seine Bücher um, dabei nimmt er auch die in die Hand, die er lange nicht mehr im Sinn gehabt hat, er sieht noch einmal rein und schreibt darüber. Don Quijote, Sherlock Holmes, Kim … Eigentlich ein feiner Plan um Erinnerungen aufzuschreiben, also wann kam das Buch ins Leben, welche Situation war das, wie war die Lektüre damals, wie ist sie heute usw. – der Plan geht allerdings in diesem Buch nicht recht auf, weil der Tagebuchanteil zu entbehrlich ist, als reines Erinnerungsbuch hätte das besser funktioniert. Die Passagen über die Bücher sind selbstverständlich sehr interessant, das wundert bei Manguel nicht.
Aber das kann man natürlich auch einmal überlegen. Ob es nicht vielleicht sinnvoll ist, den steten Zustrom neuer Bücher einmal zu begrenzen und lieber das noch einmal anzusehen, was da seit Jahren oder Jahrzehnten im Regal steht. Ich sortiere regelmäßig Bücher aus, die meisten behalte ich nicht, da stehen nur die, bei denen ich mir ein Wiederlesen vorstellen kann. Aber das ist natürlich ein sehr theoretisches Wiederlesen, wann soll das denn sein? Das ist immer in irgendeinem imaginären Später auf einem herbeiphantasierten Landsitz mit Schaukelstuhl und Kamin, das sich mit jedem Tag weiter vor mir her verschiebt ins Nimmerland.
Aber wenn man nun tatsächlich mal wieder hineinsieht – etwa in Hemingway oder Fitzgerald, die ich als Jugendlicher gelesen habe. Sind das dann immer noch gute Bücher oder ergibt das beim Lesen nur so ein schales Gefühl, als würde ich noch einmal einen Parka mit AKW-Nee-Sticker anziehen? Oder noch einmal so etwas wie Kästners “Drei Männer im Schnee”, eines der ersten “Erwachsenenbücher”, die ich als Kind gelesen habe, etwa mit 12. Oder Eric Malpass. Heute noch gut? Ich möchte es annehmen, gerade bei Malpass, aber ganz sicher bin ich nicht. Das war der erste Autor, der mich mit Familienthemen gekriegt hat, der also das Kunststück geschafft hat, mir Menschen vorzusetzen, ganz normale Menschen, über die ich mit Begeisterung auch zwanzig Bände gelesen hätte, so spannend und amüsant waren deren Verwicklungen, die doch ganz ohne wilde Abenteuer, Sex und Raumfahrt auskamen. Die Idee, dass Familie bei aller Tragik auch lustig sein kann, habe ich wohl von Malpass.
Und natürlich von Kishon, der hier aber nicht mehr im Regal steht, ich weiß gar nicht, wo der geblieben ist, den hatte ich sicher komplett. Kishon fand ich damals so gut, dass ich auch die politischen Bücher gelesen habe, “Pardon, wir haben gewonnen”, das brachte mich dann auf ganz andere Themen. Es ist eigentlich ganz spannend, sich die eigene Lesegeschichte noch einmal ins Gedächtnis zu rufen.
Andererseits ist der Stapel ungelesener neuer Bücher auf dem Nachttisch noch so hoch und es ist wieder gerade etwas erschienen … ach, es ist schwierig. Und komme mir niemand mit langen Winterabenden. Es gibt keine langen Winterabende, an denen man Zeit für irgendwas hat, wozu man sonst nicht kommt. Das ist nur eine schöne Geschichte für Kinder, genau wie die vom Weihnachtsmann.
So ist es. Vielleicht liegt es – stöhn! seufz! – am Alter, aber es fällt mir immer leichter, mich von Büchern, Comics (und auch von Filmen) wieder zu trennen, die einst recht beeindruckende Sammlung „auseinanderzureißen“ oder, passender gesagt, einzukochen auf die Lieblinge, die mir wirklich etwas bedeuten, weil sie mich einmal zum Lachen gebracht, getröstet, in die richtige Richtung gechubst, inspiriert haben. Die Exemplare, die mit auf einer bestimmten Reise waren und bei denen man jeden Fleck und jedes Eselsohr liebt (normalerweise undenkbar), weil man sich an die Situation und Stimmung erinnert, in der es passierte. Quasi Bücher als in die Jare gekommenen Landkarten der Seele, als mitgereiste Freunde, mit manchen von ihnen hatte man eine tolle Zeit, auch wenn man sich danach nie wieder sah und andere stehen wie ein Fels in der Brandung, die Rettungsweste im Regal, treue Begleiter in allen Zeiten.
Neue Bücher haben es sehr schwer bei mir, aufgenommen zu werden in den erlauchten Kreis der „Bleiber“; aus dem Stnad heraus wüsste ich kein einziges Werk der letzten fünf Jahre zu nennen, das sich hier einen sicheren Platz erobert hätte. Nicht, dass es keine guten oder sogar sehr guten Bücher mehr gäbe, aber die AutorIn macht halt nur einen Teil des Wunders aus, der Rest liegt im Ungewissen, im richtigen Zeitpunkt der Begegnung, in meiner Stimmung. Jedes Buch ist ein potentieller Freund fürs Leben, hier die Balance zu halten zwischen Aufgeschlossenheit und wählerisch sein, das ist die Kunst.
Oder ich bin einfach nur eine verschrobene, alte Bärenlady. Wahrscheinlich.
Ich habe mich die Tage erst gefragt, ob ich jetzt schon aufhören könnte Bücher zu kaufen und trotzdem bis ans Ende meiner Tage etwas zu lesen hätte, aus den ins endlose wachsenden Stapeln von ungelesenen Büchern. (Aber nein es ist bestimmt noch etwas Spielraum). Ansonsten gelten so einfallsreiche Ausreden wie: ‚Andere haben schlimmere Laster‘ oder ’noch mehr ungelesene und gelesene Bücher‘.
Wirklich schöne Idee: eine Art Safari durch die Bücher, die im eigenen Leben Epoche gemacht haben – samt der veränderten Aufnahme durch die eigene Veränderung. Direkt kommt mir auch wieder die von dir verlinkte Liste von den 6 unlesbaren Romanen in den Sinn – derart angestoßen spielte ich nämlich den erquicklichen Veriß EINIGER weggelegten Bücher durch (was ich bei dir ja schon angefangen hatte). Ein Hemingway ist übrigens auch in diesen Top Ten…
Und Eric Malpass? Da werde ich jetzt mal nachschauen gehen.
„Morgens um 7 ist die Welt noch in Ordnung“ und „Wenn süß das Mondlicht auf den Hügeln schläft“, gelesen, das stand da so in dem elterlichen halben Meter von Bertelsmann Buchvorschlag des Monats, vom Rest hab ich so fast garnichts gelesen, noch „Der Spion, der aus der Kälte kam“ und „Es muß nicht immer Kaviar sein“, letzteres mag ich heute noch. Noch gelesen: Roald Dahl, 2 Bände, Zentners Illustrierte Weltgeschichte, und ein Storm-Sammelband, den hab ich heut noch.
Aber dann bekam ich einen Büchereiausweis, und da war dann mehr.
Lesen Sie die alten Sachen wieder! Ich lese gerade den Caoba-Zyklus von B. Traven wieder den ich damals mit 13 gelesen hatte (wie alles aus dem Bücherregal meiner Eltern). Das Gefühl von damals stellt sich wieder ein aber das Verständnis der politischen und sozialen Zusammenhänge ist jetzt ein ganz anderes.