Und dann hat es doch nicht geregnet

Glutheiß war die Nacht. Als die Buddenbohms aus unruhigen Träumen erwachten, waren sie gut durch. Ich ziehe in Erwägung, am Nachmittag freiwillig in ein Freibad zu gehen, die Lage ist also durchaus ernst.

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Noch einmal zur Chelsea Flower Show.

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Nach seinen gestrigen Zeilen hat Sohn I jetzt drei Tauschinteressenten für Panini-Bilder gefunden (toll, danke!), aber wie man das mit mehreren Adressaten per Mail und Post am besten gleichzeitig regelt, meine Güte, gibt es das als Ausbildungsberuf? Aber immerhin schön, wie konzentriert so ein Kind plötzlich ellenlange Listen abarbeiten kann. Pädagogisch ein Traum!

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Ein Artikel über Werbung in Klassenzimmern. Ich war übrigens überrascht, wie wenig Markenbindung die Kinder heute haben, ich hatte angenommen, die Bemühungen der Konzerne würden viel stärker wirken. Das nehme ich aber bei den Söhnen und ihren Freunden nicht wahr. Die erste Marke, die sie überhaupt benennen konnten, war bei beiden Capri-Sonne, weil das der geradezu unweigerliche Kinderdrink beim Wohnzimmerportugiesen ist, sie können aber auch ganz gut ohne Capri-Sonne leben. Coca-Cola ist bekannt und wird auch – da verboten – mit Sehnsucht in den Regalen der Supermärkte wahrgenommen, die Konkurrenzmarken kennen sie vermutlich gar nicht genau. Limonaden sind eher nicht spannend, Sprite und Fanta locken hier kaum, das war in meiner Kindheit ganz anders, da gehörten diese beiden Marken zum Beispiel fest zu Kindergeburtstagen, die waren ritualisiert.

Bei den Autos waren in einer kurzen Phase des Interesses Audi und Porsche angesagt, die galten als besonders gut und leistungsfähig, alle anderen blieben unter ferner liefen. Volkswagen und Opel sind so häufig, die können gar nicht interessant sein, die fahren ja alle. Mercedes wird nicht als Luxusmarke wahrgenommen, das fand ich auffällig, Mercedes macht auch nur irgendwelche Autos. Und Autos haben generell nicht mehr das beste Image bei Kindern, wenn man es nett ausdrücken möchte.

Meine größte Überraschung war aber die Mode, denn ich habe bei dem Thema ganz fest mit Stress wegen der Markenwahl gerechnet, davon hatten mir so viele berichtet – und nichts war. Hummel gilt als sympathisch, vermutlich weil auch die Herzdame das oft trägt, manche Turnschuhe sind für kurze Zeit irgendwie cooler als andere – der Rest interessiert nicht und Stress macht das überhaupt nicht. Jedenfalls bis jetzt nicht.

Werbung ist zum Wegklicken da, Werbung ist ganz außerordentlich lästig und kaum unterhaltsam, Werbung muss man manchmal in Kauf nehmen, wenn man weiterspielen möchte. Man kann aber auch den Ton ausmachen, dann stört sie nicht so sehr. Die Variante, dass man ein kurzes Werbevideo gucken muss, um weitermachen zu können, sie scheint mir bestens geeignet, um ein Produkt richtig unsympathisch erscheinen zu lassen, das ist das Zeug, was dauernd im Weg ist. Fernsehen findet hier kaum jemals statt, die Kinder erleben Werbung hauptsächlich online oder auf Plakaten in den Straßen, wo sie bei ihnen nicht recht zu funktionieren scheint. Es gibt tatsächlich erstaunlich viele Plakate, die Kinder nicht einmal ansatzweise verstehen können. Ab und zu sehen sie natürlich schon ein irgendwie cooles Produkt, kurz wollen sie auch manches haben, gerade bei Spielzeug und Apps – aber echter Druck wird da nicht erzeugt, echte Sehnsucht auch nicht, da bleibt nichts hängen. Oder wenig.

Dass die Kinder zwischen Werbung und “echtem” Content nicht unterscheiden können, habe ich bisher übrigens nicht oft beobachtet, im Gegenteil. Wird Content als Werbung erkannt, ist das oft enttäuschend, ach, nur Werbung, das kann weg, das ist ja nicht das, worum es eigentlich geht und was bestellt war. Dabei kann ich mich gar nicht an besonders tiefschürfende Gespräche zu dem Thema mit ihnen erinnern, das hat sich von selbst so ergeben. Vielleicht ändert es sich noch, wenn sie mehr Texte online lesen.

Einen im Alltag wahrnehmbaren Markendruck haben wir nur bei Leberwurst, da gilt ihnen dieser schon so schauderhaft aussehende Bärchen-Streich als das Produkt der Wahl, geschmacklich vollkommen unschlagbar, von einzig richtiger Konsistenz und überhaupt total super. Und da klappt auch die Übertragung auf andere Produkte der Marke, die müssen alle gut sein, die sind ja von denen, wobei ich als Chefeinkäufer der Familie wiederum gerade gar nicht weiß, von wem eigentlich, guck an. Egal, das ist eh alles in Plastik, das ist böse.

Aber wenn es nach zehn oder acht Jahren eine nennenswerte Markenbindung nur an eine Leberwurst gibt – doll ist das ja nicht, so aus Sicht der Werbetreibenden. Vermutlich wäre die Lage ganz anders, würden sie dauernd vor dem Fernseher sitzen?

Ich bin ziemlich sicher, dass ich mit wesentlich mehr Marken im Kopf, mit viel ausgefeilteren Image-Varianten und besser funktionierenden Bindungen an gewisse Produkte groß geworden bin. Auf die neue Eiskarte von Langnese etwa haben wir damals schon Wochen vor dem Frühling gewartet, das war jeweils ein Fest, die endlich zu sehen, jede Neuerung wurde intensiv diskutiert und sofort probiert. Und heute? Ich möchte fast wetten, sie kennen den Markennamen gar nicht. Das ist eben irgendein Eis. Egal.

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Sie können hier Geld in den virtuellen Hut werfen, es wird garantiert nicht für Plastikleberwurst ausgegeben.

14 Kommentare

  1. Wir benutzen zum Tauschen stickermanager.com, der druckt die Anschreiben sogar mit Adresse aus ….

  2. Das war letztens irgendwie .. naja … seltsam.
    Ich lese hier mehr oder weniger regelmäßig und bewundere Sie für Ihren plastikfrei-Versuch … und erschrecke jedesmal wieder, wieviel Plastikmüll da eben zusammenkommt. Aber zum Selbstversuch hab ichs noch nicht geschafft …

    Und da meinte doch Facebook, mir eine Werbung zum Thema plastikfrei zeigen zu müssen. Fand ich ja einerseits interessant – aber andererseits – Facebook sammelt eben alles an Daten, was zu kriegen ist … jedenfalls handelte es sich um ein Produkt von Waschbär (wo ich durchaus mitunter einkaufe) mit dem Titel „Bees Wrap“ – als Ersatz für Folien etc … das ist nun mal ein Artikel, den ich noch nicht kannte und sogar interessant finde … und vielleicht interessiert Sie das ja auch.
    Ich werde nicht dafür bezahlt und bekomme auch keinen Rabatt und verlinke den hier auch nicht …

  3. Anmerkung: Wenn man da unten vergisst, den Haken bei „ja, darfst alles speichern, ist schon ok“ zu setzen, kommt ein Hinweis,man springt zurück und dann IST DER GESAMTE KOMMENTAR WEG! Hmpf.
    Also nochmal:

    Freiwillig ins Freibad?!?Dann ist die Lage echt TODERNST!!
    Ich empfehle in Strebergarte oder Balkon ein Planchbecken aufzubauen, kaltes Wasser rein, alle drumrumsetzen, Füße rein, kühles Getränk der Wahl in die Hand und super isses! 🙂
    Wenn mir nicht gerade beim Tippen einfallen würde, dass das Planschbecken ja aus Plastik wäre. Blöd. Hab ich mir grad meinen super Tip zerbombt. Hmpf.
    Ist das das Gartengebiet umgebende Gewässer geeignet, darin zu baden oder die Füße reinzustecken?

  4. Unsere Fernsehwerbung in den 70ern war aber auch viel einfacher zu behalten. Es gab nicht so eine irrsinnige Auswahl an Produkten wie heute und es gab nur kurze Werbeblöcke auf nur zwei Sendern (die Dritten Programme waren werbefrei, wenn ich mich richtig entsinne) und mit wenigen, sich gebetsmühlenartigen Spots, und so kann unsere Generation halt im Schlaf die Jingles und Sprüche von Palmolive, Sanostooool, Schneeeeeeekoppeeeeee, Ado Garninen, den Allianz Song und hallo, Herr Kaiser! aufsagen bzw. singen. Das Programm begann nicht vor 15 oder 17 Uhr unter der Woche und endete spätestens um Mitternacht, aber schon nach 20 Uhr durfte nicht mehr geworben werden. Damit waren wir Kinder natürlich in der Haupt-Werbezeit vor der Kiste (sofern wir durften, was so selten der Fall war, dass wir auch die Werbung spannend fanden … wir hatten ja nix).

  5. Ich könnte noch klebebildchen.net empfehlen. Es gab Zeiten, da haben wir wohl hunderte von Euro für alle möglichen Sammelkarten ausgegeben. Jetzt liegen sie im Schrank und interessieren niemanden mehr!
    So ist das einfach…
    Gruß Margit
    P.S. Habe meinen Kohlrabi heute gedüngt!! Haha…

  6. Meine beste Leberwurst bekam ich nur bei VinzenzMurr in München: eine grobe Delikateßleberwurst, zartrosa und ein gedicht. Sowas Feines gibts hier leider nicht.

  7. Statt eines Kunststoffschwimmbecken für die Füße gehen auch ganz wunderbar alte Zinkwannen. Das sieht auch noch hübscher aus.

  8. Das wird ihnen in Stuttgart-Untertürkheim aber gar nicht gefallen. Wohl doch zuviele Nuckelpinnen gebaut und damit die S-Klasse nebst SL in den Hirnen der künftigen Käufer ausgelöscht, hm?

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