Mit Hut und Hendrix

Am Morgen hat der Nebel die Kirche vor dem Wohnzimmerfenster entturmt, das Gemäuer verliert sich nach oben hin vage im Dunst. Auch der Hauptbahnhof wirkt unvollständig und die Hochhäuser in Richtung Hammerbrook haben seltsam viel Weichzeichner abbekommen, der ihnen in romantischer Hinsicht keineswegs zusteht. Aber das immerhin kann als Herbst durchgehen, das ist soweit in Ordnung und ein akzeptables Bild der Jahreszeit, die gefühlte Morgenkühle geht meinetwegen auch noch klar und okay, das güldene Laub im ersten Licht des Morgens, schon ganz schön, aber der Rest des Tages! Ich muss doch sehr bitten! Es ist zu entschieden zu warm und immer noch zu trocken, ich kann so nicht in Frieden einherbsten.

***

Als ich im Sommer – Achtung, Rückblende! – in Sankt Peter-Ording war, wollte die Familie wieder an den Strand. Ich gehe nicht gerne dort an den Strand, da gibt es keinen Schatten, das macht mich regelmäßig fertig, denn ich kann pralle Sonne nicht mehr so gut ab, jedenfalls nicht stundenlang. Wir gaben dort also das bei uns schon traditionelle Bild ab, drei Menschen mit entspanntem Strandspaß und einer schmollend daneben stehend, selbstverständlich vollständig bekleidet, will ich einen Sonnenbrand haben oder sandig werden oder was. Und ich war nicht nur vollständig bekleidet, ich habe mir außerdem ein Badehandtuch übergehängt und mir noch den Sonnenhut den Herzdame ausgeliehen, so einen großen Strohhut mit einem niedlichen Blumenkränzchen oben herum, da war mir aber völlig egal, wie der aussah, dieser Hut war immerhin mein einziger Schatten. Die Herzdame weigerte sich, mich auch nur kurz anzusehen, aber mit so etwas kann ich umgehen, wir sind ja schon ein paar Jahre verheiratet, das läuft bei uns alles ganz routiniert. Und nachdem ich diesen Strandaufenthalt schon jahrelang mitspiele, frage ich auch immerhin nicht mehr alle fünf Minuten, ob wir jetzt endlich gehen können, nein, ich stehe da einfach nur herum, halte knurrend aus und produziere schwarze Gedanken. Kann man sich das etwa vorstellen, wie ich da stehe? Dann kommt jemand auf mich zu und fragt freundlich: “Sind Sie nicht der Buddenbohm?”

Und da fragte ich mich ja schon, woran ich genau erkannt wurde, an der schlechten Laune? Am grotesk albernen Hut? An unpassender Kleidung? An den heiteren Söhnen und der vergnügten Frau neben mir? Wie auch immer, durch diesen dann sehr netten Kontakt kam es zu einer Kolumne von mir in einer österreichischen Frauenzeitschrift, da haben wir wieder das Schicksal und die seltsamen Wege. Vielleicht sollte ich für weitere Aufträge einfach öfter in seltsamer Aufmachung irgendwo nicht hinpassen. Ist es am Ende das, was ich wirklich gut kann und daher tun sollte? Man hat ja manchmal Spezialbegabungen und merkt es gar nicht, doch, das soll vorkommen.

Wenn Sie jedenfalls aus Österreich zugeschaltet sind, das wollte ich eigentlich nur sagen, in der November-Print-Ausgabe der “Welt der Frauen” finden Sie etwas Buddenbohm.

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von maximilian buddenbohm (@buddenbohm) am

***

Auf den Schulhöfen geht es bei Kindern und Jugendlichen um die Artikel-13-Panik (hier der Inhalt dazu), ich kriege das natürlich nur am Rande mit. Darüber kann und muss man mit Kindern lange reden und viel erklären, das ist immerhin ein wunderbarer Aufhänger für die endlos schwierige Frage, wie man sich halbwegs vernünftig informieren kann. Dann wissen sie mit etwas Glück immerhin mehr als andere Kinder und stehen danach umso ratloser vor der Welle an aufgeregten Meldungen und Statements zum Thema, denen übrigens kein konstruktives Element anzumerken ist. Also keine Spur von “Dann machen wir eben was anderes”, oder “Dann machen wir eben etwas dagegen” – hätten wir das nach etlichen Jahren Internet nicht vielleicht von der Jugend erwartet? Hat nicht geklappt, try again.

***

Musik! Jimi Hendrix an einer stromlosen Gitarre, was man so auf Youtube findet. Solange es Youtube noch gibt, wie die Kinder auf den Schulhöfen jetzt sagen würden. Es gibt ein Foto von Jimi Hendrix, wie er vor dem Hamburger Hauptbahnhof auf einen Bus wartet, und das tut er auf diesem Foto genau da, wo ich heute am frühen Morgen stand und auf den Bahnhof im Nebel sah. Hier, wenn man da etwas runterscrollt, dann sieht man das Bild. Das kann ich immer denken, wenn ich da herumlungere, genau hier hat der Hendrix auch gelungert, so wie ich hat er da gestanden. Aber was soll’s, der Gedanke hilft einem auf Dauer auch nicht wirklich weiter.

***

Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

************************

Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, verbindlichen Dank.

************************

Ein Kommentar

  1. „Laubenpiperitis“ gefällt mir auch sehr gut.

    Ein Tipp für den Strand von Sankt Peter-Ording im Sommer: wenn man dort schon mit dem Auto fast bis zur Wassergrenze fahren kann, hunderttausend Sachen und Picknickutensilien dabei hat, kann man auch noch einen Sonnenschirm mitnehmen, den man dann einfach in den Sand rammt!

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Time limit exceeded. Please complete the captcha once again.