Weintrauben. Gesundes Obst, sogar kinderkompatibel, zumindest wenn kernlos. Man wäscht sie, man legt sie auf einen Teller, prächtig sieht das aus, die Früchte mit den glänzenden Wassertropfen daran, immer sieht das etwas nach Luxus aus, ganz egal, wie billig man das Pfund im Discounter nebenbei mitgenommen hat, jeder Raum gewinnt durch ein Tellerchen mit Weintrauben ungemein. Sehr gut erzogene Menschen pflücken sich mit spitzen Fingern Teile der Zweige ab und essen manierlich die Trauben, die daran hängen, die Mehrheit rupft aber zumindest in den eigenen vier Wänden in spontaner Gier und im Vorbeigehen irgendwelche Trauben aus dem nett angerichteten Gesamtkunstwerk, das dadurch allmählich verstruppelt und unansehnlich wird. Die größten und prächtigsten Trauben gehen natürlich zuerst weg, so ist der Mensch, das Beste für mich. Schwächere und kleinere Früchte, solche mit dubiosen Stellen und nicht ganz idealer Form bleiben aber zurück, ebenso die, die dummerweise ganz unten liegen und dadurch langsam eindellen. Nach einer Weile sind nur sie noch übrig, Blicke und Finger tasten suchend über die Mängelexemplare hinweg, ach nee, nicht mehr so gut, lass mal. Weil man sie aber prinzipiell noch essen könnte, bleibt der Teller da stehen, das ist vernünftig und richtig, wenn auch sinnlos. Bis endlich doch beschlossen wird, die unansehnlichen Reste zu entsorgen, dieses dürre und trostlose Zweiggewirr mit den paar murkeligen Trauertrauben, die einfach keiner will. Die Trauertraube ist eine Frucht des Novembers.
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Für meinen kaputten Arm wurde eine Operation beschlossen, mit Termin und anschaulicher Schilderung der Schnitte und allem. Sofort nach diesem Beschluss wurde der Arm besser, schnell und deutlich. Ha, dachte ich, das ist ja einfach, so ein Gelenk braucht einfach nur eine Deadline, guck an, so ein Gelenk ist am Ende auch nur ein Mensch. Und ich fühlte da so hin und bewegte bedacht und beschloss also, was jeder beschlossen hätte, nämlich die Operation lieber wieder abzusagen. Sofort nach diesem Beschluss wurde der Arm schlechter, schnell und deutlich. Und wenn das so billig ist, überlege ich jetzt, kann man aus solchen Szenarien nicht eine Therapie entwickeln, die ganz ohne jede medizinische Behandlung auskommt, die nur mit Beschlüssen und Bedrohungen arbeitet und solcherart Symptome austariert, bis alles schön zur Bestform passt?
Maximilian Buddenbohm, der bekannte Begründer der behandlungsfreien Beschlusstherapie. Klingt schon mal gut.
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Den schmalen Rühmkorf beendet, jetzt wird es also stürmisch:
“1801. – Bin gerade von einem Besuch bei meinem Pachtherrn zurück, dem einsiedlerischen Nachbarn – der mir noch zu schaffen machen wird. – Prächtiger Landstrich, weiß Gott! Schätze, ich hätte in ganz England keine Gegend finden können, die dermaßen fern liegt vom Getriebe der Gesellschaft: perfekte Zuflucht für Misanthropen! – und Mr. Heathcliff und ich sind gerade die rechten zwei, um diese spröde Einöde zu teilen.”
Ein wenig mehr Sturm über Hamburg wäre bei der Lektüre zwar nett, aber es geht zur Not auch so. Schon die Beschreibung der Räumlichkeiten auf Wuthering Heights, was ein Genuss, kein Mensch braucht eine Verfilmung des Buchs, so wie das beschrieben ist. Groß.
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Apropos Verfilmung. Mit Sohn I aka Jojo im Kino gewesen, denn wer so viel lernt wie er, der braucht auch mal Ausgleich. “Johnny English – Man lebt nur dreimal” wollte er sehen, er hatte natürlich freie Auswahl, also im Rahmen des Jugendschutzes, versteht sich. Die Kritik überlasse ich lieber ihm: “Der Film war sehr, sehr lustig, der Spannungsaufbau war gut und er hatte viele neue Gags, auch wenn man die Vorgänger schon alle kennt. Der Film ist sicher geeignet für Kinder ab sechs Jahren, brutal oder unheimlich war da gar nichts. Es war nicht einmal sehr laut. Und die Witze würden Sechsjährige auch schon verstehen. Mein Vater hat aber auch mal gelacht, ganz so schlecht kann der Film also gar nicht sein. Ich finde, das hat sich gelohnt.”
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Was noch? Musik! Und ein Glas auf abwesende Sängerinnen.
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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.
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Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, verbindlichen Dank, heute natürlich für Sohn I.
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Wirklich eine gut geeignete Novemberlektüre, wie mir scheint. Das Buch werde ich nach ca. 20 Jahren und zahlreichen Umzügen auch mal wieder im Regal suchen! Alles Gute für den Arm und neue Heilungstechniken!
Pssst, das einzelne runde Dinge heißt Beere. Weinbeere. Nur mit vielen zusammen an diesem Zweiggewirr ist es eine Traube.
Als Vergleich dazu fiel mir grad ein „Mensch – Menschentraube“ und dann hab ich überlegt, ob man heute überhaupt noch Menschentraube sagt.
„Mein Vater hat aber auch mal gelacht, ganz so schlecht kann der Film also gar nicht sein. “ fand ich sehr amüsant. Das ist ein interessantes Beurteilungskriterium.
Ami bricht mir das Herz