Auf meinem Weg zum Büro kam ich im letzten Jahr jeden Tag an einem Brachgelände vorbei, ehemaliger Autohandel, so eine kleine Wüstenei an Bahngleisen mitten in der Stadt. Ungepflegtes Gestrüpp und Brennnesseln, wildwuchernde Gräser, Sperrmüllreste, Unrat und alte Container hinter hohen Zäunen, in denen es längst große Lücken gab. Da wohnten oder schliefen zumindest mehrere Obdachlose. Wenn ich morgens zur Arbeit ging, machten sie das manchmal auch gerade, schoben sich da mühsam durch den Zaun und gingen Flaschen sammeln oder was auch immer.
In diesem Jahr ist da ein neuer Autohandel, die Fläche ist wieder gepflegt, gefegt und aufgehübscht, Fahnen wehen und gebrauchte Autos strahlen sehr gewaschen. Vor dem reparierten Zaun stehen oder sitzen gelegentlich dennoch Obdachlose, obwohl da gar nichts mehr ist, was für sie interessant oder nutzbar wäre. Vielleicht hängen sie an dem Platz, weil sie da schon einmal waren und den nun einmal kennen, vielleicht hängen sie auch an der Tankstelle gegenüber, ich weiß es nicht.
Es ist einer dieser seltsam warmen Tage mitten im Februar. Ein Obdachloser im Rollstuhl hat sich vor dem Zaun in die Sonne gedreht und hält den Kopf ins Licht. Vor seinen Beinen liegt ein Kumpel auf dem Boden, vermutlich fortgeschritten alkoholisiert und schlafend. Er hat den Kopf zwischen den Knien des Rollstuhlfahrers, da kann er nicht zur Seite wegkippen, da muss er auch nicht ganz auf dem Boden liegen, es ist vielleicht ein Minimum an Bequemlichkeit. Sein Mund steht offen, er schnarcht und sieht gründlich ausgeknipst aus. Der andere, der mit dem Gesicht in der Sonne, tätschelt seinen Kopf, mit einer kleinen Bewegung, die alle Eltern kennen. Mit einer Bewegung, die man unwillkürlich nebenbei macht, so fährt man den Kleinen übers Haar, durch das Haar, wenn sie einem auf dem Schoß sitzen, darüber denkt man gar nicht nach. Die Bewegung macht sich von selbst.
Der Rollstuhlfahrer sieht mich an, als ich vorbeigehe, er lächelt, nickt, sieht auf den zauseligen Kopf zwischen seinen Beinen und murmelt etwas. Vielleicht war es “Pst, er schläft”, das kann sein. Vielleicht hat er es so gesagt, wie wir es früher über die Kinder gesagt haben, väterlich und freundlich, sein Gesichtsausdruck sah so aus. Ich weiß es aber nicht, denn er sprach etwas, das für mich wie Russisch klang.
Wie auch immer, diese Hand auf dem Kopf da, das war schön.
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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.
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Jetzt ist es passiert … meine Fragezeichen oben waren mal ein Herz, so ist das mit dem Netz, man gibt am einen Ende etwas ein, es kommt am anderen ganz etwas anderes raus. Wundervoll , jedenfalls, Deine aufgeschriebene Beobachtung, mir ging das Herz auf.
Danke!