Um den Block

Am Abend gehe ich noch einmal um den Block, da den ganzen Tag über nichts Blogbares passiert ist und auch keine einzige Idee im alltagsergrauten Hirn glimmt. Sohn II will überraschend mit, wir gehen und reden über das Schreiben, über Ideen und über Geschichten. Was man da braucht und wie man das macht und dass eine Handlung ja nicht alles ist, das sagt er. Dass man auch Beschreibungen braucht, Adjektive und so, sonst kann sich keiner was vorstellen und es wird auch alles zu kurz. Und er findet auch Geschichten ohne Einleitung nicht gut, wenn das da so mittendrin anfängt, also nein. Und ohne Ende – überhaupt indiskutabel.  Ich sehe das eigentlich auch so, besonders das mit dem Ende, ich mag gute Enden. Der Sohn hat einen Freund, mit dem er zusammen Geschichten schreibt. Wie die Grimms, sagt er, aber “Mädchen geht in den Wald und kämpft gegen Wolf”, das reicht so eben nicht, das muss man schon anders machen. Da sind wir uns soweit einig.

Viel schwieriger ist aber die Sache mit den Ideen, wo kommen die her? Wie kommt man überhaupt jemals auf Geschichten, auf Texte, auf irgendwas Beschreibbares? Wir gehen so herum und gucken, das mache ich ja immer so. Wir gehen die Einkaufsstraße auf und ab, wir sehen aber nichts, es ist alles geradezu nervtötend normal. Wir gehen in den Bahnhof und kaufen Blumen für die Herzdame, wir gehen da dann noch durch die Wandelhalle und gucken hier und da, wir sehen uns die Leute an, das Verkaufspersonal, die Reisenden, alle. “Man muss einfach so herumgucken”, sage ich, “mehr nicht”.  “Hm”, sagt der Sohn, aber überzeugt klingt er nicht.

Wir gehen schließlich ohne Ergebnis wieder nach Hause, so etwas kann passieren. Kurz vor unserer Haustür steht ein Paar mit einem kleinen Hund. Der Hund sitzt mitten auf dem Weg und will wohl nicht mehr weitergehen. Die Frau zieht etwas an der Leine, nur ein ganz wenig, der Hund sitzt stoisch da herum. “Der hat das doch eben gehört”, sagt der Mann, “dass wir hoffen, dass er bald stirbt, deswegen ist der jetzt beleidigt. Der bleibt da jetzt sitzen.” Die Frau sieht ihn an, zieht wieder zögerlich an der Leine. Der Hund sitzt und guckt auf den Boden. Die Frau sagt: “Also so haben wir das ja nun nicht gesagt. Nicht ganz so.”

Der Sohn und ich gehen vorbei und sehen uns an:

“Das nehmen wir, oder?”

“Genau das.”

“Aber wie traurig ist das?”

“Das kann man sich nicht aussuchen.”

“Du schreibst es auf, ich erzähle es meinem Bruder.”

Und so haben wir es dann auch gemacht.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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11 Kommentare

  1. Der hat das nicht bloß gehört. Der hat das sogar verstanden.

    Ja. Wie traurig ist das denn?

    Sowas sucht sich wirklich keiner aus.

  2. Als Hintergrund, wie das ist mit Geschichten und den Ideen, empfehle ich ein Buch, das Salman Rushdie für seinen Sohn geschrieben hat: Haroun and the Sea of Stories, auf Deutsch Harun und das Meer der Geschichten.

  3. „Wie ich mit dem Sohn auf Geschichtensuche ging“ wäre sogar allein schon eine interessante Geschichte geworden.
    Die traurige Hundebegegnung ist ja fast schon wieder die nächste Geschichte (Was hatte der Hund wohl für ein langes Leben? Wie geht es ihm? Was hat das Paar mit ihm erlebt …?)

  4. Hätte irgendwer diesen Spaziergang aufgenommen, könnte das gesamte Literarische Quartett einpacken.

  5. Ortheil wurde hier ja schon des Öfteren erwähnt, aber da muss ich direkt wieder an ihn denken – Vater und Sohn und die Geschichten und das Schreiben, das erinnert mich sehr an das kürzlich erst gelesene „Der Stift und das Papier“.

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