Haltlos königsblau eingesaut

Die Kaltmamsell zitiert eine schöne Blogdefinition von Goncourt, die muss ich auch wiedergeben: “Das Bloggen gleicht inzwischen dem Schreiben auf einer alten Triumph Adler. Hemmungslose Lektorats- und Redaktionsfreiheit. Deadlinefreiheit. Leserfreiheit. Kein anderes Medium derart in der Lage, das Durcheinander, die Skizze, die Beobachtung und den Gedanken, die haltlose Assoziation und den hinfälligen Zusammenhang in ähnlicher Diskretion, ähnlicher Verantwortungslosigkeit, ähnlicher Willkür aneinanderzureihen. Das Fotografieren, genauso Augenblicksprotokoll wie Projektionsfläche für alles mögliche, das Notat, je kürzer desto interpretierbarer, der Name Goncourt, irgendwann im Fluge aufgeschnappt, dann mit Wörtern, Gesten, Blicken gefüllt, dann wieder entleert.

Passend zur Triumph-Adler-Assoziation habe ich hier gestern beim Aufräumen einen alten, sehr feinen Kolbenfüller und ein Tintenfass gefunden und mir damit ganz herrlich die Finger königsblau eingesaut. Auch mal wieder schön.

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Ich bin nach der Arbeit kurz im Garten gewesen und habe Zuckererbsen, dicke Bohnen, rote Melde und Mangold gesät und Zwiebeln gesteckt. Gleich fühlt sich der Tag konstruktiv genutzt an.

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Die plötzlich kurzhaarigen Söhne haben ein ebenso plötzliches Interesse an Haarstylingprodukten. Beim morgendlichen Zähneputzen sehe ich im Badezimmer ein neues und selbstverständlich extrastarkes Gel vor mir stehen, “Radikaler Halt” steht da drauf. Radikaler Halt! Ich gucke entgeistert. In wie vielen dunklen Stunden des Lebens hat man den gesucht, in wie vielen schlaflosen Nächten hätte man Gott weiß was dafür gegeben, den einmal, wenigstens einmal zu fühlen, bevor man sich dann mühsam doch wieder selbst den üblichen und leider nur minimalen Halt gebastelt hat, fintenreich wie ein MacGyver für Arme und Psychos, mit einem Bindfaden und alter Hoffnung und etwas Alkohol oder Liebe oder was immer da gerade in Reichweite herumlag. Radikaler Halt, ja verdammt, das wäre es doch gewesen, das hat immer gefehlt. Und dabei kann man einfach in den nächsten Drogeriemarkt gehen, da gibt den in Tuben und er kostet nicht einmal viel. Herrje.

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Musik! Natürlich was mit Halt.

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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhanden Hut werfen. Herzlichen Dank!

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2 Kommentare

  1. “ … bevor man sich dann mühsam doch wieder selbst den üblichen und leider nur minimalen Halt gebastelt hat, fintenreich wie ein MacGyver für Arme und Psychos, mit einem Bindfaden und alter Hoffnung und etwas Alkohol oder Liebe oder was immer da gerade in Reichweite herumlag.“ Ganz genau so!

  2. Danke. Der Absatz zum Kolbenfüller erinnert mich daran, endlich einmal meinen Großvater zu bebloggen.

    Und der Absatz mit dem radikalen Schaumfestiger: ganz ganz große Liebe hier! <3

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