Trinkgeld Dezember, Ergebnisbericht

Der Bericht kommt etwas früh diesmal, dafür gibt es aber erstens einen zwingenden musikalischen Grund, zweitens gebe ich jetzt einfach morgen und übermorgen nichts mehr aus, dann passt das schon.

Im Dezember haben wir von den per Paypal oder Überweisung eingegangenen Summen mehrfach den nächstgelegenen Weihnachtsmarkt besucht, welcher praktischerweise gleich vor unserer Haustür stattfindet. Es handelt sich um den weit und breit einzigen queeren Weihnachtsmarkt mit Wohltätigkeitsaspekt, der hier auch noch die Funktion eines Dorfweihnachtsmarktes mitten in der Millionenstadt erfüllt. Geht man da hin, trifft man so ziemlich alle aus dem kleinen Bahnhofsviertel, und es wird oft ganz unerwartet nett. Dort also gab es zwei-, dreimal das, was es auf Weihnachtsmärkten eben gibt, und da ich im Alltag sonst gar keinen Alkohol mehr trinke, war es auch einigermaßen wirkungsvoll. Jetzt aber zurück zum mönchischen Leben!

Weiter gab es eine einigermaßen ungeheuerliche Abweichung von den Vorjahren, es gab die durch die Leserinnen finanzierten Geschenke für die Söhne nämlich nicht erst unter dem Baum, nein, es gab sie sämtlich und in prachtvollster Ausführung bereits vorher. Denn es war den Söhnen doch ein so dermaßen dringendes und leider auch spontanes Bedürfnis, auf der Mineralienmesse funkelndes Zeug zu kaufen, ich berichtete hier, da haben wir uns erweichen lassen und sie haben es in diesem Jahr alles selbst umgesetzt. Und das haben sie sehr ansehnlich und schmuck getan, gar keine Frage. Die Beute und die Spenderinnen wurde dann auch am Heiligabend neben dem Baum noch einmal ausdrücklich und ehrend erwähnt.

Ich habe mir ferner wieder ein Notizbuch bestellt, über das ich aber noch nichts sagen kann, denn es kam bisher nicht an, vermutlich weil saisonal bedingt noch ein, zwei andere Sendungen da draußen unterwegs waren. Wiedervorlage!

Ein E-Book habe ich auch gekauft, es handelt sich dabei um den Titel “Bird by bird” von Anne Lamott, die mir bisher nur von ihrem Ted-Talk her bekannt war, den ich ziemlich entzückend fand. Ich hatte den schon einmal im Blog, Sie erinnern sich vielleicht:

Bird by bird ist ein Buch über das Schreiben, genauer über das Schreiben von Prosa, und hier ist jetzt ein seltsamer Umstand zu erwähnen, eine etwas spezielle Meise von mir. Denn zum einen ist das Buch natürlich lehrreich und es ist immer gut und nützlich, etwas zu lernen, es ist ja auch nie so, dass man über ein Thema wie das Schreiben jemals genug gelernt hätte, der Gedanke sei fern von mir – aber noch wichtiger ist mir doch, dass ich Bücher über das Schreiben und Lesen wahnsinnig beruhigend finde. Ich habe keine Beziehung zum hier neulich erwähnten ASMR, aber etwas über das Schreiben, über das Lesen oder auch über Literatur zu lesen, das hat schon halbwegs die Richtung. Das macht die Welt für mich zu einem ruhigeren Ort und die Zeit etwas langsamer und die Muskeln deutlich entspannter. Weswegen ich übrigens auch im Laufe des Lebens Unmengen Sekundärliteratur gelesen habe, nicht etwa um mich großartig zu bilden, sondern nur um mich zu entspannen. Und, nun ja, auch mal dabei einzuschlafen.

Bird by bird jedenfalls ist ziemlich unterhaltsam, ich mag den Humor der Dame sehr und ich habe mir auch drei, vier Aspekte rausgeschrieben, also mission complete.

Und dann! Dann waren wir mit der ganzen Familie beim Weihnachtskonzert von Erdmöbel, und es war sehr, sehr gut. Die Konzertreihe hat Tradition, es trifft sich da ein textfestes Publikum und singt enthusiastisch sämtliche Weihnachtslieder der Band mit, und wenig sind das ja mittlerweile nicht mehr, es kommt jedes Jahr eines dazu. Das war also für die Söhne das erste richtige Konzert einer Band für Erwachsene, eine zweifellos prägende Erfahrung und eine ziemlich gute Wahl, denke ich.

Weihnachtslieder kann man jetzt natürlich nicht mehr verlinken oder einbinden, ein Lied aus der Jahresendreihe geht aber doch noch. Gestern Abend stand ich am Küchenfenster und sah sie, die Rakete zwischen den Jahren, leuchtgrün zersplitterte sie in der Nacht. Es war auf einmal kalt geworden und es roch nach eisiger Luft und ein ganz wenig nach Feuerwerk, es roch also nach Neujahr. Und bitte sehr, da haben sie einen Song:

Es reicht vielleicht nicht ganz für eine Meldung beim Freundeskreis Zufall, aber als ich da am Küchenfenster stand, habe ich gerade den seltsam anmutenden Satz: “Ich wohne in der Straße der Sternwarte” gedacht und gemurmelt, genau als die grellen Lichter aufgingen, auch das war schön und bemerkenswert. Und wieso denke ich so etwas? Weil der eine Sohn “J’habite dans la rue de l’Observatoire für Französisch lernen sollte, weil ich ihn das mindestens zehnmal abgefragt habe und gerade fand, dass der Satz ein gewisses poetisches Potenzial hat: “Ich wohne in der Straße der Sternwarte” – ein Kinderbuch könnte so anfangen, könnte es nicht?

Im Erdmöbelkonzert gab es noch eine etwas wilde Assoziationskette, ausgelöst durch eine kurze Zeile in einem Lied: “Mann mit Lama”, mehr Text hat die gar nicht. Da fiel mir nämlich ein, dass ich schon seit Ewigkeiten keinen Mann mit Lama mehr in einer Innenstadt gesehen habe. Die standen da früher doch immer und sammelten für ihren kleinen Wanderzirkus, der am Stadtrand auf einer Wiese überwinterte, während der Mann und das Lama in der Fußgängerzone auf Spenden hofften. Ein müde aussehender Mann und ein ungeheuer gelangweilt und manchmal auch etwas arrogant aussehendes Lama, wobei Lamas für ihre Arroganz nichts können, die ist ihnen angeboren. “Spuckt es oder spuckt es nicht”, so geht der Gedankengang auch bei Erdmöbel weiter.

Daraufhin fiel mir auch ein, dass in meiner Grundschule in Lübeck einmal Zirkuskinder waren, ein Mädchen und ein Junge, die wurden dort für die Dauer ihres Aufenthalts unterrichtet und verbrachten vielleicht auch ihre ganze Kindheit so, von Schule zu Schule weitergereicht. Sie verstanden wenig und machten kaum mit, ich weiß nicht mehr, ob sie überhaupt genug Deutsch sprachen. Der Junge machte dann etwas, das uns alle sehr beeindruckt hat, er ist nämlich in der großen Pause an der Fassade des Schulgebäudes hochgeklettert, über Simse, Regenrinnen und Fenstervorsprünge hinweg, einfach so. Ganz schnell hat er das gemacht und so, als sei nichts selbstverständlicher, und sehr vergnügt hat er von oben den plötzlich ungeheuer aufgeregten Lehrern gewunken, die so etwas noch nie erlebt hatten und ganz außer Fassung gerieten. Zirkuskinder!

Und wir anderen Kinder, wir sahen uns das an und waren etwas überrascht. Es war nämlich, wenn man genauer hinsah, gar nicht so schwer, da hochzuklettern, es war eigentlich sogar recht einladend. Es war nur nie jemand darauf gekommen, so dermaßen krass die Regeln zu brechen, wir waren einfach zu brav. Wir hätten aber auch die Folgen gar nicht recht absehen können, was hätte das für unvorstellbare Strafen gegeben, da mal eben hochzuturnen, so vor den Augen der Aufsicht? So etwas kann man erst als Erwachsener halbwegs realistisch einschätzen und sich dann auch endlich mutig entschließen, nicht mehr länger brav sein zu wollen – aber ob einen dann die Regenrinnen noch halten, das weiß man vielleicht nicht recht. Irgendwas ist eben immer.

Pardon, wo war ich? Ich wollte mich nur noch eben herzlich bedanken, wie immer für jeden eingeworfenen Euro und für jeden Cent und auch für die lieben mitgesendeten Weihnachtsgrüße! Weltbeste Leserinnenschaft, Leser sind mitgemeint. Aber das sagte ich vielleicht schon einmal.

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Und außerdem bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.

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Sie können hier Geld in den nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank!

 

3 Kommentare

  1. Wenn ich mich recht erinnere, hatte ich als Kind ein Buch über zwei Kinder, die in einer Sternwarte wohnten (wo ihr Vater als Astrophysiker o.ä. arbeitete). Es war eine Art Kinder-Knigge. Das Mädchen machte ständig irgendetwas falsch und der Junge erklärte dann großmütig, wie es richtig gewesen wäre. Oder so.
    Fiel mir gerade ein.

  2. Es hat euch etwas die Buchstabenfolge beim observatoire zerstört. Vielleicht bei Gelegenheit mal korrigieren?

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