Nach den ersten Schultagen, die sich natürlich von den Schultagen vor den Schließungen erheblich unterschieden, ist es doch interessant, was die eigentlich wollen, um die es bei dem Ganzen geht. Das sind nicht die Lehrerinnen und Lehrer, das sind die Kinder. An Meinungen zum Digitalisierungsrückstand vom Lehrpersonal, von Eltern und von Bildungspolitikern ist im Netz kein Mangel, einige Kinder und etliche Mütter und Väter haben auch schon geschrieben, wie sie das Home-Schooling fanden, aber wie es nun aus Expertensicht, also aus Kindersicht, eigentlich künftig sein sollte, das habe ich noch gar nicht gelesen.
Ich habe mich also mit Sohn II darüber unterhalten. Bei dem Gespräch spielten Sicherheitsbedenken, Hygiene etc. für ihn überhaupt keine Rolle, das Wort Corona kam nicht einmal vor. Was er aber sehr gut finden würde, ich darf das hier so wiedergeben, das wäre, wenn die Schule weiterhin und dauerhaft halb und halb stattfinden würde, also halb in der Schule und halb als Home-School. Und vor allem sollten die Klassen am besten dauerhaft halbiert bleiben, denn dann ist es viel ruhiger und man kann sich erheblich besser konzentrieren. Oder man kann sich endlich überhaupt einmal konzentrieren. Und wenn man immer etwa die Hälfte von dem ganzen Lernzeug zuhause machen soll, dann kann man sich dort einteilen, was man wann und vor allem auch in welcher Reihenfolge macht. Das kann man in der Schule nämlich so gut wie nie und das ist schlimm, das ist eine echte Zumutung. Falls Sie das jetzt als Erwachsener lesen und also von hoher Warte aus lächeln, das ist übrigens wirklich schlimm, wie Sie erstens sicher noch aus Ihrer Kindheit erinnern und zweitens aber auch aus Ihrem jetzigen Alltag kennen. Es ist schon ganz gut, Reihenfolgen selbst festlegen zu können und im Alltag wenigstens kleine Freiheiten zu haben, das leuchtet sofort ein. Oder, wie Sohn II sagt: “Man macht das doch viel besser, wenn es einem gerade passt.” Er findet auch gut, dass man zuhause so langsam oder auch so schnell sein kann, wie es gerade der Stimmung entspricht, “denn man ist ja nicht jeden Tag gleich.”
Sohn II hat im Moment jeden Tag am Vormittag einige wenige Stunden Unterricht mit einer halben Klasse, im Grunde ist das kaum der Rede wert. Wenn er nun beim Denken von halben Tagen ausgeht, dann meint er nicht das Modell aus meiner Kindheit, also stramme Schule bis zur Mittagszeit und dann stundenlang quälende Hausaufgaben. Er meint ein viel selbstbestimmteres Modell, in dem auch Apps, das Internet und Online-Klassenzimmer eine Rolle spielen, dies aber so selbstverständlich, dass es gar keiner weiteren Erwähnung bedarf. Das vehement negative Gefühl, das ich damals bei Hausaufgaben hatte, das hat sich so durch die Home-School bisher bei ihm nicht eingestellt. Die Schule braucht man, so sagt der Sohn, um Freunde zu treffen und richtig schwere Sachen erklärt zu bekommen. Für das Üben, für Wiederholungen oder für Fleißkram braucht man die aber nicht, das geht auch alles in der Wohnung und das ist da viel entspannter. Und Lehrerinnen und Lehrer sind zwar oft nett, es macht schon auch Spaß mit denen, aber eben nicht auf Dauer. Zeiten alleine sind nämlich auch sehr gut.
Von Sehnsucht nach schulischer Normalität also keine Spur, ich werde dazu aber auch noch den anderen Experten im Haushalt befragen. Und falls Sie auch Expertenwissen im Haushalt haben, ich würde das ja interessant finden.
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Und übrigens bin ich der Meinung, dass der Innenminister zurücktreten sollte.
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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, heute selbstverständlich für den Schulsachverständigen Sohn II, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Merci!
Ein sehr schlauer Experte in eigener Sache, der Sohn II!
Wir hier in NRW gehen noch nicht zur Schule, das kommt erst noch, aber die Meinung meines hauseigenen Experten (13J) ist deckungsgleich mit Sohn II.
Schule braucht man nur um Freunde zu treffen und für Experimente/Erklärungen. Halbe Klasse ist ok, da endlich Ruhe.
Und selbstoptimiertes Lernen ??. Klappt bei uns super.
Ich wäre auch froh wenn das so bleiben würde.
Leider stehe ich damit sehr alleine, viele aus unserer Schule können es nicht abwarten ihre Plagen wieder zur Schule zu schicken, damit man wieder Zeit für sich hat. Vielleicht liegt es daran, dass ich mein Kind nicht als Plage betrachte und mich freue, das er soviel zuhause ist und selbstbestimmt lernt, auch in virtuellen Gruppen.
Herzliche Grüße
Hier muss ich da noch etwas warten, da derzeit weder das Tochterkind noch der Kronsohn in der Schule erscheinen müssen.
Beim sohn gibt es dieses woche sogar erst einmal gar keine Aufgaben. Zum Glück „nur“ Klasse 6 – Die entstandenen Lücken sind dieses Schuljahr sowieso nicht aufzuholen.
Ja bitte, hört auf die Kinder! Das, was Sohn II da formuliert, stimmt absolut – ist nichts Neues und darum ist das alles so ärgerlich. Es klingt ziemlich genau wie eine Dalton-Plan-Schule: https://de.wikipedia.org/wiki/Daltonplan.
Das Prinzip wurde vor über 100 Jahren entworfen und ist insbesondere in den Niederlanden sehr beliebt, wo meine Oma in den 1930er Jahren schon so unterrichtet wurde und bis zu ihrem Lebensende davon geschwärmt hat. Es ist einfach deprimierend, wie die deutsche Schule in weiten Teilen im Kaisserreich stecken geblieben ist. (Ja, und jetzt müsste der Dalton-Plan bestimmt dem digitalen Zeitalter angepasst werden, geht aber sicher leichter als mit dem 45-Minuten-Modell.)
Ein bisschen Expertenwissen – wenn auch schon etwas überwuzelt – kann und möchte ich hier auch weitergeben. Sohn II hat und wir haben in den späten 90er Jahren erlebt, dass das funktioniert. Meine drei Söhne – damals 6, 8 und 10 Jahre alt – haben zwei Jahre lang eine schwedische Grundschule besucht. Dort lief das ziemlich genau so, wie von Sohn II gewünscht. Abgesehen von den digitalen Errungenschaften, die es damals noch nicht gab. Montags wurde von den Kindern selber eingeteilt, wer in dieser Woche wann welches Fach bearbeiten möchte. Die Lehrerinnen teilten dann die Gruppen dementsprechend ein. Die Klassenzimmer waren wie großzügige Wohnzimmer eingerichtet, ein runder Tisch in der Mitte diente zum Arbeiten für die jeweiligen Gruppen, die anderen Kinder bewegten sich frei im Raum bzw. den angrenzenden Räumen, wo die nötigen Lehrmittel untergebracht waren. Sämtliche Materialien wurden von der Schule zur Verfügung gestellt, was große Einkaufsaktionen oder eventuelle Marken-Konkurrenz von vornherein verhinderte. Gegenseitige Unterstützung wurde ausdrücklich gefördert und gewünscht, keine Benotung in den ersten 7 Jahren. Auch dann nicht, als die österreichische Schule Noten für die Einstufung nach unserer Schwedenzeit forderte. Man hat sich einfach geweigert und es ging auch! Übrigens wurden auch keine Sternchen, verbale Beurteilungen, sonstige Bewertungen vergeben. Die Kinder wurden einfach in Ruhe gelassen. Die Statistik zeigte, dass sich im Laufe von 7 Jahren alle Kinder in allen Gegenständen das nötige Grundwissen aneignen. Spätestens wenn alle Kumpels besser rechnen können, als man selbst, teilt man sich halt auch einmal für die Rechenstunde ein und nicht immer nur für’s Malen oder Lesen. Das regelt sich von selbst und am Ende, wenn es darum geht, sich für den weiteren Bildungsweg zu entscheiden, wissen die Kinder genau, was ihre Stärken und Schwächen sind, weil sie nicht von Anfang an in die gleichen Schablonen gepresst wurden.
Sorry, das war jetzt wohl zu lang für einen Kommentar, aber es wurmt mich heute noch, dass meine Jungs danach in Österreich innerhalb weniger Wochen wieder völlig frustriert von der Schule waren …
Tippfehler: Sohn II hat VOLLKOMMEN RECHT … sollte das heißen
Ich hab eine 13jährige Expertin zu Hause.
Sie hat eine ganz andere Meinung.
Bereits am 3. Tag des Homescoolings wollte sie viel lieber wieder in die Schule. Für sie ist Schule der Ort zum Lernen und das Zuhause der Ort für Freizeit. Jetzt soll sie quasi „in ihrer Freizeit lernen“, das ist unmöglich für sie.
Bisher durfte sie noch nicht wieder in die Schule, sie ist in Klasse 7.
Wie es dann in der geteilten Klasse aussieht, und mit Schule und Zuhause abwechselnd lernen, wird sich zeigen.
LG von TAC
Ich glaube, Schule könnte richtig erfolgreich sein, wenn die Schüler von Anfang an Mitspracherechte hätten. Und mehr Spaß würde sie dann sicher auch machen.
Das ist übrigens auch für die Erwachsenenbildung interessant, in der ich tätig bin. Danke für die Einsichten.
Meine beiden Experten sind 10 (5. Klasse) und 11 (6. Klasse) Jahre alt, beide auf dem gleichen Gymnasium, was man in Berlin allerdings nur dann ab Klasse 5 besucht, wenn man vorher makellose Zeugnisse hat. (Ich stehe dem Ganzen nicht unkritisch gegenüber, fand aber, dass die ganz anderen Möglichkeiten der Förderung — zusätzliche Fremdsprachen etc. — überwogen).
Nun, beide Experten vermissen zwar ihre Freunde sehr, teilweise auch ihre Lehrer (jeder hat nur 1-2 KandidatInnen, die nicht ganz so gemocht sind), finden aber, dass sich das Erarbeiten der allermeisten Sachverhalte über Leseaufgaben und das Erledigen der Übungsaufgaben allein weitaus besser koordinieren und zeitlich je nach Stimmung entspannter bestimmen lässt als in der Schule. Teilweise auch sehr viel schneller: 20 statt 45 Minuten, wie von den LehrerInnen veranschlagt, sind hier die Regel.
Dank der besonderen Altersverteilung hilft dann die Große dem Kleinen gern, es sind ja nur 16 Monate Altersunterschied. Beide merken, dass ihnen diese Zusammenarbeit hilft, ihr beim Erklären und ihm beim Verstehen.
Weil beide großteils die gleichen Interessen haben (offline bei dem hier vorhandenen Spielzeug & Sportgeräten, online was Kanäle oder Spiele angeht), macht sich auch keine Langeweile.
Mir selbst tut es natürlich etwas weh, wenn ich nicht wie gewohnt 8-10 Stunden tagsüber zum ungestörten Arbeiten habe (bin freiberufliche Lektorin), aber ich sehe auch, dass die Kinder sehr fleißig, ordentlich, gewissenhaft und pünktlich das bearbeiten, was wir in Schultagen morgens in einer Art Tagesbesprechung von der Lernplattform ziehen. Diese Plattform hatte die Schule übrigens bereits im letzten November installiert, sie wurde nur noch nicht genutzt, weil die Lehrer alle vor dem Einsatz geschult werden sollten. Neue Aufgaben, von den LehrerInnnen hochgeladen, werden heruntergeladen, ausgedruckt und besprochen, ggf. werden nicht aktive Links von mir im Browser geöffnet und dann per Mail gesammelt verschickt, damit die Kinder von ihren Smartphones & Tablets aus direkt darauf zugreifen können. Fristen notieren wir in einer virtuellen To-Do-Liste, die einen Tag vor Abgabe oder kurz vor dem Termin (Video-Treffen) erinnert.
Insgesamt läuft es also bei uns ziemlich gut, Luxus pur & Glück im Unglück, sozusagen, aber das auch nur, weil sie eben Eltern haben, die bei allen Aufgaben von Mathe bis Russisch helfen können, weil die Technik zur Verfügung steht, weil ich sonst ohnehin von zuhause aus arbeite, weil bei uns keiner Angst um den Job hat und damit die seltsame Stimmung noch deprimierender wäre. Die Kinder haben sich selbst und beide sich gegenseitig, ich habe (aus ihrer Sicht) ständig Zeit für sie — habe ich eigentlich nicht, bin es aber seit langem gewohnt, meine Arbeit bis zum Delirium in die Nacht auszudehnen und nur in Notfällen einmal um einige Stunden Ruhe zu bitten, wenn eine Deadline naht.
Fazit: Weniger Präsenzunterricht in der Schule und mehr Erledigungs- und Übungszeit daheim würde uns dauerhaft gefallen und wäre längerfristig auch machbar.
Mein Experte, fast sieben, sagt, er geht nie mehr in die Schule.
Da es eine Förderschule ist, sieht es derzeit aus, als dauert das „nie mehr“ bis jedenfalls nach den Sommerferien…
Meine Tochter (13, 7. Klasse Gymnasium) stimmt der Experten Meinung vollkommen zu. Sie vermisst einige Schulfreunde, viele ihrer Lehrer und ihre tägliche Busfahrt. Das frühe Aufstehen hat sie schon verlernt. Sie meinte nur, das kürzere Schultage mehr Busverbindungen benötigen. Wir wohnen nämlich auf dem Dorf und das Gymnasium ist in der nächsten Stadt. Mit dem Bus dauert eine Fahrt 50 Minuten, mit dem Auto geht’s in 20 Minuten.
Zur Zeit lässt auch ihre Motivation nach, die Hausaufgaben zu erledigen. Aber es ist verständlich, geht uns Erwachsenen ja auch so.
Meine 14-jährige Expertin macht zu Hause einfach nichts. Oder vielmehr nur ein paar Dinge, die ihr leicht fallen, den Rest sitzt sie aus. Eltern als Autorität in Schuldingen erkennt sie nicht an, da können wir uns den Mund fusselig reden.
Da sich hier – bis auf den Exkurs an die schwedische Grundschule, wo sich die Unterrichtsform für mich echt traumhaft anhört – bisher nur Expert*innen der weiterführenden Schulen zu Wort gemeldet haben, möchte ich kurz von meinen zwei Grundschülern (1. und 3. Klasse) berichten: Sie vermissen nicht nur ihre Freund*innen und Lehrer*innen, sondern auch das System „Schule“ an sich (und das will bei dem Drittklässler echt was heißen ;o)). Es läuft hier einigermaßen und wir wurschteln uns da durch, aber die Motivation sinkt stetig. Ich merke hier gerade deutlich, dass Grundschule nicht nur sture Wissensaneignung bedeutet und v.a. Grundschüler*innen nicht dafür gemacht sind, über Wochen immer nur Arbeitsblätter auszufüllen. Vor allem, wenn der Drittklässler jede Woche mind. 2 Arbeitsblätter hat, die er die Woche vorher schon bearbeiten musste und die Erstklässlerin sich durch zig Arbeitsblätter mit dem gleichen Aufgabentypus durcharbeiten soll. Mir ist klar, dass Lernen in der Grundschule v.a. aus Wiederholung besteht, aber so langweilig wie das hier aufbereitet ist, kann ich verstehen, dass die Kids da keinen Bock mehr drauf haben…
Auf der anderen Seite bin ich froh, dass es unsere Schule überhaupt auf die Reihe bekommen hat, uns regelmäßig Aufgaben zur Verfügung zu stellen (btw. eine riesige Kopierschlacht, die wir wöchentlich in der Schule abholen. Von Aufgaben per Mail oder einer Onlineplattform sind wir noch meilenweit entfernt). Im Freundeskreis gibt es auch durchaus Fälle, wo die Grundschulen dann mal nach den Osterferien Aufgaben in homöopathischen Dosen verteilt haben…
Auch, wenn ich das oben Geschriebene gut nachvollziehen kann, einen wichtigen Gedanken möchte ich zu bedenken geben:
Alle, die schreiben, sowie alle Experten kommen aus Familien, wo Bildung und Lernen einen hohen Wert haben – das ergibt sich ja ein wenig schon aus der „Vorsortierung“, da nur Leser des Blogs kommentieren. Alle gehen von einer Situation aus, wo sie zuhause in Ruhe und mit den passenden digitalen Helfern lernen können. (Tatsächlich, so kommt es mir vor, scheinen auch Jungen und Mädchen die soziale Funktion von Schule unterschiedlich zu sehen)
Die beschriebenen Situation ist aber nicht in allen Familien gegeben, und die Kinder, die beengt oder inmitten von Streit und Gewalt aufwachsen, wo zuhause kein Deutsch gesprochen wird oder wo dem Lernen keine große Bedeutung beigemessen wird, wären unter den gewünschten Verhältnissen die Verlierer.
Ich denke, man muss dem, aber auch den Wünschen der Experten Rechnung tragen, indem man einerseits einen Teil von Wahlfreiheit, was Fächer und Reihenfolge betrifft, auch in der Schule ermöglicht, andererseits aber auch Schulen anbietet, die durchgängig nach anderen Methoden arbeiten (das ist sicher in Großstädten leichter als im ländlichen Raum),
@M.Forster
Danke, Sie haben alle meine Gedanken dazu wunderbar in Worte gefasst, bevor ich mich ähnlich dazu äußern wollte.
Ich fürchtete aber als Spielverderber aufzutreten, weil mein Einwand „aber was ist dann mit Chancengleichheit“ falsch verstanden werden könnte. Denn nichts läge mir ferner, als die durchaus berechtigten Vorstellungen aus Sicht von Sohn II entwerten zu wollen.
Und das schwedische Modell wäre wirklich schön.
Es geht gar nicht um Spielverderber und ich wäre auch nicht darauf gekommen, Sohn II als allgemeingültig zu betrachten. Der ist nur ein Kind von vielen und man müsste viele, viele Meinungen sammeln. Leider passiert das aber eher nicht.