Zwischen den Fahrten durchs wilde Westfalen (ich berichtete) und der äußerst besinnlichen Woche auf Eiderstedt (ich werde noch berichten) waren wir eine Woche nicht unterwegs, extreme staycation. Das ist für Familien natürlich ein brandgefährliches Unterfangen, denn zuhause sind ja sämtliche Streitroutinen bestens eingeübt und jederzeit verfügbar, zuhause liegen überall Zündschnüre und Lebendfallen herum. Und nicht nur das, zuhause lauert auch noch Arbeit in buchstäblich jeder Ecke. Weil man ja nicht auf dem Sofa sitzen kann, ohne irgendwohin zu sehen, und wenn man aber versehentlich irgendwohin sieht, dann sieht man auch, wie es da aussieht – und schon möchte man geradezu turnerisch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und ein tiefes, tiefes Gefühl der Unentspanntheit überkommt einen, das sich dann noch dadurch verschärft, dass immer genaueres Hinsehen schließlich zu der Erkenntnis führt, dass es mit Aufräumen und Putzen gar nicht getan ist, dass man eigentlich renovieren oder besser gleich ausziehen müsste, und wer soll „man“ in diesem Fall wohl schon sein, stellt man betroffen fest. Man sinkt so nicht entspannt in ein Nickerchen, man fällt eher in Trübsal und Anspannung.
Selbst wenn man, was allerdings unwahrscheinlich ist, diese Gefahr in den Griff bekommt, bleibt immer noch das Risiko, dass man klarerweise Zeit hat, dass man also tausend Termine machen und sogar wahrnehmen kann, und selbst dann, wenn es sich um die vermeintlich schönsten Termine handelt, auf die man nur kommen kann, so sind es doch einwandfrei Termine und man ist also dauernd beschäftigt – und wer beschäftigt ist, der hat ja nun einmal nicht frei, worum es doch eigentlich gehen sollte.
Ich vermute, was allerdings auf Jahre hinaus unbewiesen bleiben wird, dass ich diese Probleme in den Griff bekommen könnte, wenn ich ganz alleine wäre. Aber das bin ich nicht und es ist auch schon enorm lange her, dass ich einmal eine Woche alleine war, es ist eventuell sogar annähernd zwanzig Jahre her. Ich kann darüber also eigentlich gar nichts wissen.
Wir sind dennoch auch im Familienverbund den Gefahren halbwegs entgangen, da wir fast durchgehend im Garten waren. Das klingt nicht logisch, denn im Garten fallen einem eher noch mehr Projekte ein als zu Hause, es gibt noch viel mehr zu tun und die Vorhaben sind vielleicht sogar größer und erfordern auch noch Bauholz und große Werkzeuge und viele Hände, und Unkraut muss man auch noch jäten und das, was wachsen soll, das muss man wässern und pflegen und überhaupt besteht so ein Garten im Wesentlichen aus Tätigkeiten und dann kommen auch noch, was natürlich nett ist, Freunde vorbei, kurz, es ist alles eigentlich ähnlich wie zuhause – aber es macht irgendwie nichts, es ist sogar schön, weil man ja im Garten ist. Das ist schon der ganze Trick. Man besieht sich zwischendurch ein Hummelchen auf einer Blüte, die heranreifenden Äpfelchen und den blühenden Lavendel, man spürt einen Effekt, den es auf dem Sofa so nicht geben kann, ganz egal, was in der Vase auf dem Wohnzimmertisch steht. Es ist im Garten, und alles ist anders.
Faszinierend ist am Rande auch, dass eine Woche im Schrebergarten jetzt unter Privileg fällt. Es ist gar nicht lange her, da war eine Woche Sommerurlaub in der Laube der Inbegriff der kleinkarierten Spießigkeit und des eher unangenehmen Deutschtums, da konnte man da höchstens ironisch drüber lächeln, also bestenfalls so halbwegs milde. Jetzt aber hat man einen Kleingarten, wie andere einen Mercedes. Nanu.
Währenddessen wurde der Wetterbericht für die Woche auf Eiderstedt immer schlechter. Er übersprang den August, den September und den Oktober und versprach schließlich einen Landaufenthalt im tiefsten November. Wir stellten uns darauf ein. Also ich jedenfalls. Die Herzdame haderte tagesfüllend.
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Bin ich froh, dass es anderen genauso geht, ich flüchte momentan immer ins Freie und mache Ausflüge, damit mich die Wohnung nicht anklagt.
Die Zündschnüre und Lebensfallen lungern doch wie kleine Raubtiere im Kopf! Die Familie braucht nicht anwesend zu sein, um
bei mir mithilfe der Raubtiere Rachepläne für später zu schmieden.
Familie als Lernfeld für Geduld!