Bevor es Frühling wird, das Morgenrot ändert sich von Tag zu Tag doch verdächtig, noch eben ein Winterbild mitnehmen, schnell, schnell, das noch wegspeichern. Die Lichter nämlich, die abendlichen Lichter im ganzen Block, die Straßen entlang und rund um die Plätze. Es sind alle, es sind nahezu alle Fenster der Wohnungen erleuchtet. Er, sie, es ist zuhause, wir sind zuhause, ihr seid zuhause, sie sind zuhause, alle sind zuhause. Niemand geht irgendwohin, die Häuser sind hell wie in keinem Jahr, in alle Wohnungen kann man sehen und feststellen, was andere Menschen für Bilder aufhängen und meine Güte, was sind die manchmal seltsam. Die anderen dürfen das von unseren Bildern auch denken, versteht sich, aber wir wohnen zu hoch, hier kann eh keiner hereinsehen.
Das jedenfalls auch merken und später erinnern, den Enkeln später davon erzählen, diese Lichtfassaden über dunklen Absätzen. Denn unten, unten leuchtet nichts, kein Schaufenster, keine Werbung. Kaum Werbung. Die Stadt ist andersherum beleuchtet, und das sieht so herum auch gut aus, was bin ich heute wieder positiv.
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Am Morgen fragt eine Frau in der Bäckerei nach Berlinern. Da lägen nur so wenige in der Auslage, und es sei doch Karneval, sagt sie, sie brauche mehr. Wie jetzt, denke ich, Party oder was, das wäre ja dezent Anlass zur Verwunderung, wenn nicht zur Empörung. Und die Verkäuferin fragt in ehrlichem Erstaunen das, was noch viel naheliegender ist, richtig entgeistert fragt sie das: „In Hamburg?!“
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Gleich drei Eichelhäher sitzen im Holunder vor der Haustür und marodieren pöbelnd durch alte Nester kleinerer Vögel. Das ist schon Bandenkriminalität und die Meisen zwitschern höchst aufgeregt vom Verfall der Wohnlage, neulich auch schon dieser Bussard, tagelang war der da, man muss doch sehr bitten und was ist hier eigentlich neuerdings los.
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Ich stelle beim Nachrichtenhören fest, dass ich schon wieder vergessen oder vielleicht auch eher verdrängt habe, ab wann nun was wo wieder öffnen darf. Es war aber ohnehin eher wenig, glaube ich, und in jedem Bundesland irgendwie anders. Ich habe da eine seltsame Merkverweigerung und mache einfach weiterhin nichts, das wird man ja noch machen dürfen. Irgendwo machen irgendwann Blumenläden auf, Gartencenter und Friseursalons und Grundschulen, was auch immer. Die Zahlen gehen runter, die Zahlen gehen rauf, Mond und Sterne ziehen über uns hinweg.
Diess Blog bleibt dauerhaft geöffnet, ich habe ein Hygienekonzept, immerhin sitzen Sie sicher vor einer Scheibe.
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Zwei machen hier Home-Office, zwei machen hier Home-School. In der Wohnung unter uns reißen sie die Wände raus oder den Fußboden oder beides und die Badezimmerkacheln müssen womöglich auch weg, was weiß ich. Jedenfalls schweres Gerät und Gerumpel und Geratter ganztägig, frag nicht. Ich kann mich nicht konzentrieren. Ich weiß gerade noch, wie ich heiße, würde aber auch darauf nicht wetten. Auch wenn ich mich konzentrieren könnte, ich könnte auch dann nichts richtig machen. Zu viele Themen zur gleichen Zeit, alles ist zerfleddert und zerfieselt. Wer nichts richtig macht, der macht alles falsch, ich fühle mich wie seit Wochen, nein, seit Monaten wie damals in der siebten Klasse. Die habe ich wiederholt – und besser war das. Sohn I ist auch gerade in der siebten Klasse, mit ihm mache ich die also zum dritten Mal im Leben und allmählich reicht es mir auch, danke. Einführung in die Algebra zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten, kann sich die bitte jemand rektal einführen, die gottverdammte Algebra. Pardon, es geht gleich wieder.
Ich gehe am Vormittag rastlos von einem Zimmer zum anderen, hier ein Thema, dort ein Thema, links ein Problem, rechts ein Problem. Ich treffe die Herzdame im Flur, wir sehen uns an, wir wollen beide etwas sagen. Wir sagen nichts, wir haben beide schon wieder vergessen, was wir sagen wollten. Goldfische im Glas, immer im Kreis, voll schön hier und guck, eine Kurve, da mal rum! Dann biegen wir ab.
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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, ganz herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber ganz klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel. Merci!
Fanpost zum Abend: Ich lese diese kleinen, literarisch aber doch recht großen Alltagsbeobachten wirklich furchtbar gern, heute besonders schön. Berliner in Hamburg, pöbelnde Vögel, eingeführte Algebra, Goldfische im Homeoffice – danke für die herrlichen Bilder, ich habe sehr gelacht!