Morgendliche Bandenbildung

Vor einem Café, das natürlich geschlossen ist und auch den ganzen Tag und noch weit darüber hinaus geschlossen bleiben wird, steht eine Bank. Eine schwere, hölzerne Bank, die wird nicht weg- oder reingeräumt, auch im Winter nicht, die ist eher ein festgefügter Anbau des Hauses, die gehört eben dort hin. Die war da auch immer schon. Auf der sitzen an den Nachmittagen und Abenden schon die ganzen Lockdowns hindurch Menschen und trinken was auch immer aus To-Go-Bechern oder, offensichtlicher, aus Bierflaschen und Piccolöchen und Flachmännern. Manchmal lesen sie dabei, manchmal schreiben sie auf Papier, auf einem Notebook oder ins Handy, manchmal telefonieren sie. Manchmal sitzen sie zu zweit nebeneinander und reden miteinander, manchmal sitzen sie mit größtmöglicher Distanz, einer ganz links auf der Kante, einer ganz rechts auf der Kante, und schweigen fremd miteinander, teilen nur das Sitzmöbel und wären vermutlich froh, wenn der andere nicht da wäre. Aber nun, es ist Platz für zwei, gar keine Frage. Ist hier noch frei? Muss ja. Es kam auch schon vor, dass Menschen nicht nur auf der Bank, sondern auch der Bank gegenübersaßen, auf mitgebrachten Klappstühlen, und da redeten dann gleich vier miteinander, da fehlte nur der Tisch zwischen ihnen und die Getränke darauf.

Manche halten auf der Bank sitzend ihr Gesicht und ihr Lächeln in die Sonne, manche halten es auf der Bank sogar fröstelnd bei Nebel, Nieselregen oder eisigem Winterwind aus. Viele rauchen auf der Bank, denn das Rauchen ist ein plausibler Grund, im öffentlichen Raum beschäftigungslos zu sitzen. Ein dringender Grund vermutlich auch. An Freitagen, wenn die Suppengruppe in der Kirche ein paar Meter weiter wieder Essen für Bedürftige ausgibt, sitzen da mitunter auch Menschen und sortieren, was sie gerade erhalten haben, Gemüse, Obst und anderes. Manche essen auch ihre Suppe dort.

Heute Morgen ging ich an dieser Bank vorbei, darauf standen eine Möwe, eine Krähe und eine Elster. Ein Vogel ganz links, ein Vogel ganz rechts, einer in der Mitte. Was mag das nun gewesen sein, ein interkultureller Dialog? Ein Stadtteilrat? Bandenbildung? Ein Morgenbriefing? Ich ging vorbei und die drei sahen mich ausgesprochen missbilligend an, was will jetzt der, ein Störenfried, ein Lästling, ein Mensch, geh weiter. Wie es bei Peter Altenberg geheißen hätte: Pack dich. Und das habe ich dann auch gemacht.

Auf Peter Altenberg komme ich nur wegen eines Beitrags im Deutschlandfunk: Eine lange (wirklich lange) Nacht über Peter Altenberg. “Gott wollte, dass er nichts tat.”

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