Sukunft mit S

Heute ist der Tag, an dem vor einem Jahr Corona bei uns einschlug. Der Kalender im Büro blieb dann etliche Monate auf diesem Tag stehen und wäre, hätte ich das entscheiden können, in genau diesem Zustand auch im Firmenmuseum gelandet, das es aber leider gar nicht gibt. Ich wäre dort sonst gerne Kurator und beredter Hüter der Kugelkopf- und Typenradmaschinen, mit denen wir damals, also ganz damals, die Tage weggerattert haben.

Die Kinder sind sicher – und nicht nur meine Kinder – dass das alles schon viel länger als ein Jahr dauert, und sie sind sich nicht etwa spaßeshalber sicher, sondern ganz sicher. Ich dagegen fühle gar nichts bei der Zeitangabe „ein Jahr“, bei mir ist jedes Zeitgefühl gründlich im Eimer. Ich habe nur einen Instant-Ohrwurm mit „What’s another year“ von Johnny Logan, das ist einigermaßen unschön. Das gab es auch auf Deutsch, das Liedchen. Was ist schon ein Jahr, und es ging weiter mit: „für jemanden, der keine Sukunft mehr hat. Ja, mit S hat er das gesungen, oder ich erinnere es zumindest so, und er guckte dabei sehr blauäugig in die Kameras, so blauäugig, wie wir jetzt nicht mehr in die Sukunft sehen werden können.

Corona dauert ein Jahr oder einen ungeheuren März lang, Corona dauert, darauf werden wir uns einigen können, allmählich etwas zu lange. Fisch, Besuch und Pandemien stinken nach drei Tagen.

Corona dauert bis Mitte 2021 oder länger. What’s another month.

Ich lese weiter in Somerset Maugham, diesmal „Einzahl, erste Person“, so heißt das wirklich. Es beginnt mit einer arg durchsichtigen und eher nicht so guten Geschichte über einen Mann, der zu Betrugszwecken dauernd Frauen ehelicht, die etwas Geld haben, elf hat er schon. Es ist alles recht schlicht aufgebaut und nicht allzu glaubwürdig, aber es spielt in einem englischen Badeort außerhalb der Saison und da wäre man als Leser dann auch gerne. In so einer halbverlassenen Pension, auf diesem weitgehend menschenleeren Strand bei bestenfalls mittlerem Wetter, und wenn man da Menschen trifft, andere einsame Spaziergänger, dann sind die eben die Geschichte. Das ist übersichtlich und klar, das ist einladend.

Eigentlich wäre ich jetzt gerade auf Eiderstedt, fällt mir nebenbei ein, aber die Situation.

Den öffentlichen Bücherschrank, aus dem ich die Bücher von Somerset Maugham habe, den hat jemand angezündet. Die Brandstelle ist mit Flatterband von der Polizei abgesperrt und sieht erheblich nach Tatort aus. Es ist kein einziges Buch übrig, ich werde mir Lektüre jetzt wieder anders besorgen müssen, das ist schade. Wer zündet öffentliche Bücherschränke an? Das weiß bisher kein Mensch, aber in den Stadteilgruppen auf FB meint man, auch das genau zu wissen. Die jeweils anderen waren es natürlich, die muss man auch dafür hassen. Die Kommentarlage ist ekelhaft und warum ich da noch einen Account habe, es ist im Grunde unerfindlich und dringend wieder zu überdenken.

Ich höre Wilkie Collins, Die Traumfrau, und meine Güte, es war wirklich nicht alles gut von ihm. Eine Geistergruselgeschichte der zweitklassigen Art, ich rate eher ab. Blasse Frau erscheint nachts mit erhobenem Messer und sticht unmotiviert in Matratzen, also wirklich.

Ich höre R.L. Stevenson, Markheim und die krumme Janet und es ist ja so, wer kann, der kann. Stevenson kann.

Nächste Woche, ich bin heute vollkommen zusammenhanglos, pardon, wieder Home-School und Home-Office. Ob ich das noch kann?


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