Aber kalt war es doch

Heute war der erste Morgen in diesem so seltsam frühen Herbst, an dem ich einen Pullover über das Oberhemd gezogen habe. Das Bürostandardoutfit für die nächsten, na, acht Monate, grob geschätzt jedenfalls, aber es wird schon hinkommen. Wenn man es so schreibt, klingt es ein wenig ernüchternd, nicht wahr. Das war es aber nicht, ganz im Gegenteil. Es war wahnsinnig gemütlich und ich fand es schön, ausgesprochen schön, dass ich da bei offenem Fenster im Home-Office sitzen konnte und die Temperatur exakt zu Hemd und Pullover passte. Eine Punktlandung des Wetters, so geht meine Wohlfühltemperatur, wenn ich nicht gerade nach dem Frühling lechze, und das dauert ja noch. Erst einmal diese Pulloverphase, ich will die jetzt entschlossen und lange gut finden.

Ich habe nachgesehen, wann der August zuletzt so kalt war, so dermaßen herbstlich. Das war wohl, wenn ich es richtig eruiert habe, 1978 der Fall. Da fehlt mir allerdings die Erinnerung, da habe ich nicht aufgepasst und noch nicht gebloggt, nicht einmal auf Papier, das kann ich also mit nichts abgleichen. Über 1978 weiß ich zwar erstaunlich viel, aber das Wetter, das weiß ich nicht mehr. Ich bin da nach Travemünde gezogen, in dem Jahr, und jetzt, in diesem Moment, in dem ich das schreibe, bilde ich mir auf einmal ein – aber vor zehn Minuten noch nicht! – dass ich da im August am Strand war und es zu kalt für alles war. Dass es also nicht so großartig wie erwartet war, da auf einmal am Meer zu wohnen, dass es etwas enttäuschend anfing. Es handelt sich dabei mit großer Sicherheit um eine unechte Erinnerung, so wird es nicht gewesen sein. Lebhafte Fantasie und so, Sie kennen das, auf diese Art passiert dergleichen und setzt sich dann im Hirn fest. Und jetzt, wo ich es notiert habe, werde ich also keine Chance mehr haben, darauf zu kommen, was eigentlich stimmt. Ich könnte eher eine halbwegs überzeugend klingende autobiografische Kurzgeschichte über den August 1978 schreiben und mir diese dann auch prompt selbst glauben, als auch nur ahnen, was eigentlich stimmt. Es war ein kalter August, in jenem Jahr, ein ganz erstaunlich kalter August war es. Die Strandkörbe blieben leer und fast niemand ging in die Ostsee, nur hinten bei der Surfschule standen sie in ihren Neoprenanzügen in der bescheidenen Brandung wie immer. Ich ging nach der Schule auf den großen Steg … pardon, ich höre schon auf. Es war so nicht.

Aber kalt war es wohl doch.

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7 Kommentare

  1. Und dann kam der eiskalte Jahreswechsel 78/79 …

    Mal sehen, was das Wetter dieses Jahr noch so für uns bereit hält.

    Danke für Ihren Blick auf die Welt.
    LG Sandra

  2. Doch, Neopren gabs schon 1978. Mein Vater hatte sich einen Sack Schnittabfälle besorgt, klebte die erst zu größeren Flächen und dann daraus einen Surfanzug. Das Surfboard hatte er ebenfalls selbstgebaut.

  3. Es spricht ja nun wirklich überhaupt nichts gegen eine fiktive Buddenbohmsche Geschichte, die in Travemünde spielt.

  4. Therapeutisch ist diese Kommentarsektion nicht so hilfreich – da will man über Zweifel und Unsicherheit reden, sicherlich wichtige Gefühle, und dann kommen Sachinformationen…

    😉

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