Immer das Gefühl, ich müsste, wenn ich aus Hamburg fahre, auch aus der Nachrichtenlage fahren. Aber dem ist nicht so. Ich nehme sie mit, die Nachrichtenlage, auf dem Smartphone, auf dem Computer, ich kann das Ohr jederzeit an die Geräte halten und die Nachrichtenlage rauschen hören.
In Nordostwestfalen steht der Raps auf den Feldern und blüht schon sattgelb, darüber der maienhaft blaue Himmel: Ukraine. Gegenüber vom Feuerwehrgerätehaus weht eine Fahne: Ukraine.
Die Menschen reden auch hier vom Krieg und von der Teuerung. Preisabenteuer werden erzählt, was wo wieviel kostet. Ich fahre zu einer Gärtnerei, ich will vorgezogene Gemüsepflanzen kaufen, ein Kunde dort sagt: „Dieses Jahr nehmen wir mehr Tomaten, die werden bestimmt noch viel teurer.“ Seine Kinder suchen die Sorten aus, es gibt also etwas mit „Schoko“ im Namen.
Ich lese John Steinbeck, Logbuch des Lebens (Deutsch von Henning Ahrens). Ich denke, ich muss mal was anderes haben. Irgendwas ohne Nachrichten. John Steinbeck schreibt, dass der Mensch wie die Languste sei, er sei zwar prinzipiell ohne Aggression und Krieg vorstellbar, er müsse nur vorher erst etwas mutieren. Man könne ansonsten beobachten: „dass sich die Mordlust des Menschen ebenso regelmäßig Bahn bricht wie seine unterschiedlichen sexuellen Bedürfnisse.“ Es läuft nicht so gut mit der Ablenkung.
An der Landstraße immerhin blühen die alten Apfelbäume üppig, wie weiße Wölkchen am Stiel sehen einige aus. Im Feld dahinter ein Storch, ein Reh, ein Hase, wie in einem Suchbild für Grundschulklassen wurden sie arrangiert, finde drei Tiere unserer Heimat.
Auf der Laterne über der Straße sitzt ein Greifvogel, guckt und hat Zeit.
Wir fragen die Söhne, ob wir Ostern noch Eier verstecken sollen. Nein, sagen sie und lachen. Dann überlegen sie und sagen: „Vielleicht doch.“ Oder nicht? Es ist so an der Grenze.
Nächstes Jahr nicht mehr, man wächst da irgendwann raus.
Es gibt Kaffee und Kuchen im Garten, man kann endlich draußen sitzen. Oder nicht? Es wird im Wind und im Schatten schnell kalt von unten, es wird in der Sonne schnell warm von oben, es ist auch so an der Grenze. Pfauenaugen flattern vorbei. Ein Mensch führt langsam ein Pferd über einen Weg und die Herzdame sagt: „Ein Pferd.“ Es macht uns Stadtmenschen aus, dass wir „Ein Pferd“ sagen, wenn wir ein Pferd sehen.
Am Feldrand Löwenzahn und Taubnesseln, tausendfach. Die Stachelbeeren sind schon verblüht, der Rhabarber vom Urgroßvater der Söhne lebt immer noch und treibt aus. Kompott hätte es bald bei ihm gegeben, nehme ich an.
Wir bekommen Geschirr aus Altbeständen für die Laube geschenkt. Der gerade erst erwähnte Begriff Grandmacore scheint mir deutlich zu passen, ich finde das ganz hervorragend.
Jemand fragt uns, was er als Tourist in Hamburg machen könne. Wir haben keine Ahnung, wir wohnen da ja nur. Wir überlegen etwas, was machen wir eigentlich so? Dann fällt uns erst ein, dass wir seit zwei Jahren nichts gemacht haben, dass wir nur zu viel zu tun hatten und Pandemie.
Als wir neulich auf Eiderstedt waren, sind wir zum Westerhever Leuchtturm gefahren, wie wir es immer machen, wenn wir dort sind. Wie es alle machen, wenn sie dort sind, es ist einer der nordfriesischen Momente schlechthin. Abends haben wir das dort einem Einheimischen erzählt, der beiläufig sagte: „Ach, der Leuchtturm. Da war ich noch nie. Zu so etwas komme ich immer nicht.“
Ich mache Mittagsschlaf, eine Katze legt sich zu mir. „Macht zwei, drei, viele Mittagsschläfchen“, denke ich, und die Katze schnurrt. Die Söhne hacken Holz auf dem Hof. Sie machen es in einem gewissen Rhythmus, man kann sehr gut dabei einschlafen.
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Klingt, als sei Ihr Ostern genau wie meins gewesen: Schön. Trotz allem.
Wie schön!