Im Garten hat die Herzdame den Lavendel geschnitten. Die üppige Blütenernte wird zuhause in Säckchen verfüllt und kommt später in die Schränke, unsere Großmütter wären so weit zufrieden mit uns gewesen. Die letzten Karotten habe ich aus der Erde geholt, die Buschbohnen geerntet, die Zwiebeln auch. Die letzte Runde Radieschen wurde gesät. Mangold wird auch noch einmal gehen, aber die Samen musss ich erst besorgen. Mangold sieht sehr gut aus, wenn er spät im Jahr einfach stehenbleibt, das letzte leuchtende Bunt im Garten.
Die gelben und roten Tomaten geben noch reichlich Früchte, süßer denn je, die sattgrünen Gurken tragen auch weiterhin. Davon im nächsten Jahr unbedingt mehr anpflanzen. Gurken haben keinen exakten Erntepunkt und können also etwas warten, das ist für uns immer gut, wir sind längst nicht jeden Tag im Garten, das können wir nicht schaffen. Und immer noch denke ich bei einer großen Gurke aus dem Garten staunend: Guck mal, die sieht ja aus wie im Laden. Schmeckt aber etwas besser, das will ich mir zumindest einbilden.
Die Lampionblume ist im Orangeton den Hokkaidos deutlich voraus, die Hortensien dagegen verblassen ins fortgeschritten Seniorige, eine gediegene Farbgebung sieht man da, blasslila, cremeweiß, vornehm ist das.
Das Eisenkraut blüht noch mit lilafarbener Sommerkraft, die Kugeldisteln dahinter schaffen es nicht mehr ganz, ein leises Schwächeln im Grundton. Der Rittersporn ist längst durch und steht nur noch als mahnendes Gerippe, knochenbleiche Staudenreste. Der Rhabarber zieht langsam ein und die Zucchini weiß nicht recht, soll sie jetzt noch einmal oder nicht. Dort, wo das gelbe Kraut so auffallend unordentlich und windschief im großen Beet steht, da sind bei Gelegenheit noch ein paar Kartoffeln aus der Erde zu holen.
Auf dem Rückweg vom Garten sehe ich in einem Park ein Paar an den Holunderbüschen stehen. Sie angelt mit einer Kinderharke oben nach den Früchten, er sammelt sie in einen Spielzeugeimer. Nicht weit davon eine Mutter mit Kind, auch sie stehen an einem Gebüsch, sie pflücken vorsichtig Brombeeren. „Aufpassen“, sagt die Mutter, „aufpassen! Die Dornen!“ Und weil alle Szenen immer dreifach vorkommen, sehe ich dann noch eine Frau, die gerade gebückt an einer Staude herumfingert, vermutlich sammelt sie Samen für den eigenen Garten oder den Balkon. Erntezeit in der Stadt. Ich fahre mit dem Fahrrad über knackende Eicheln nach Hause, ein Herbstgeräusch.
Ich halte für ein Kind, das mit einem tropfenden Eis in der Hand auf den Fahrradweg läuft, und genau in diesem Moment shuffelt mir das Handy „Un gelato al limon“ auf die Kopfhörer, wie schön ist das denn. Ich halte an und googele nach einer Übersetzung des Textes von Paolo Conte, immer alles nachsehen. Ich finde nur eine automatisiert erstellte Version, aber sie ist fast schön:
Kleiner Eisbecher Zitrone
Eisbecher Citron
Eisbecher Citron
geschmolzen am Boden einer Stadt
ein Eisbecher Zitrone
ist echte Zitrone
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In den Nachrichten lese ich, dass viele ältere Briten nach den pandemischen Jahren nicht mehr in die Arbeitswelt zurückkehren und also dauerhaft fehlen werden. Der Umstand wird dort „Great Resignation“ genannt, der Ausdruck gefällt mir. Und ich wäre erstaunt, wenn es sich in Deutschland nicht ähnlich verhalten würde.
Ich bin jetzt 56, es dauert also noch etwas bis zur eigenen und sich vermutlich einigermaßen great anfühlenden Resignation.
Weitermachen.
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Ich lese Jane Gardam, Ein untadeliger Mann, Deutsch von Isabel Bogdan, und ich bin nach wie vor ganz und gar zufrieden mit den Büchern. Dummerweise habe ich bald alle verfügbaren Werke von ihr durch.
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Im Wetterbericht wieder irgendwas mit 30 Grad. Ich möchte das nicht. Ein Buddenbohm, geschmolzen am Boden einer Stadt.
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Da ich ein seltsames Gehirn habe, macht es beim Lesen „pling“ und ich sehe den Film vor mir: „Die Jungfernfahrt der „Great Resignation““, eine Mischung aus Bartleby und Titanic: „Alle Mann an die Pumpen!“ – „I prefer not to.“
Danke, für die kleine Tour durch Ihr Gemüsebeet. Es gibt bei Ihnen noch viel zu sehen. Wenn dann der Heimweg noch zum Hamstern einlädt, ist die Ernte groß.
Oh mein Gott, dann haben Sie ja die besten Bücher (Old Filth Trilogie) noch vor sich. Ich beneide Sie darum!