Ich lese „Mr. und Mrs. Derdon“ von Maeve Brennan, die ich bisher nicht kannte (hier Wikipedia zu ihr, kurz und tragisch, aber werfen Sie ruhig auch mal die Google-Bildersuche an, interessante Ergebnisse), und den ersten dreißig Seiten nach zu urteilen, ist es ein grandioses Buch, ein Meisterinnenwerk. Mit Begeisterung gelesen, diesen Anfang. Nichts, was die Laune heben würde, sicher nicht, aber hey, es ist November.
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Dienstag.
Ich gehe Brötchen holen. Ich lese auf dem Weg, dass ich mit Yoga in den Winter starten soll, es steht an einer entsprechenden Einrichtung dran, ein Werbeaufkleber im Fenster. Ich will nicht mit Yoga in den Winter starten, die sollen mich in Ruhe lassen. Was noch alles, denke ich, was noch. Jeder Weg durch die Großstadt eine einzige Befehlskette, eine Aneinanderreihung von Zumutungen. Nur auf dem kurzen Weg zu den Brötchen, ich notiere mal eben: Ich soll die gute Nachbarschaft genießen, ich soll die ganze Welt in meiner Tasse entdecken, ich soll bitte drücken, ich soll die Einfahrt freihalten, ich soll einen Parkschein lösen, ich soll warten, bis ich platziert werde, ich soll mir jetzt einen Termin sichern, ich soll endlich besser snacken, ich soll bei Interesse klingeln, ich soll meinem Körper Gutes tun, damit meine Seele Lust hat, darin zu wohnen. Das steht da alles, das fordert da alles, das drängelt und nervt alles, und ich möchte lieber nicht, ich möchte lieber nicht.
Ein Polizeiwagen hält. Zwei Polizisten steigen aus und gehen bei Rot über eine Fußgängerampel und dann auch in die Bäckerei, so wie ich, nur bin ich selbstverständlich bei Grün gegangen, weil durch und durch konservativ, nicht so flippig und regelverachtend wie die Staatsmacht im Stadtteil.
Und sonst? Sechzehn Obdachlose sehe ich auf dem Weg zu den Brötchen, Lager am Straßenrand, und der Weg ist wirklich sehr kurz. In den Nachrichten die Meldungen zum Winternotprogramm der Stadt, es wird bald kälter, wir werden in wenigen Wochen den ersten Kältetoten haben, oder die erste Kältetote. Das ist dann der Winterbeginn, der urbane Kalender in der härteren Version.
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Weiter im Programm, immer weiter. Es ist Mittwoch, es ist immerhin schon Mittwoch. Heute mal nicht auf Twitter gehen, nur um dieses bescheuerte Tim-und-Struppi-Bild nicht zu sehen, das jeden Mittwoch hundert Menschen dort posten und also meinen, ich müsse das unbedingt sehen.
Ich möchte lieber nicht.
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Sehr gerne gelesen. Mir gefallen auch die Reels auf Instagram. Musste hier sofort an Melvilles „Bartelby, der Schreiber“ denken… »I would prefer not to«, eine sehr lesenswerte Kurzgeschichte