Wir folgen wiederum der in diesem Blog hinlänglich etablierten Tradition: Kein Silvester ohne diese Bilder. Es handelt sich beim Folgenden also noch einmal um die vergilbende Erinnerung an eine norddeutsch-ausgelassene Silvesterparty in einem kleinen Ort bei Hamburg. Der Abend ist mittlerweile bereits zwei Jahrzehnte her und längst nicht mehr wahr. Deutlich erkennt man aber die sogenannte Hanseaten-Ekstase in meinem Blick.
Denn man muss gerade die süddeutschen und vor allem die rheinländischen Leserinnen und Leser gelegentlich daran erinnern: wir hier oben im Norden, wir sind gar nicht so. Wir können auch anders:
Gleicher Abend, nur einen Meter weiter: Die Herzdame, liebreizend wie stets und dabei auf diese einmalige nordostwestfälische Weise in strahlender Herzlichkeit gut gelaunt:
Wobei man sich im Lichte neuerer Erkenntnisse schon noch einmal rückblickend fragt, warum welcher Abend wie gewesen ist, das ist vermutlich typisch für derartige Diagnoseprozesse und unterhaltsam erhellend.
Gestern gab es noch ein Ritual, denn nach uraltem Brauch bin ich der Einzige in dieser Familie, der zwischen den Jahren, an den toten Tagen, einen Werktag zelebriert. Einen Werktag, den die Söhne altersgerecht diesmal komplett verschlafen haben, die Herzdame immerhin halb. Ich kann mich an die Zeit dieses Schlafverhaltens noch erinnern, obwohl sie bei mir lange her ist und ich heute nahezu unweigerlich zwischen 4 und 5 Uhr morgens aufwache, auch ohne Wecker. Wie ich damals einmal, da war ich etwa 17 Jahre alt, einen Tag verschlafen habe, komplett, rund um die Uhr. Fast unvorstellbar ist das geworden, aber ich weiß doch sicher, es war einmal so.
Ich stehe ausgesprochen gerne auf, sobald ich wach bin, begeistert und sofort stehe ich auf. Ich springe enthusiastisch auf, und diese eine Stunde, manchmal sind es auch zwei oder sogar drei, in der nur ich wach bin und in der ich kategorisch nur schreibe, sie ist mein Kurersatz, mein Glücksurrogatextrakt, mein Schatz, meine Resilienzmaßnahme Nummer 1, mein Rückzugsraum und mein Bunker, sie ist dermaßen schön und immer auch ein Stück persönlicher Wahrheitsfindung. So bin ich eigentlich, denke ich oft beim Tippen, so bin ich eigentlich.
Freudig wach bin ich zu dieser Zeit, und vom Rest des Tages kann ich das meist nicht durchgehend behaupten. Je länger er sich zieht, je mehr seltsame Dinge ich tun muss und je mehr andere Menschen daran beteiligt sind, desto weniger. Aber immerhin diese ein, zwei Stunden am Tagesanfang – das ist doch etwas und die hat ja auch nicht jeder.
Zwischendurch nahm ich gestern im Home-Office interessiert zur Kenntnis, was künstliche Intelligenz – ausgelöst durch ChatGPT reden im Moment viele darüber und spielen intensiv damit herum – jetzt alles in Kombination mit Excel und anderen Programmen veranstalten kann, und ich überschlug danach grübelnd noch einmal die Jahre bis zur Rente – es wird wohl etwas knapp in meinem Brotberuf, nehme ich an. Die Software weiß und kann definitiv zu viel, das steht fest, auch wenn die Ergebnisse für meine Zwecke keineswegs so berauschend großartig ausfallen, wie es gerade gerne behauptet wird. Ich werde mich aber ab sofort für so etwas interessieren und mit den Anwendungsmöglichkeiten und den dabei entstehenden Abgründen im Bürokontext befassen, so kommt man an den letzten Tagen des Jahres noch zu ungeplanten Beschlüssen. Paulus schrieb an die Korinther: Wer nicht vorn ist, ist dahinter.
Die Söhne haben währenddessen, ebenso wie ihre gesamte Generation, fein lächelnd nebenbei zur Kenntnis genommen, dass diese Software auch ihre Hausaufgaben, Referate, Projektarbeiten etc. machen kann. Alle Hausaufgaben, in jedem Fach. Und zwar, ohne den Nachwuchs unnötig herabsetzen zu wollen, vermutlich besser als sie. Man wird damit irgendwie umgehen müssen. Mehr zu den Risiken und Nebenwirkungen, aber auch zu den Vorteilen der Software in diesem FAZ-Podcast, das ist ein bündiger Rundumschlag, der den schönen Satz enthält: „Die Software schraubt die Ansprüche höher, menschlich zu sein.“ Empfehlenswert, da mal reinhören. Aber gut, das sind schon Themen des nächsten Jahres, so weit sind wir noch gar nicht, da müssen wir erst einmal hin.
Ich danke Ihnen noch einmal herzlich fürs Lesen, Kommentieren, Liken, Teilen, für jeden Betrag im virtuellen Hut und für alle freundlichen Zusendungen in diesem Jahr, es war mir ein Fest, eine Freude und ein Trost.
2022 war ein Jahr, in dem ich, wie etliche andere in meinem Umfeld auch, mit dem Tod mehr zu tun hatte als je zuvor, und es war nicht nur altersbedingt und erwartbar. Es war erschreckend und verstörend. In meinen Timelines fehlen Menschen, und vielleicht sollten wir am Abend ein Glas auf sie trinken, auf die abwesenden Freunde. Die Liste der Namen fällt bei uns allen anders aus, aber alle kommen wir wohl mittlerweile auf eine Liste, wenn wir etwas nachdenken, spätestens nach diesem Jahr.
Passen Sie auf sich auf, kommen Sie gut rüber und bewahren Sie unbedingt Haltung.
Wir sehen uns drüben, wenn Sie mögen.
***
Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.
Danke für die tollen Worte. Ich trink heute Abend einen Glas auf all die, die fehlen.
To absent friends, indeed.
Danke für die vielen Blogbeiträge, Einblicke, Denkanstöße. Ich freue mich auf ein nächstes Jahr.
Ich mag, lieber Herr Buddenbohm.
Und danke für Ihre schönen Worte, die mir direkt aus der Seele gesprochen scheinen. Auch hier wird heute fehlender Menschen gedacht. Ein schweres Jahr war es.
Alles Gute allen Buddenbohms
„To absent friends“, erinnert mich immer an die Szene am Esstisch gegen Ende der Rocky Horror Picture Show, da habe ich diese Widmung zum ersten Mal gehört.
Guten Rutsch.