Vom Leben mit suboptimalen Lösungen

Dienstag. Beim Blick auf den Balkon lerne ich, dass auch Kohlmeisen mit Erdnüssen abhauen, was ich aufgrund der Größenverhältnisse beachtlich finde, es ist aus Meisensicht immerhin eine schier gigantische Nuss. Auf Menschenmaße umgerechnet würde sie uns sicher bis zur Hüfte reichen. Wer will mit so etwas herumlaufen, und die fliegen damit weg. Einfach so. Meisen lieber auch nicht unterschätzen.

Ich lege ich mich nach der Arbeit im Home-Office noch einmal für zehn Minuten hin und wache erst nach zweieinhalb Stunden wieder auf. „So geht der Monat natürlich auch vorbei“, sage ich mir und frage mich nebenbei, wieso ich neuerdings dauernd laut mit mir selbst rede. „Egal“, sage ich dann, „ist doch auch egal.“ Und ich glaube, ich habe Recht damit. Ein sehr gutes Gefühl.

Ich höre auf meinen Einkaufswegen „Eine blassblaue Frauenschrift“ von Franz Werfel und freue mich, dass ich zur Abwechslung einmal eine Handlung noch recht sicher parat habe, trotz der wiederum lang zurückliegenden Lektüre des Buches irgendwann in meinen Zwanzigern, damals noch im Antiquariat. Allerdings hätte ich jeden Eid darauf abgelegt, dass der Titel „Eine blassblaue Frauenhandschrift“ war, obwohl das von mir zwischengeschobene Wort ganz unnötig ist, wie ich dann peinlich berührt bemerke. Kein Tag ohne Demütigung, ich sage es ja.

Die Familie spielt ansonsten Magendarmgekränkel, das macht den Monat nicht schöner, nur etwas abwechslungsreicher. Keine Details.

Ich esse dessen ungeachtet aufgewärmtes Gulasch. Alles immer dennoch machen, aber als Wappenspruch. Wie gut ist aufgewärmtes Gulasch mit Makkaroniresten von gestern, es ist eine wahre Hauptfreude, ich kann es nicht anders sagen. Ich esse alles alleine auf, der Rest der Familie bekommt nur Tiefkühlpizza vorgesetzt, auch einmal Prioritäten zu meinen Gunsten setzen. Morgen gebe ich mich umgehend wieder bescheiden und kooperativ, so der Vorsatz. Ob sich TK-Pizza und Magendarm gut vertragen, das ist wieder eine andere und sicher auch berechtigte Frage, aber man muss, wie eine frühere Chefin von mir immer sagte, auch mit suboptimalen Lösungen leben können. Von meinen früheren Vorgesetzten, es fällt mir gerade wieder ein, sind zwei schon tot und einer hört Stimmen aus der Wand. Wenn man es so erzählt, klingt es etwas seltsam, nicht wahr.

Am Abend habe ich nach längerer Pause einmal wieder Lust auf ein gedrucktes Buch. Ich mache weiter, wo ich aufgehört habe, bei Maeve Brennan mit „Mr. und Mrs. Derdon“. Ich habe das Buch hier bereits zweimal empfohlen, Sie merken, ich meine es ernst. Erheiternd, aufbauend oder motivierend allerdings ist es nicht.

Egal. Was ist schon erheiternd, motivierend oder aufbauend im Januar, also abgesehen von Gulasch. Das allerdings ist nicht vegetarisch, also auch wieder suboptimal. Wie alles gerade.

***

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4 Kommentare

  1. … Sie glaubem gar nicht, was Meisen noch alles so drauf haben. Im Wiener Naturhistorischen Museum (NHM) gibt es eine 2018 preisgekrönte Taxidermie – Meise mit Maus – das können die nämlich in Ausnahmefällen auch, Mäuse schlagen …

  2. Oh oh, Herr Buddenbohm,
    mir scheint, Sie brauchen etwas Abwechslung im Alltag, etwas mehr Farbe, mehr Leben. Gehen Sie doch mal in den Tattersall. ;-))
    Viele Grüße aus einer ganz verschneiten Ecke.

  3. Oh, jetzt habe ich Appetit auf Gulasch! Allerdings muss ich damit noch warten, bis der vegetarische Januar vorbei ist…

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