Vorwärtskommen

Weiter in den Tagebüchern von Manfred Krug, 98 bis 99. Namen aus einer Vergangenheit, die ich weiterhin als befremdlich weit weg empfinde und von meinem Gehirn überraschend gründlich wegsortiert: Hansjörg Felmy, Günther Strack, Arafat, Scharping, Ron Sommer, Biolek, Michael Naumann, Theo Waigel, Berti Vogts. Ach ja, denke ich dauernd, ach ja. Den gab es auch. Und den. Und Witta Pohl und Madeleine Albright, die auch.

Ich blättere in einer Kochzeitschrift, die mir beim Aufräumen in die Hände fällt, irgendein Frühlingsheft, das wird ja bald wieder gültig, denke ich. Ich kaufe diese Zeitschrift allerdings schon eine ganze Weile nicht mehr, sie war nicht mehr interessant und jedes zweite Rezept war mit Sahne und auch viel zu viel mit Hack, das nützte mir nichts mehr. Zu wenig Nachkochen für zu viel Geld, die Foodblogs sind eh spannender und man kann sie verlinken. Immer die Nützlichkeit im Sinn haben. Ich überlege, wann ich das Magazin wohl zuletzt gekauft habe, in welchem Jahr das war. Auf jeden Fall war es vor Corona, das ist recht leicht, das kann ich zuverlässig bei fast allem unterscheiden. Bilde ich mir zumindest ein. Ich komme dann gedanklich nur bis zu „kurz vor Corona“, dann sehe ich doch auf dem Titelblatt nach, dann will ich es genau wissen: Das Heft ist von 2012. Okay. Kurz vor Corona. Alles im Rahmen der erreichbaren Messgenauigkeit.

Am Sonntag wollen wir in den Garten, stehen eine Weile am Fenster und sehen hinaus, sagen dann: „Wir fahren nicht in den Garten.“ So ein Wetter ist es nämlich, nichts lockt einen vor die Tür. Auf dem Spielplatz unten die pflichtgemäßen Kleinkindeltern, frierwippend auf den Zehenspitzen, Kapuzen auf, Kaffeebecher in den Händen und ab und zu zur Kirchturmuhr hochsehend, ob es nicht bald reichen könnte. Krabbelkinder wasserdicht eingepackt in der Sandkiste, lustlos herumrobbend.

Ich gehe einmal um den Block, das Pflichtbewusstsein. Unten an der Alster haben Wasser und Himmel die gleiche Farbe und reichen weit, Blaugrau bis sonstwohin, bis in den Februar. An einem Café steht noch „Winter Wonderland“ dran, aber das Wunderland ist geschlossen und die riesigen Deko-Elche leuchten nicht mehr. Kaum Spaziergängerinnen. Nur Jogger ziehen verbissene Runden und sehen starr vor sich hin, immer nur direkt vor sich, schon wegen der Pfützen. Es spritzt, wenn sie vorbeilaufen. Schlammspuren auf ihrer knallbunten Sportkleidung, nasse Laufschuhe, aber sie haben doch wieder was geschafft. Sie sind vorwärtsgekommen.

Wenn auch nur im Kreis, wie immer.

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Ein Kommentar

  1. Und egal wie schlecht das Wetter erscheint- ein Spaziergang mit kleinen Beobachtungen ist noch der Pflicht geschuldet. Vielleicht birgt der Spaziergang auch die Hoffnung, es fände sich ein kleiner Schatz mitten im Alltagsgrau. Und siehe da: es funktioniert. Gar nicht so schlecht, dieses Pflichtbewusstsein.

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