Ich war beim Friseur, ich habe meinen Kleiderschrank aufgeräumt und umsortiert, es ist Saisonwechsel. Sehr befriedigend ist es, wenn da alles Naht auf Naht liegt, Kante auf Kante, ein Anblick, als habe man – endlich, endlich! – alles im Griff, den Schrank, die Klamotten, das Leben. Dazu der erneuerte Haarschnitt, für einen Augenblick doch einmal dieses bestärkende Gefühl, für etwas gerüstet und bestens vorbereitet zu sein. Und sei es nur für den nächsten Tag. Ach was, für den Nachmittag, immer bescheiden bleiben.
Die Essensplanung steht auch bis zum 15. März, jeder sucht sich eben seine alltagsstabilisierenden Faktoren und bastelt und schraubt nach Kräften daran herum. Bei anderen ist es, sehe ich gerade, der Geschmack von Käse auf frischem Brot, und das geht auch. Heute gibt es hier Backfisch im Brötchen, entnehme ich meiner Liste. Das können Sie jetzt prima in Ihre Hamburg-Klischees einbauen, auch das ist eine Form der Ordnung.
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Am frühen Morgen nun mehr Vogelstimmen da draußen, der Chor vergrößert sich gerade, die Amsel ist jetzt in der Frühschicht dabei und unterlegt das Rotkehlchen und die Meisen. Im Drogeriemarkt haben sie die Stände mit den Ostersüßigkeiten aufgebaut, in den Foodblogs erscheinen erste Spargelrezepte, die sind allerdings noch nicht recht umsetzbar.
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In den Nachrichten las ich am Wochenende eine Meldung zum weiteren Ausbau der Wintersportgebiete in Thüringen, es ging da um Kritik, weil es in diesen Regionen künftig eher weniger oder auch keinen Schnee mehr geben wird, der Klimawandel. Der Ministerpräsident von Thüringen wies die Kritik zurück, denn, so sagte er, die Gegend sei eine Legende und außerdem tief in den Herzen verankert und das sei da auch schon seit hundert Jahren Wintersportort. Alle drei Argumente sind ein Fall von „Thema verfehlt“, wie Ihnen vielleicht auffällt, sie stehen in keinem logischen Bezug zur Kritik. Ich finde es von den Medien nicht richtig, solche Argumente ohne Einordnung abzubilden, es hat eine Beliebigkeit, die ich abstoßend finde. Man kann die Argumente immerhin hervorragend übertragen, auf alles. Wir können nicht aufhören, in den Urlaub zu fliegen, denn das Fliegen ist Legende, wir fliegen seit hundert Jahren und es ist tief in unseren Herzen verankert. Wir können nicht aufhören, riesige Fleischberge zu grillen oder Unmengen Benzin zu verbrennen, denn wir grillen und knattern seit hundert Jahren, das Grillen und auch der Geruch von Diesel sind Legende, sie sind tief, so tief in den Herzen verankert. Und immer so weiter. Ich werde auch weiter bloggen, denn ich blogge seit hundert Jahren.
Ach, was rege ich mich auf.
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Ich habe mit einem mathematisch begabten Sohn für eine Arbeit geübt. Es macht mich regelmäßig so fertig, ich möchte mir danach sofort einen schlichteren Beruf suchen. Wege fegen oder so. Aber nur gerade Wege bitte, ohne komplizierte Kurven.
Im Ernst jedenfalls finde ich es immer wieder faszinierend, wie wenig man sich das Denken der anderen vorstellen kann, weil man eben nicht so denkt, nicht so denken kann. Wie ist es denn bitte möglich, bei Multiplikationen im fortgeschritten mehrstelligen Bereich das Ergebnis einfach zu „sehen“? Einfach so? Für mich ein Fall von *hexhex*, für ihn aber: „Äh, ist doch logisch.“ Und er sieht mich an und versteht nicht recht, was ich nun wieder nicht verstehe.
Ich fange dann an
in Reimen zu sprechen
Wie um mich zu rächen
für den Mangel an Talent
den das Kind da benennt,
denn das Denken in Gedichten
das kann er mitnichten.
Und dann fragt er: „Wie machst du das denn!?“, und ich denke halbwegs getröstet: „Wieso, das ist doch einfach.“ So geht es hier zu.
Aber, Begabung hin, Begabung her, das Erbgut ist doch unverkennbar – wir sitzen jedenfalls beide vor den Textaufgaben und rätseln vollkommen unangemessen lange und intensiv, was uns die Autoren denn nun damit wieder sagen wollte und warum denn bloß. Wir beschweren uns dann stundenlang über die unsäglich bekloppte Blödheit der Beispiele, statt etwas zu lernen oder einfach alles stumpf abzuarbeiten, es ist immer wieder das Sequel zu meiner Schulzeit. Wir wissen beide, dass wir da gleich ticken, wir sagen zwischendurch verschwörerisch: „Vater und Sohn, ne.“
Aber es hilft ja nix. Die Textaufgaben sind tief in den Herzen der Schulbücher verankert.
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Diese vermaledeiten Schulbücher aber auch! Ich wusste immer, denen ist nicht zu trauen.
„Vermaledeit“, das kennt die Wortergänzung nicht – hehe! 😉
Die Textaufgaben sollen helfen die Wirklichkeit in Mathematik oder deren Modelle zu übersetzen. Braucht man eigentlich ständig, also als Mathematiker, Physiker oder Informatiker. Für die Sozialwissenschaften reicht dann Statistik. Gut wenn es einer kann, kann man gut brauchen. Ach so, die Textaufgaben in Schulbüchern sind meist ungeeignet, dass zu lernen. Manche sehen auch einfach eine mögliche Lösung. Im echten Leben gibt meist mehr als eine.