In der letzten Woche war ich bei einem Vernetzungstreffen der Hamburger Kulturszene, zu der ich qua Einladung womöglich am Rande zu zählen bin. Es ist alles eine Frage der Perspektive, denn ich hätte das so nicht gewusst, aber es soll mir andererseits auch recht sein, versteht sich. Beim Einlass gab es Namensschildchen, die vorsortiert bereitlagen, in Grüppchen nach Branchen getrennt. Auf meinem waren Bücher abgebildet, ich gehörte also zur Textfraktion. Das Schildchen war gelb, und es gab nur wenige davon, sehr wenig. „An die kommen wir so schlecht ran, an die, die schreiben“, hieß es beim Aushändigen. Die anderen Fraktionen, Film, Bühne, Musik in anderen Farben, sie waren üppig und zahlreich vertreten. Ich stellte mir vor, wie die Textmenschen der Stadt sich zuhause an ihre Schreibtische krallten: Ich gehe da nicht raus. Was ich absolut verstehen kann, ich gehe ja auch nur raus, weil es 2023 ist und ich das jetzt als Jahresmotto halbwegs konsequent umsetze, ich sage zu, ich gehe hin, ich gucke mal. Sachen machen, wie es bei Isa einmal hieß, nur bei mir in einer viel bescheideneren Version und selbstverständlich eher als Zuschauer oder Hörer, nicht als Akteur.
Es gab ein wenig Programm an diesem Abend, eine Podiumsdiskussion und dergleichen, davor und danach aber gab es das, was sich manche Menschen als heiteres Vernetzen vorstellen, ich mir aber nicht, denn so etwas ist unweigerlich mit fremden Menschen verbunden. Problem.
Ich bin darin allerdings auch nicht vollkommen ungeübt und fühle mich außerdem eher wenig dadurch belastet, ich kann mich halbwegs routiniert in einem Raum aufhalten, in dem Horden kontaktwilliger Menschen miteinander reden. Ich kann da mühelos stehen, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Ich suche mir einen Stehtisch und schreibe dann, etwa dieses hier, was Sie gerade lesen, das ist immer eine gute Möglichkeit, nahezu überall kann ich das so umsetzen. Und nach nur etwa einer Stunde ging es dann auch, ich fand tatsächlich eine Bekannte, ich wurde von anderen gefunden, ich wurde schließlich auch von Kennenlernwilligen gestellt und ließ es dann gerne zu. So ist es irgendwann immer und es ist auch okay. Ich brauche nur eine Weile und habe nebenbei stets ein Auge auf den Fluchtweg.
Zwischendurch allerdings fragte ich mich, ob ich mich in den letzten drei Jahren vielleicht seltsam nachhaltig verändert habe, ob ich selbst dieses stark reduzierte Slow Socializing nicht mehr so gut kann, wie ich es früher einmal konnte, ob ich sogar darin während der pandemischen Zeiten stark nachgelassen habe. Ich meine, wir sind doch alle etwas beschädigt, nicht wahr. Denn ich merkte, mir wurde seltsam heiß, regelrechte Hitzewallungen hatte ich, als sei mir die Situation ganz und gar nicht bekömmlich und dabei dachte ich doch, ich wüsste recht gut, was ich kann und was nicht. Man versucht doch immerhin jahrzehntelang aus Erfahrungen zu lernen und bildet sich irgendwann ein, ein wenig über sich selbst zu wissen.
Mir wurde jedenfalls immer heißer, aber es lag nicht an der fragilen Psyche, wie ich dann nach sherlockholmeshafter Prüfung der Gesamtsituation herausfand. Es lag nur daran, dass ich an der Heizung lehnte. Okay.
Ein netter Abend war es, wie ich abschließend fand. Das mache ich wieder, wenn ich noch einmal eingeladen werde. Irgendwo für ein Getränk anstehen, und der Mann neben mir, so höre ich nebenbei, schreibt Opern. Und der vor ihm leitet ein Kino und der andere da ist ein so bekannter Schauspieler, dass sogar ich ihn kenne, und diese Frau da organisiert Theaterprojekte … ich fand das gut und inspirierend. Also inspirierend nicht in dem Sinne, ab morgen größere Projekte anzugehen, aber doch in dem Sinne, sich wieder zu fragen: Was mache ich eigentlich.
Und die Frage schadet ja nicht.
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Im Bild die Kirche vor unserer Haustür, nach wie vor steht die blaugelbe Liebe vor dem Portal im Turm.
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danke auch für die blaugelbe liebe! (hier auch blaugelb versifft.)