18.5., im Heimatdorf der Herzdame und in Hamburg.
Am Donnerstagmorgen erlebe ich erhebliche Irritationen wegen des Datums, denn wir haben, so fällt mir beim ersten Blick auf den Computer auf, offensichtlich die zweite Maihälfte erreicht, was wiederum heißt, dass es gleich schon Juni ist, also auch im Handumdrehen Juli, dann kommt schon der dreiwöchige Sommerurlaub, wie komisch und hopplahopp ist das denn alles, wie geht das nun wieder zu, eben war doch noch Winter. Was haben wir jetzt wieder verpasst, wo waren wir unaufmerksam. Immer diese Jahre, die bis etwa April in nervtötender Zeitlupe ablaufen und dann plötzlich im Handumdrehen in den Herbst kippen. Das Zeitgefühl mal vernünftig linearisieren, das wäre es.
Es ist unser letzter Morgen im Heimatdorf, wir müssen nach Hamburg zurück. Für die Söhne waren das überaus seltsame Ferien (Hamburg hatte in dieser Woche schulfrei, und nur Hamburg, soweit ich weiß), wir haben es uns nicht ausgesucht. Die Herzdame und ich wollten auch in dieser Woche Urlaub haben, frei haben, das kam jetzt anders, und wir waren gründlich mit ungeplanten Dingen beschäftigt. Das war selbstverständlich auch richtig so, ist aber dennoch ein Problem, denn etwas Erholung hätten wir beide gebraucht und vor der nächsten Woche mit ihrer sicher schnell eskalierenden Alltagsverdichtung, mit ihren tausend Terminen, To-Dos, Dienstreisen, Besorgungen und komplexen Sonderaufgaben graut uns erheblich. Da wird sich einiges unangenehm ballen, es ist klar abzusehen. Wenn hier zur nächsten Woche nichts oder kaum etwas stehen wird, wenn es eine Lücke, eine entsetzliche Lücke in der Chronik gibt, wurde ich vermutlich von der Wochenwalze überfahren und liege gründlich geplättet irgendwo herum. Dann bitte einfach warten, bis ich irgendwann wieder normales Format annehme, was im besten Falle von selbst geschieht.
Ich könnte glauben, dass diese nächste Woche in mancher Hinsicht einen Höhepunkt der Belastungen darstellen wird, dass zumindest einiges danach also wieder tendenziell wieder weniger, anderes besser werden könnte. Aber als Gewissheit schreibe ich es lieber nicht auf, ich bin mittlerweile zu oft überrascht worden. Die letzten Jahre waren da recht lehrreich. Natürlich nicht nur für uns, Sie haben es alle gemerkt, es kam zu oft anders, ganz anders. Das habe ich gründlich verinnerlicht.
In der Literaturauswahl bin ich gerade unentschlossen, ich habe im Heimatdorf auch nicht das Richtige dabei. Der Stendhal war zu kurz. Ich höre in einige Bücher beim Streamingdienst hinein, aber es passt mir alles nicht, mal mag ich die Stimme nicht, mal mag ich die Stimmung nicht, mal passt mir der Inhalt nicht. Ich höre in Lyrikanthologien, jedem seine Übersprungshandlung. Es wird da vom Dezember gelesen, Schneegedichte, Winterwald, geh mir weg. Nein, das doch nicht. Dann lieber einfach aus dem Fenster sehen. Felder und Bäume, eine freistehende Eiche am Sandweg, hinten die Birken bei den Pferdeställen, etwas im Wind gebogen, der in diesem Frühjahr einfach nicht aufhören will, immer das Wehen. Dann ein Windrad, ganz hinten das Weserbergland. Landschaft lesen. Auch gut.
Wir fahren nach Hamburg zurück, und wir fahren nur zu dritt, denn ein Sohn fährt tatsächlich lieber mit der Bahn, wie er es angekündigt hat. Mir gefällt das, soll er mal machen.
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Später in Hamburg, nach vollkommen ereignisloser Autobahnfahrt, trotz fast hysterischer Stauwarnungen für ganz Norddeutschland. Im Briefkasten ist keine Post, nicht einmal Werbung, das wundert mich, denn das kann eigentlich nicht sein. Nach etwas Bedenkzeit erst fällt mir ein, dass ich gar nicht wochenlang weg war, sondern nur wenige Tage. Gefühlt war es anders.
Ich gehe nach dem Auspacken und Verräumen der Klamotten und Dinge noch durch mein gewohntes Revier, durch das kleine Bahnhofsviertel und am öffentlichen Bücherschrank vorbei, da steht dieses Buch. Zsuzsa Bánk, Der Schwimmer. Ich nehme es mit, ich lese hinein und der Anfang passt mir gut, das ist der Tonfall, der jetzt passt. Geht doch.
Auf dem Rückweg sehe ich mit Staunen, dass der Blauregen an der Mauer zum Spielplatz nun blüht. So weit schon das Jahr, da denke ich es bereits wieder.
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zsuzsa bank ist großartig, sehr melancholisch und wunderschön 🙂
Oh ja, dieser Mai ging/geht verdammt schnell vorbei. Und dass ich gerade kurz dachte es wäre schon Juni, macht die Sache nicht besser.
Vielleicht haben die Sonnenwenden einen verrzerrenden Effekt auf die Zeit? Ich bin auch regelmäßig Mitte November überrascht, dass ich mich um Weihnachten kümmern muss. Kann ja wohl nicht sein…