Himbeeren und Akelei

Immer noch der 19.5., immer noch der Freitag der letzten Woche, mittlerweile hänge ich also etliche Tage zurück, willkommen in der jüngeren Vergangenheit.

Nach drei Lasteseleinkaufsrunden zu Fuß durch die beiden Standardläden (wobei beim dritten Besuch die eine Kassiererin doch etwas komisch guckte, war der nicht gerade erst hier, kommt der jetzt stündlich oder was, und dann immer diese Mengen?) sind die Küchenschränke wieder voll, Erdnüsse für die beleidigten Krähen gibt es auch reichlich und die Teenager sowie etwaige Besuchsjugendliche werden nächtliche Hungerattacken eine Weile überleben können.

Das Fahrrad ist wider Erwarten doch reparabel, es fährt sich nur etwas seltsam, ruckelt und ist unbequemer denn je, aber egal. Ich fahre dennoch darauf in den Garten und sehe dort nach, was vom Gemüse, für das ich keine Zeit hatte und das dummerweise auch bei eher unpassendem Wetter gepflanzt wurde, überhaupt noch lebt. Das ist überschaubar, ich hatte es befürchtet. Aber es ist doch etwas mehr als nichts. Es wird ein paar Tomaten geben, die Zucchini haben noch eine knappe Chance, der Kürbis allerdings nur noch eine halbe, bestenfalls. Für die Gurken müsste man schon beten, wenn man denn an irgendetwas glauben würde. Kümmerliche Kartoffeln, karger Kohlrabi. Nun ja. Und was da vorne wächst – keine Ahnung. Aber es keimt so gerade in schönen Reihen, es wird schon etwas sein, das ich da planvoll hingestreut habe. Ja mach nur einen Plan. Einfach mal probieren, und guck an, es ist Rucola.

Ein noch kleines, frisch geerntetes Radieschen

Gemeinsamer Gartenrundgang mit der Herzdame. Die Obstbaumschädlinge treiben sie zur Verzweiflung, der Schneckenfraß eher mich. Wir verteilen die Sorgen zwischen uns beiden, denn so geht es zu in der Güter-, Garten- und Wertegemeinschaft.

Die Himbeeren stehen allerdings üppiger denn je, immer nach Möglichkeit auch das Positive beachten. Es wird ein herrliches Himbeerjahr, ein Akeleijahr auch, die blühen gerade überall, selbst dort, wo sie noch nie geblüht haben, und auch in Farben, die wir noch gar nicht hatten. Ein wunderbares Altrosa etwa, wo kommt denn das auf einmal her, es ist erlesen schön. Das ist in Gärten oft so, dass einige Sorten im Frühjahr beschließen, jetzt dran zu sein, und dann eine üppige Spezialsaison hinlegen, dass man staunend vor den Beeten steht: Das war doch hier sonst nicht so. Und schon im Folgejahr machen sie dann wieder einen auf Durchschnitt und Bescheidenheit, blühen bieder und fallen nicht weiter auf. Wenn man so auf sein Leben zurückblickt – vielleicht haben wir auch solche Rhythmen.

Zwei Holzstühle im Schrebergarten

Kreissäge von links, Rasenmäher von rechts. Man müsste sich liebliches Vogelgezwitscher über Noise-Cancelling-Kopfhörer abspielen, um es hier richtig genießen zu können. Und wo ich auch hinsehe, jeder Winkel dieses Gartens sagt: „Man müsste mal“, jede Ecke ruft: „Man könnte mal.“ Ich aber sage, der Mensch braucht auch Pausen, und ich lege mich in der Laube aufs Bett. Frühsommerlicher Halbschlaf, und oben der Wind in der Weide, es regnet Reisig auf die Terrasse. Ohne heulende Motoren von überall wäre es wahrhaft schön.

Ich sehe vor der Rückfahrt noch nach, was alles blüht, ich möchte das monatlich notieren: Milchsterne, die ich immer erst nachschlagen muss, und die ich vor meiner Zeit mit eigenem Garten noch nie bewusst wahrgenommen habe. Die drei Schneebälle, früher Bienenfreund. Der Rhododendron, die Akelei, der Moos-Phlox, der war eine gute Idee, er gedeiht schön. Rosenginster, Besenginster, Immergrün, das sich erfolgreich weiter ausbreitet. Knoblauchrauke, Pechnelke, Hasenglöckchen, wie nett ist denn bitte dieser Name. Salbei in verschiedenen Sorten, Tomaten. Die raumgreifende Katzenminze, Thymian, plötzlich Hunger. Die Aronien, der Flieder, die Magnolie. Himbeeren, Geißblatt, Maiglöckchen, sehr viele davon. Wiesenmargerite, das Silberblatt, das gar nicht silbern ist. Weigelie, kleine Taubnesseln davor, Schöllkraut, Beinwell, Gänseblümchen. Löwenzahn. Letzte Tulpen, schon deutlich schwächelnd, hinfällig, morgen sicher Vergangenheit. Heidelbeeren, Wiesenschaumkraut, und über allem die große, beeindruckende Blütenwolke des alten Weißdornbaumes. Hahnenfuß, Erdbeeren und irgendwas habe ich sicher übersehen, wie immer.

Vielleicht öfter mal nachsehen. Es hat etwas Beruhigendes, so murmelnd durch die Beete zu gehen, bedächtig wie ein schreitender Storch, und dabei Pflanzennamen zu notieren.

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3 Kommentare

  1. Dieses Jahr haben wir Akelei im Himbeerbeet. Ich beobachte nun seit einigen Jahren, dass in manchen Jahren spezifische Pflanzen mehrfach / öfter blühen als in anderen. Zunächst dachte ich das wäre Zufall. Jetzt aber bin ich mir fast sicher.
    Und davon abgesehen, ich liebe es immer noch und genieße regelmäßig ihre ( für meinen Geschmack ) wunderbare „Schreibe“ 🙂

  2. Dieser ist bei uns erstmalig, ebenfalls plötzlich…woher ? … aufgetaucht mitten in der Wiese. Allerdings nur an einer Stelle und nur 2 kleine Pflanzen. Habe mich gefragt wo das hübsche Ding wohl herkommt, da nie vorher gesehen. Toll dass ich hier den link finde 🙂 . Merci !

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