Hölpen bi’t Starven

Sünnavend, de 8. Juli. Der Juli heißt im Niederdeutschen auch Heumoond, aber das Wort kenne ich nicht aus meiner Kindheit. Und der Sünnavend war bei uns auch eher der Sünnahmd, meine ich, aber das fällt regional enorm unterschiedlich aus. Mein Platt war das Lübsche mit Mecklenburger Einschlag, schon in Ostholstein findet man anderes Vokabular und andere Betonungen. Egal, man versteht sich. In der Gegend der Herzdame allerdings, in Nordostwestfalen, da verstehe ich längst nicht mehr alles, andere Betonungen, andere Vokabeln, das ist dort zu weit weg von der Küste, jedenfalls für mein Sprachgefühl.

Wie komme ich darauf – ich sehe oder höre mir im Moment wieder gelegentlich Nachrichten auf Plattddeutsch an. Es ist beruhigend, es ist heimatlich, es ist nostalgisch und vieles wird besser, wenn ich es durch das Empfinden dieser anderen Sprache betrachtet. Sie wissen vermutlich, dass sich der Mensch je nach Sprache stark ändern kann, bis hin zum Hervortreten anderer Charakterzüge (ich kannte tatsächlich einen enorm drögen Norddeutschen, der erstaunlich entflammbar wurde, wenn er Spanisch sprach), und im Wesen des Plattdeutschen liegt nun einmal mehr Unaufgeregtes als im Wesen des Hochdeutschen. Man denkt niederdeutsch langsamer, was nicht negativ zu werten ist, man könnte auch sagen, man denkt cooler. Die Sprache ist so.

Sehen Sie einmal hier: „Bunnsdag (das Wort schon! Ist es nicht großartig?) will ne’e Regeln to’t Hölpen bi’t Starven fastleggen.“

Der Bundestag will neue Regeln für die Sterbehilfe festlegen.

Schall ick di helpen bi’t Starven? Also wenn das nicht etwas hat.

Quelle hier.

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Mich erreichte außerdem der freundliche Hinweis, dass es bezüglich des hier oft erwähnten Jahres 1923 gerade eine Ausstellung in der so bequem benachbarten Kunsthalle gibt, da also demnächst auch mal hingehen.

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Es ist ansonsten ein Tag, an dem sowohl die Herzdame als auch ich bemüht sind, und zwar stundenlang bemüht sind, gewisse Angelegenheiten des Nachwuchses organisatorisch zu regeln. Weil da nun einmal Bedarf besteht, ohne ins Detail gehen zu wollen oder zu dürfen. Wir googeln Wege und Verbindungen, wir geben telefonische Anweisungen und retten zugeschaltet Situationen, wir haben einen seltsam kurios und sketchhaft anmutenden Dauereinsatz, es wird mit jeder Stunde immer absurder und es killt mit fast gezielt wirkender Konsequenz das, was wir eigentlich heute vorhatten.

Wir gönnen uns ein wenig Verzweiflung und machen weiter, was sonst.

Ich hätte heute besinnlich arbeiten wollen, es war ein ausgesucht perfekter Tag dafür, es hat nicht sollen sein.

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Und hier noch eben ein heiter anmutendes Update vom Klimawandel, ich zitiere nach dem ZDF-Newsticker: „Immer mehr Strandkorb-Verleiher an den Ostseestränden der Lübecker Bucht geben sich einen tropischen Touch. Palmen säumen den Weg zu den Strandkörben, an einigen Stränden erinnern auch reetgedeckte Sonnenschirme und Liegen an südlichere Gefilde. „Wir lieben Palmen, und wir möchten gerne den Leuten noch ein bisschen mehr Urlaubsgefühl geben“, sagte Natascha Diestel-Babakerd vom „Strand 36“ in Timmendorfer Strand. In den sozialen Medien kommen die Palmen gut an. Die Fotos mit „Südseefeeling“ würden häufig gelikt, hieß es.“

Was soll man noch sagen.

Ansonsten ein warmer, fast heißer Tag. Ich mache am Abend wieder einen Untergrundspaziergang, ich gehe in den Stationen einfahrenden U-Bahnen entgegen und stelle mich in die tunnelkühle Luft, die sie vor sich herschieben. Schön ist das.

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3 Kommentare

  1. Uuups – plötzlich erscheint die englische Vokabel „to starve“ – also (ver)hungern – in ganz neuem Licht! Solche sprachlichen Zusammenhänge zu entdecken, finde ich immer wieder spannend.
    Für die notwendigen Regelungen beim Nachwuchs wünsche ich stabile Nerven, gutes Gelingen und vor allem gute Lösungen!

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