Sonntag, der 6. August, in der Laube.
Am Morgen gelesen: Wieso die deutsche Wirtschaft nicht in der Krise steckt.
Ich bin kein VWL-Experte, finde viele Krisenberichte aber zurzeit ganz erstaunlich flach, also so flach, dass sogar mir sofort Gegenargumente einfallen und ich denke, das sollte so nicht sein. Deswegen hier der Link zur abweichenden Meinung, die ist auch einmal interessant. Faszinierend finde ich auch, wie sehr einzelne Argumente aus den Wirtschaftsmeldungen und Schlagzeilen oft im Smalltalk als Verankerung für politische Positionen genutzt werden, das ist womöglich auch ein Mechanismus, der besonders in diesem Land gut funktioniert. Also der Autoindustrie geht es schlecht (was schon einmal ein sehr schwaches Statement ist, aber egal), daher müssen wir jetzt … und dann kommt ein Parteiprogramm. Erstaunlich.
Und über die posttraumatische Belastungsstörung der Gesellschaft. Ich sehe einen deutlichen Bezug zur Lage hier im Stadtteil, wenn nicht sogar in der Familie, in der Timeline etc. Und um bei der Wortwahl zu bleiben, die ich hier im Blog oft verwende, geht es nach Hurrelmann bei der Bewältigung des Ganzen also nicht nur ums Weitermachen, sondern um gelingendes Weitermachen. Vielleicht sollte ich meine Formulierungen auch dahingehend überprüfen, immer lernfähig bleiben.
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Am Morgen ist es in der Laube gerade eben warm genug, dass ich nicht frierend am Tisch sitze. 15 Grad sind es draußen, vermutlich auch drinnen, die Fenster waren geöffnet. Mit einem Kaffee in der Hand geht es, der Sandwichmaker glüht auch schon vor. Der Sohn schläft lange, ab und zu dreht er sich knurrend um. Er scheint gerade zu wachsen, jedenfalls leite ich das aus der Tatsache ab, dass er gestern drei Hauptmahlzeiten und danach ein halbes Vollkornbrot gegessen und spätabends dann noch die Laube nach Essbarem abgesucht hat, ich hörte es im Halbschlaf. Da muss man dann vermutlich auch lange schlafen, um alles in Ruhe zu verarbeiten.
Ich sitze am Tisch und tippe mich warm. Regen auf dem Dach, leises Taubengurren aus der alten Weide, selten nur eine verhalten zeternde Meise in der Magnolie, die wie immer als erster Baum im Garten schon ein paar gelbe Blätter hat, sie streicht besonders früh im Jahr die Segel. Die Amsel vom Dienst huscht lautlos über den Rasen vor der Hütte und sucht Würmer, ernst und emsig, ohne Zeit für Unterhaltungen. Eine Rabenkrähe landet gerade auf dem Dach, ich sehe ihren Anflugschatten aus dem Augenwinkel, ich höre ihre hüpfenden Schritte über mir, wie ein sachtes Abtasten der Dachpappe.
Um halb zehn höre ich Kirchenglocken, ich weiß gar nicht genau, woher die genau kommen, die Töne wehen aus West heran. Der Regen hört auf, ich setze mich vor die Laube. Aus dem Apfelbaum fallen mir zwei reife Äpfel auf den Tisch und möchten bitte gegessen werden, es geht hier schlaraffig zu. Auch auf dem kleinen Tisch neben der Hollywoodschaukel liegt schon Obst für mich bereit, von den Bäumen freundlich dort abgelegt.
Mehr passiert nicht, und das ist auch schön. In der Ferne, um einen alten Gag aufzugreifen, bellen währenddessen immer Hunde, muss man sich vorstellen, da das Tierheim nicht weit entfernt liegt. Je nach Wind hört man es mehr oder weniger laut. Das Tierheim ist gerade voll, lese ich später, rappelvoll, es werden keine Tiere mehr aufgenommen. Das gab es noch nie, so steht es in den Artikeln, eine Folge der Coronajahre und der Sommerferien.
Ich gehe die Blogtexte für die letzten sieben Tage noch einmal durch. Das ist nun seit etlichen Wochen mein Morgenritual und es hat sich bewährt wie kaum ein anderes. Ich habe mich selten sortierter gefühlt, ich werde für mein Gefühl immer besser darin, mir mein Leben zurecht zu schreiben, und ich halte es mittlerweile für eine herausragende Maßnahme der Psychohygiene, für Therapiesurrogatextrakt. Ich denke über die nächsten Kolumnen nach, ich denke über andere Texte nach, es ist ein ausgesprochen entspannter Morgen vor dem ersten Werktag nach dem Sommerurlaub. Vermutlich war es eine gute Entscheidung, hier im Garten zu schlafen, trotz des eher schlechten Wetters. Die Herzdame, die es vorgeschlagen hat, wird wie fast immer richtig gelegen haben. Sie wiederum ging aus und schlug sich die Nacht um die Ohren, tanzend hoffentlich, und das wird für sie auch richtig gewesen sein.
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In den Foodblogs und in den Bäckereien sehe ich bei der Morgenlektüre die Pflaumenkuchen. Das Jahr schreitet voran, ich sehe auch erste Kürbis- und Muschelrezepte.
Es gibt bei uns später Kartoffel-Kohlrabi-Suppe (eigene Ernte, eh klar).
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„Hamburg ist eine kühle regnerische Stadt, die wo im Norden liegt.“ Ingeborg Bachmann in einem Brief an Max Frisch, 3. Juli 1962. Das hat sie damals gegenüber im Hotel Atlantic geschrieben, wenige Meter von dem Sofa entfernt, auf dem ich gerade sitze und die letzten Zeilen dieses Textes schreibe.
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Wenn es denn dafür begabte Filmemacher gäbe in D, ein Drehbuch aus dem Hause Buddenbohm mit dem Titel „Laube, Liebe, Hoffnung“ würde eine schöne RomCom als Sommerblockbuster hergeben.