Die alten Märchen weiter glauben

Freitag, der 15. September. Ich bin mit den Helgolandberichten noch nicht fertig, ich überlege beim letzten Text aber gerade, ob er hier oder anderswo erscheinen soll. Zu lesen bekommen Sie ihn so oder so. Demnächst.

Die Landungsbruecke auf Helgoland unter einem wolkigen Himmel

Die Timeline – ich hole in Kürze auch wieder zur Gegenwart auf – ist voller Oktoberfest-Aversion und ich lerne dabei eher unfreiwillig, was es mit dem Dirndl in der NS-Zeit auf sich hatte. Wieder eine nachjustierte, teilerfundene Tradition also, und zufällig sehe ich dann noch kurz darauf auf Tiktok ein Video, in dem die kollektive Fehlannahme erläutert wird, man hätte im Wilden Westen so etwas wie Cowboyhüte getragen. Was kommt noch, haben die Hanseaten am Ende früher gar keine seriösen Geschäfte gemacht? Nicht auszudenken. Alles hat man uns falsch beigebracht, alles. Es gibt im Internet Zusammenstellungen von dem, was seit der eigenen Schulzeit wissenschaftlich als überholt gelten muss, fein säuberlich nach Jahrgängen sortiert. Diese Seiten lieber auch nicht ansehen, die guten, alten Märchen immer weiter glauben. Irgendwas muss Bestand haben im Leben, und seien es die Irrtümer. Boomer verstehen das.

Ich habe außerdem zu danken, und zwar einerseits wieder für den Beitrag der Leserinnen, etwaige Leser sind hier stets mitgemeint, zu den Helgolandtexten, denn die Herzdame und ich haben die Überfahrten zur Insel und zurück mit dem Katamaran von den Trinkgeldern im Blog bezahlt. Sehr hilfreich war das, ganz herzlichen Dank! Ich bleibe im Moment dabei, dass ich alles, was da hereinkommt, und was nicht ausdrücklich per Betreff anders gemeint ist, für Reisen und Ausflüge verwende. Andererseits danke ich auch für die Zusendung eines Buchs, nämlich der jahreszeitlich passenden Herbstgeschichten von Cechov, dessen Sonderzeichen ich nach wie vor nicht hinbekomme. Es wird mir ein Fest sein, sie zu lesen, wenn die Blätter fallen, und das tun sie hoffentlich verdammt bald. Merci bien!

Das Buch "Späte Blumen - Herbstgeschichten" von Cechov

Es ist ansonsten der Tag der großen Demonstrationen in mehreren Städten. Fridays for Future. Ich habe keine Zeit dafür, leider habe ich heute überhaupt keine Zeit für so etwas. Selbstverständlich gehe ich aber dennoch hin, denn man hat ja nie Zeit für irgendwas und muss also Prioritäten setzen. Die Herzdame und ich gehen gemeinsam dahin, wir stehen da, wir hören zu, wir laufen dort mit, gemeinsam mit etwa 22.000 Leuten. Wie immer schwanken die Angaben, wie viele es wirklich waren, je nachdem ob man die Polizei oder die Veranstalterinnen berichten lässt. Egal.

Es gibt einen kurzen Auftritt von Grönemeyer, der mich überrascht, weil er beim Gesang genau so klingt wie damals, und wann war denn dieses Damals überhaupt, als wir ihn alle erst kennengelernt haben. Moment, ich sehe eben nach, es war 1984, das Jahr von 4630 Bochum, die Älteren erinnern sich. Ich kann es gar nicht fassen, er klingt tatsächlich immer noch so. Beeindruckend. Ich sehe nach, er ist nur zehn Jahre älter als ich. Damals kam er mir viel älter vor, aber das ist wohl normal, denn wenn man Kind ist, sind alle Erwachsenen ziemlich alt.

Wir stehen mitten in der Menge und sehen zu, die Herzdame lehnt an einer Laterne. Ein junger Mann schiebt sich durch die Menge und direkt auf uns zu, er geht an der Herzdame vorbei und raunt ihr zu: „Du siehst aus wie aus Matrix.“

Das ist jetzt sieben Tage her, und sie denkt immer noch darüber nach.

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Sie können hier Geld in den allerdings nur virtuell vorhandenen Hut werfen, herzlichen Dank! Sollten Sie den konventionellen Weg bevorzugen und lieber klassisch etwas überweisen wollen, das geht auch, die Daten dazu finden Sie hier. Wer mehr für Dinge ist, es gibt auch einen Wunschzettel.

8 Kommentare

  1. Nun, das C mit Hatschek schreibt man im HTML entweder als Č (Č) oder als Č (Č) … (Mittlerweile kenne ich viele der Sonderzeichen, auch das nützliche breitenlose Leerzeichen.)

  2. Guten Morgen, interessant diese Zusammenstellungen der Irren und Wirren des Schulzeitwissens, haben Sie evtl den Link zur Hand?

    Viele Grüsse

    Susanne

  3. Meine mich zu erinnern, dass es darum ging, dass es so etwas geben müsste…! Traue meiner Erinnerung aber selbst nicht ganz.

  4. Ich nenne sie Pluto-Momente. Wenn ein Planet nicht mehr Planet sein darf? Was denn noch? Es war eine große Beschädigung. Wir sind ja derselbe Jahrgang. Mich würde als DDR-Sozialisierter schon interessieren, welche Ge-wissheiten bei euch drüben so flöten gingen.

  5. Kann gar nicht sein, dass Sie auf der Demo waren! Sie wären mir doch aufgefallen!

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