Festspiele der schlechten Laune

Dienstag, der 24. Oktober. Ein ausgesprochen grauer Tag, Festspiele der schlechten Laune im Spiegel, in der Wohnung, in den Timelines, in den Nachrichten sowieso. Home-Office der zähen Art. Das Wetter passend dazu arrangiert, Großstadtgrau in der bleiernen Standardversion. Ich organisiere am Nachmittag meiner nicht mehr sehr beweglichen Mutter neue Glühbirnen für zwei Lampen, das war das vermutlich Erhellendste des Tages.

Ich schaffe es an diesem Tag nicht einmal, bei Tageslicht etwas zu fotografieren, ich bin auch gar nicht sicher, ob es zwischendurch wirklich hell war, daher gibt es nur die abendliche Spiegelung der Uhr am Turm des Hauptbahnhofs in lackschwarzer Pfütze auf dem Vorplatz. Man nimmt, was man kriegen kann.

Uhren am Turm des Hauptbahnhofs spiegeln sich in einer abendlichen Pfütze auf dem Bahnhofsvorplatz. ein sehr dunkles Bild

Am Abend lese ich noch ein wenig in Bukowskis Briefen, während mir Spotify ein Lied von Bill Callahan zushuffelt, und er singt da gerade:

„Well the only words I’ve said today

Are “beer” and “thank you”

Beer

Thank you

Beer

Thank you”

Und wie passend zur Lektüre ist das denn. Allerdings habe ich kein Bier im Haus, um den Moment weiter harmonisch auszugestalten. Irgendwas ist immer, und zu viel Bukowski ist auf Dauer auch nicht gut. Man möchte irgendwann gerne wieder jemanden lesen, der nicht in jedem zweiten Satz seinen Suff betont.

Mittwoch, der 25. Oktober. Ich sehe am Morgen, dass einer der großen Kioske im Hauptbahnhof neuerdings erst um 10 öffnet, also wenn der Andrang in die Büros etc. schon durch ist. Ein merkwürdiger Anblick, dieser dunkle Kiosk, jahrelang habe ich da früher, also ganz früher, morgens Zeitungen gekauft, es war ein Kiosk, der zu meinen Zeiten, wenn ich da vorbeikam, immer offen war, eine verlässliche Sache. Jetzt aber der Personalmangel, direkt neben den neuen Öffnungszeiten wird auf einem weiteren Aushang nach Mitarbeiterinnen gesucht.

Dann Office-Office. Hin- und Rückweg durch Oktoberpostkarten, jetzt doch einmal, es geht zweifelsfrei als schöner Herbsttag durch, was die Szenerie heute zu bieten hat.

In der Bäckereikettenfiliale auf dem Weg gibt es nun wieder Baumkuchen, mit weihnachtlich dunkelrot eingefärbtem Preisschild. Direkt daneben Kuchenstücke, auf deren weißem Zuckerguss mit Schokolade lustig sein sollende Halloween-Fratzen gekleckst wurden. Mit Backwaren durch das Jahr.

Die Krähe kommt jetzt auch zu den Erdnüssen im Blumentopf, wenn ich noch auf dem Balkon sitze, nur gerade eine Armeslänge entfernt, ich merke es am Nachmittag. Ein prüfender Blick aus tiefschwarzen Vogelaugen, lange. „Nimm ruhig“, sage ich leise, und das macht sie dann auch. Drei, vier Nüsse auf einmal, kunstvoll und mit System in den Schnabel geschichtet. Eichelhäher und Elstern machen das nicht, die picken jeweils nur eine Nuss im kaum gestoppten Vorbeiflug hektisch auf, mehr auf Eile und ihre maximale Sicherheit als auf alles andere bedacht. Während die Ringeltaube immer wieder lange vor den Nüssen sitzt, diese schräg und wie verwundert ansehend, als würde sie sich permanent fragen: „Wie ging das noch, wie ging das noch?“ Und die Kohlmeisen können sowieso nicht mehr als eine Erdnuss auf einmal tragen, es ist für mich ein Wunder, dass sie das überhaupt schaffen, ein immer wieder erstaunlicher Anblick.

Die Krähe aber legt sich die Nüsse sorgsam zurecht, überlegt, versucht, sortiert sie wieder um, erarbeitet sich ein System. Und fliegt dann mit maximiertem Ergebnis davon, auf das Dach der Kirche, um in Ruhe zu essen.

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Gelesen: Brandenburg trocknet aus.

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2 Kommentare

  1. Ach, Ihre Berichte von den Krähen wärmen mir das Herz. Seit wir in diesem Einzelhaus wohnen, haben wir nun noch Dohlen, dafür aber viele. Die sind noch mal anders. Man merkt, dass sie sich an einen gewöhnen und „zutraulicher“ werden. Aber sie kommen am liebsten in der Gruppe, erst sehr leise alles erkunden, und dann laut rufend, „Leute kommt, hier gibts was!“. In der Großstadt habe ich in der vierten Etage auch Rabenkrähen gefüttert. Die warteten morgens schon auf dem Dach gegenüber.

  2. „Die Stimmung hatte ein Loch gegraben, das dann von Spotify wieder zugeshuffelt wurde.“
    Die vergeßliche Taube, ich liebe sie. (Muß demnächst mal wieder so einen Taubenfilm machen.)

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