In der Nostalgiesuhle

Freitag, der 27. Oktober. Ich bin einer aus den letzten geburtenstarken Jahrgängen, und ich habe bisher etwas unterschätzt, wie überaus seltsam dadurch meine letzten etwa neun, zehn Berufsjahre ausfallen werden, in denen ich nun im Posteingang so oft Mails habe, in denen Abschiede in die Rente geplant oder angekündigt werden, Geschenke organisiert oder letzte freundliche Wünsche an die Bleibenden verteilt werden. Es ist in der hohen Frequenz doch etwas seltsam, jedenfalls wenn man in einer großen Firma, in einem Konzern arbeitet, in dem sich übergreifende Trends unweigerlich spiegeln. Wie häufig sich aber parallel auch in meinem freiberuflichen Erwerbsanteil Ansprechpartnerinnen etc. in die Rente verabschieden und guck, zwei, drei meiner Ärzte gibt es auch schon nicht mehr und wie seltsam es nebenbei bemerkt ist, dass sogar meine große Schwester schon in Rente ist …

Ich erinnere mich an mehrere Jahre in Folge, viele waren es sogar, da habe ich keine einzige Verrentung um mich herum erlebt, man kann es sich schon kaum noch vorstellen. Aber das Thema gab es über lange Strecken meines Berufslebens gar nicht. Dann hat doch einmal eine Kollegin die Altersgrenze erreicht, und es war tagelang Firmengespräch, eine Frau ging ganz im Ernst in Rente, wie abgefahren und originell war das denn, ein so überaus seltenes Phänomen. Und jetzt also dieser Hockeystick in der Kurve, es ist wirklich beeindruckend. Ein ganzes Ensemble verabschiedet sich über Jahre hinweg. Der Letzte macht das Licht aus, ich habe den Scherz mittlerweile nicht nur einmal in Bezug auf mich gehört. Die große Boomerdämmerung, und ich sehe das Stück also mutmaßlich ganz.

Ich werde noch eine brauchbare Einstellung dazu finden müssen, merke ich, aber so weit bin ich noch nicht. Es ist für mich noch ein eher mühsames mentales Gebastel, es ist bisher bloßes Stückwerk, ich stehe dem bisher etwas ratlos gegenüber. Aber gut, es ist auch eine Erfahrung, die keine Generation vor uns in dieser Ausprägung gemacht hat, es ist neu für uns alle. Wir üben das noch ein und das Stück, das weiß man, wird danach so schnell auch nicht wiederholt. Es wird also vollkommen ausreichen, nehme ich an, wenn wir das einfach als Improtheater durchziehen.

Im Bild dazu halbwegs passend die Jukebox in der Oldtimertankstelle, in der ich neulich mit der Herzdame war. Eine Tanke, die baulich noch den 50ern des letzten Jahrhunderts entspricht, man kann dort Kaffee und Kuchen bekommen, meist auch alte Autos ansehen und sich wohlig in Nostalgie suhlen. Kompatibel mit den „Weißt-du-noch-Gesprächen“ in den Büros, wenn wir wieder in grauhaarigen Grüppchen von der Schreibmaschinenzeit faseln.

Die Titelauswahl einer Jukebox, mit Songs von Ted Herold und Bill Haley.

Ein Teller mit einem Stück Kalter Hund und einer Tasse Espresso

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6 Kommentare

  1. „… und guck, zwei, drei meiner Ärzte gibt es auch schon nicht mehr “ Das ist eine Erfahrung, die ich mit meinen 72 Jahren auch schon oft in den letzten Jahren gemacht habe. Im Alter sich einen neuen Arzt suchen und ein Vertrauensverhältnis zu ihm aufbauen, ist nicht mehr so einfach. Deshalb vielleicht rechtzeitig daran denken, sich „jüngere“ auszusuchen, bei denen man voraussichtlich bis zu seinem Lebensende bleiben kann.

  2. Und ich nehme ein Stück Kalter Hund, erinnert mich an Kindergeburtstage in den ’50ern. Absoluter Höhepunkt!
    Eine edlere Variante davon habe ich vor ein paar Jahren für die Enkelkinder angefertigt – angeblich der Lieblingskuchen von Prinz William – und der schmeckte vorzüglich.

  3. Oh ja! Ich erinnere mich daran, wie die erste Person in meiner Firma in Rente ging. Eine Sensation! Aktuell kann man immer noch alle Menschen, die jemals in Rente gegangen sind, aufzählen (die Firma ist nicht sehr groß und nicht sehr alt), aber ungefähr in 5 Jahren werden sich die Abschiede häufen…

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