24.12. Die Hochwasserlage im südlichen Niedersachsen, von Nordostwestfalen aus also um die Ecke, spitzt sich weiter zu, lese ich am Morgen in den Nachrichten, in einigen Städten werden Sandsäcke ausgegeben. Wie außerordentlich grässlich, Weihnachten damit zuzubringen. Währenddessen regnet es immer weiter und wird nicht recht hell, es ist ein betont langsamer Tagesanfang.
Ich lese ein Buch, das merkwürdig gut hinter den Großen Gatsby passt, so gut sogar, als hätte ich es bewusst danach ausgesucht, was allerdings nicht der Fall ist: „Die Ziellosen“ von Anthony Powell, Deutsch von Heinz Feldmann. Ein Bericht aus einer sehr fernen, schon unwirklich wirkenden Zeit, ich habe Spaß. Es gibt von Powell auch noch den zwölfbändigen Romanzyklus über den Niedergang der britischen Oberschicht von 1920 bis 1960 (“Ein Tanz zur Musik der Zeit“), jedenfalls deckt er ungefähr diese Zeit ab, evtl. habe ich also noch mehr vor. Ich bin vor einiger Zeit dabei am Einstieg gescheitert, aber vielleicht mache ich noch einen zweiten Versuch.
Ich lese nicht ausreichend deutsche Gegenwartsliteratur, um zu wissen, ob schon fleißig und in epischer Breite der Niedergang der deutschen Wohlstandsgesellschaft beschrieben wird, ein Thema, das sich zweifellos gerade anbietet. Läuft in dieser Angelegenheit bereits ein Großprojekt? Wobei so etwas wie ein ausufernder, good old Romanzyklus dabei vielleicht längst nicht mehr das Mittel der Wahl ist, aber ich bin da gar nicht orientiert. Nun, vielleicht schreibt der Herr Gerhard Henschel seine Martin-Schlosser-Romane noch bis in die Gegenwart fort, dann wäre das umfassend erledigt und alle anderen können sich entspannt zurücklehnen. Das passt dann sicher so.
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Wir holen am Nachmittag ein weiteres Familienmitglied in Minden ab. Die Weser hat dort, so sehen wir, heute Amazonasambitionen. Sie ist weit, weit über die Ufer getreten, macht einen ausgedehnten Landausflug und ist gerade kurz davor, einen Zirkus zu verschlucken, der seine Zelte auf einer Wiese nicht weit vom Ufer aufgeschlagen hat. In den Nachrichten laufen die Berichte der Feuerwehren und Behörden aus den benachbarten Landkreisen, und es regnet immer weiter und fort.
Auf dem durchweichten Acker neben dem Haus der Eltern der Herzdame sehen wir dann gleich drei Störche, sie staksen langsam durch den Schlamm. Man hat es in manchen Zugvogelkreisen in den Zeiten des Klimawandels nicht mehr so mit der mühseligen Reise in den Süden. Es sind 12 Grad draußen, das passt schon, damit kann man im norddeutschen Dezember zurechtkommen.
Weihnachten findet dann ungeachtet des Wetters dennoch in gewohnter Weise statt, mit fast allem, was so dazugehört. Nur der Schwiegervater fehlt zum ersten Mal und ist nur noch auf Fotos anwesend. Wir stellen außerdem fest, dass alle Kinder der erweiterten Familie mittlerweile so groß geworden sind, dass die Sitzgelegenheiten im Haus nicht mehr für alle reichen. Früher saßen die zur Bescherung auf dem Boden, die Kinder, krabbelten wuselnd unter dem Baum herum oder kuschelten irgendwo auf einem Schoß, heute wundern sich die Teenager über den Mangel an Stühlen und Sesseln. Wir suchen Hocker und dergleichen zusammen.
Die Zeiten ändern sich und man improvisiert dann so herum, das gilt im Privaten wie auch im Rest der Welt.
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