Sowohl bei der Kaschnitz als auch bei Andersch wird der Schock noch Choc geschrieben, damals in den letzten Sechzigern, während wir heute bei dieser Silbe nur noch an Schokoladenzusätze in irgendwas denken. Faszinierend.
In den Tagebüchern der Kaschnitz ansonsten eine unfassbare kulturelle Dichte mit schneller Folge von Theater, Oper, Konzert, Vernissage, Lesung, Museum, Kirchenbesichtigung etc. in einer Frequenz, die einen in unseren terminreduzierten postpandemischen Zeiten doch etwas atemlos zurücklässt. Meine Güte, war das anders.
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Die Kaltmamsell im unteren Teil des Textes mit Mutmaßungen über Autobesitz, auch interessante Kommentare dazu.
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Ich fahre, nachdem der vorerst letzte Sturm der Januar-Reihe eilig weitergezogen ist, kurz in den Garten. Hohe Bäume in der Kolonie und starker Wind in der letzten Woche, es ist eine riskante Kombination, da kann da immerhin dies und das passieren, man muss doch einmal nachsehen. Die Luft ist weiterhin frühlingshaft in der Stadt und nach den durchjagenden Tiefdruckgebieten wirkt alles gut durchgelüftet und angenehm aufgefrischt. Zum ersten Mal in diesem Jahr kommen mir Menschen entgegen, die nur Pullover tragen, keine dicken Outdoorjacken mehr. Und es sitzen auch wieder Menschen in den offiziell noch abgebauten Außengastrobereichen, nur improvisiert bestuhlt und vor fest umklammerten Heißgetränken, aber immerhin. Es geht los, es werden Gesichter und dunkle Brillen in die Sonne gehalten.
Es sind auch wieder ansatzweise Gerüche in der Luft und überhaupt hat alles auf einmal eine seltsam andere Anmutung. Die Gärten auf der Insel sehen fast so aus, als könnte man schon wieder etwas tun, etwas arbeiten, etwas richten, als könnte man nach einem Spaten greifen und dann …. oder doch bald.
Ich sammele Unmengen von Reisig vom Rasen, die dünnen und dürren Zweige der Birke, auch die verschnörkelten Zweige der korkenzieherartigen Weide, die der Wind in tagelanger Arbeit aussortiert und so überaus großzügig verteilt hat. Immer denke ich dabei an Märchen, wenn ich Reisig sammele, denn so etwas kommt da oft vor. Menschen geraten beim Reisigsammeln gerne immer tiefer in den Wald oder anderweitig fatal vom Weg ab, werden dann von zauberischen Wesen angesprochen und finden sich nur zwei Sätze später schon in die absonderlichsten Geschichten verstrickt. Auf unserer Parzelle allerdings kann ich kaum vom Weg abkommen und ob die mich beobachtende Kohlmeise in der Felsenbirne neben mir ein zauberisches Wesen ist, na, ich weiß nicht recht. Die Blaumeise sieht mich an, während ich das denke, lacht laut auf und fliegt weg.
Vorne im Gemüsebeet noch die beiden Kohlrabiknollen, die im Herbst stehengeblieben sind. Etwas unheimlich sehen sie nun aus, nachdem sie den Winter im Freien verbracht haben. Schrundige Schädelgeschwulste, bleich mit dunkelschorfigen Stellen. Wie etwas aus dem Anatomieatlas, das man sich nicht allzu gerne länger ansehen will. Diesen zwei Köpfen möchte man auch lieber nicht bei Vollmond begegnen, schon gar nicht beim Reisigsammeln, deswegen mache ich das tagsüber.
Vor der Laube aber sehe ich die ersten maigrünen Frühblüherspitzen, immerhin schon zwei, drei Zentimeter aus der Erde guckend. Aus dem Raum Köln werden währenddessen bereits blühende Krokusse gemeldet, sehe ich bei Wibke Ladwig. So weit sind wir hier noch lange nicht, unser Garten ist stets windkalt und etwas hinterher. Aber die Knospen der Kornelkirsche, sie sehen programmgemäß und wie immer im Januar schon nach viel weiter fortgeschrittenem Jahr aus, die Magnolie wird das sicher in Kürze nachmachen. Ich sehe eben nach: Check, alles in Vorbereitung, der Februar wird der März sein, alles ändert sich.
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Auch in der Bücherei gewesen, noch mehr Kaschnitz und auch Andersch geholt.
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Im Bild frischgrünes Moos auf einem Brückengeländer in Hamburg-Hamm.
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„Empört euch der Himmel ist blau.“
Auch Andersch, allerdings Lyrik.
Teils ein wenig schräg, teils hervorragend.