Mit fragendem Blick nach oben

Teile des Landes gingen wieder derartig im Regen unter, dass von neuen Rekorden die Rede war. Die Medien schrieben immer noch und immer wieder von „Jahrhunderthochwasser“ und kaum jemandem schien etwas aufzufallen, (hier Frau Büüsker wie immer lesenswert über Hochwasserschutz). In Hamburg waren die Niederschläge der letzten Tage eine eher flickenteppichhafte Veranstaltung. Es schauerte prompt an unserem Garten vorbei, es gewitterte weitläufig um den Garten herum. Es nieselte auf der anderen Seite der Bille und es schüttete zu weit nördlich in der Stadt, da dann prompt als Starkregen.

Von einer fairen Verteilung der Niederschlagsmenge übers Stadtgebiet konnte keine Rede sein. Es schien eine Art Glückspiel zu sein, und das richtige Los hatten wir diesmal nicht. Einmal sah ich Regen, der ein paar Parzellen vor unserer aufhörte, wie abgestellt. Nur als ich kurz zuhause Wäsche auf den Balkon zum Trocknen stellte, da gab die eine Wolke über mir nach. Es war dermaßen erwartbar.

Man möchte man wieder alles persönlich nehmen, mit fragendem Blick nach oben und klagenden Gedanken. Man versteht in solchen Momenten intuitiv, wie Religionen einst entstanden sind. Das Numinose als Beschwerdeannahmestelle gedacht, viel mehr Theorie braucht es vermutlich nicht und ein großes Stück der Menschheitsgeschichte ist schon bündig erklärt.

Ich setze ein paar vergessene, längst allzu langstielig vorgekeimte Kartoffeln im Beet nach, die wir noch in der Laube gefunden haben. Ich sehe dabei, dass der Boden nur zweifingerbreit von kurz durchwehendem Regen angefeuchtet wurde. Darunter ist alles staubtrocken, pulveriges Erdmehl. Und im Rasen um mich herum sitzt der Gilb.

Unsere Regentonnen sind leer und die Radieschen hatten während des Wachstums in den letzten Wochen nicht genug Wasser, man schmeckt es. Die Bitternis des versäumten Gießens, da geht es auch um den Fleiß und den Einsatz der Gärtnerinnen. Man verzehrt das Ergebnis der Handlungen, die man unterlassen hat. So ein Garten kann zu seltsam anmutenden Sätzen führen, aber wie für alle Gartenmetaphern und -bilder gilt auch hier, dass alles übertragbar ist.

In der Kafka-Biografie lese ich, dass er sich auch mit so etwas intensiv beschäftigt hat. Mit Gemüseanbau, mit Obst und Gärten, mit der Landwirtschaft etwa, die seine Schwester Ottla betrieb. Das habe ich nicht gewusst. Ich hatte ihn als Bild eher ausschließlich im Büro, an einem Schreibtisch in städtischer Umgebung im Sinn. Jetzt kann ich ihn mir auch am Beet vorstellen, beim Gießen, beim Jäten. Kafka in den Kartoffeln, warum auch nicht.

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