Dennoch

Am Sonntag haben wir das erste Mal einen Sohn zum Wählen geweckt. Geschichte findet auch in Familien statt und ich begrüße das demokratische Teilnehmen ab 16.

Auch wenn ich es mehr als erstaunlich finde, wie leicht es die anderen Parteien den Rechten gemacht haben, bei denen (also bei den jungen Wählerinnen gesamt, nicht speziell bei meinen Söhnen) massiv Einfluss zu gewinnen. Ein mich immer noch verblüffender Umstand, wie unfassbar schlecht die Kommunikationsstrategien in meiner politischen Ausrichtung im weitesten Sinne sind. Wie durchweg unfähig die Beteiligten, wie hilflos und stümperhaft.

Das ist einer der Umstände, für die ich keine mir schlüssig vorkommende Erklärung finde. Warum ist das so? Was wirkt denn da? Ich hätte dafür gerne eine brauchbare Privattheorie, warum Rechte das offensichtlich besser können, ich habe sie nicht.

Direkt anschließen kann ich mein unentwegtes Staunen über die Zielsicherheit, mit der die Medien, mittlerweile fast sämtliche Medien, an ihrer Abschaffung oder zumindest an der Weiterführung in die Bedeutungs- und Niveaulosigkeit weiterarbeiten. Aber das haben andere nun ausreichend dargelegt und auch unterfüttert, immer wieder. Ich kann da nichts Originelles mehr anlegen und es ist auch egal. In den nächsten Wochen werden in den Talkshows noch mehr Nazis sitzen und sich noch gelassener ausbreiten, werden auf den Titelseiten noch mehr Fragen gestellt werden, die rechte Positionen schon ohne die Antwort stärken. Das damalige (2018 war es) „Oder soll man es lassen?“, manche werden sich noch daran erinnern, es wirkt fort und fort und gärt immer weiter.

Man kann das alles ohne Glaskugel zielsicher vorhersagen und es scheint kein probates Gegenmittel zu geben.

Zu den Ergebnissen der EU-Wahlen weiß ich ansonsten nichts Geistreiches zu sagen, mir ist auch nach den elenden Balkendiagrammen in den News noch zu schlecht, um mich damit länger zu befassen.

Dan Gardner schreibt gerade über moralischen Fortschritt:

Progress is possible: That’s a modest conclusion, in a sense, but also one of immense importance — particularly at a time when so many talk as if the elevator can only go down.”

Dein Wort im Gottes Ohr, möchte man zweifelnd drunter schreiben.

Wobei ich gerade abends reihenweise Filme aus den Siebzigern sehe, alte französische Filme, und wenn man die sieht und über die abgebildeten sozialen Probleme nachdenkt, an denen sich etwa Claude Chabrol damals Film um Film abgearbeitet hat, wird man Dan Gardner widerstrebend und zumindest teilweise Recht geben müssen. Trotz des aktuellen Rückschritts.

Aber meine Laune, ganz komisch, hebt das nicht. Dieser Rückschritt gerade ist mir einer zu viel.

Das haben geschichtlich gesehen vermutlich alle Betroffenen stets so gesehen. Quer durch die Jahrhunderte und bei sämtlichen Rückschritten, an denen die Historie nicht eben arm ist. Es gibt Phasen, da ist Optimismus etwas viel verlangt – vielleicht denkt es fast jede Generation irgendwann.

Und dann macht man eben dennoch weiter. Wie immer, wie alle vor uns. Man kann das nachlesen, so war es stets.

***

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3 Kommentare

  1. Wir behalten die notwendige Restzuversicht. Dennoch.
    Herzliche Grüße aus dem Hochwasser- Süden nach Hamburg.

  2. Es fällt mir schwer meine Gefühle des Abscheus auszudrücken: das Wahlergebnis macht mich fassungslos, ich bin entsetzt, wütend und angstvoll über den Weg, den unsere Gesellschaft einschlägt und der eine traurige Zukunft verspricht.
    Für dieses Desaster mache ich auch die Medien mitverantwortlich, die in der Gier nach Quoten und Verkaufszahlen kräftig half, eine demokratiefeindliche Partei nach oben zu spülen.
    Statt immer nur auf eine aus der Not des Wahlergebnisses geborene Ampel (mit entsprechenden inneren Problemen), die kurz nach Regierungsantritt vor nie zuvor denkbare Herausforderungen gestellt worden ist, draufzuhauen bzw. sie teilweise lächerlich zu machen, trug garantiert dazu bei, die Frustration in der Bürgerschaft zu befördern.
    Nun haben wir die – erste? – Quittung bekommen.

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