Nachdem ich mir den Film „Nachtblende“ mit Romy Schneider, Fabio Testi, Jacques Dutronc und Klaus Kinski angesehen und etwas anstrengend gefunden habe, sehe ich noch einmal einen viel späteren Film des gleichen Regisseurs. „Die Treue der Frauen“. Mit Pascal Greggory und Sophie Marceau, die darin eine Liedzeile singt, in der es um die Zeit der Kirschen geht. Nur kurz singt sie diesen Text, leicht zu überhören, eine winzige Unaufmerksamkeit reicht aus und man hat es verpasst. Sie singt es aber, während ich gerade eine Kirsche esse, und Sie wissen, ich bin ein großer Freund solcher Gleichzeitigkeitsmomente im Alltag.
Ich liebe diese etwas zauberischen Parallelen. Ich beachte sie, ich würdige sie auch nach Möglichkeit ausführlich. Also stoppe ich den Film und sehe mir die Szene noch einmal an. Also nehme ich mir dabei auch noch eine Kirsche. Und ich höre genauer zu und lese schließlich nach, was ich da höre.
Ich lese über dieses Lied, „Le temps des cerises“, das in Frankreich allgemein bekannt ist und einen linken Widerstandskontext hat, das man hier aber nicht unbedingt kennt. Es kommt meines Wissens, das heißt aber selbstverständlich nicht viel, nirgendwo prominent vor, in keiner Version.
Ich höre und sehe mir dann etliche Varianten auf Youtube an, das ist immer eine schöne Beschäftigung. Aufnahmen von Yves Montand, Juliette Gréco, Nana Mouskouri etc., quer durch die französische Chansongeschichte. Es gibt auch Joan Baez, Wolf Biermann oder Hannes Wader, Reinhard Mey. Aber bei allem Respekt, ich bleibe diesmal doch im französischen Bereich der Kultur.
So kann man jedenfalls hervorragend von einem Film abkommen, und warum auch nicht. Es gibt interessante Versionen dieses Liedes, teils sind es bewegende Aufnahmen. Hier etwa Charles Trenet, er singt in schwerer Zeit von den Kirschen.
Das Lied wird nach dem langsamen Einstieg angenehm swingend, und man könnte nach ein paar Takten glatt noch einmal den Lindy-Hop-Grundschritt durchs Wohnzimmer … doch, ich komme ernsthaft in Versuchung.
Aber sie ist kurz, die Zeit der Kirschen, mais il est bien court le temps des cerises, so singt er da.
Und bei dieser Zeile ist es wirklich empfehlenswert, eine Kirsche im Mund zu haben, das wollte ich nur eben sagen. Zur Nachahmung empfohlen.
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Gehört, leider unpassend in diesem Zusammenhang, aber so ist es eben: Eine Folge Radiowissen über Bismarck. Es gab dabei keine neuen Erkenntnisse für mich, aber eine Wiederholung des Stoffes schadet immerhin nichts, wie mir mitlesende Geschichtslehrerinnen gewiss jederzeit bestätigen können.
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Zwei Texte zum Ernst der Zeit las ich. Einen von Constantin Seibt: „Ein Kind meiner Zeit“ mit der Frage, was zum Teufel alle gerade übersehen, und eine Buchbesprechung von Maya Goodfellow im Guardian: „What if there is no solution?“
Spät fragt ihr, aber ihr fragt, denke ich mir beim Lesen. Die Verdrängung ist am Ende doch nicht das, was uns über Wasser hält.
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Der Vorhang fiel für Donald Sutherland, da ist das folgende Video sicher überaus erwartbar. Wie fast immer gilt, dass es auch interessant ist, die Geschichte des Songs nachzulesen. Ich hätte Mitte der Achtziger als Entstehungszeit des Songs geschätzt, und ich lag tatsächlich einmal richtig. Auch schön.
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Großartiger Artikel von Constantin Seibt. Ja, so schlau kann man sein, doch was nützt es?
Die Frage nach dem Sinn unserer Existenz stelle ich mir schon lange nicht mehr. Dass der Mensch die immer gleichen Fehler macht beweist sich auch gerade wieder eindrücklich. Insofern könnte man zur Tagesordnung übergehen, aber…wir haben Kinder, Enkel und damit eine schuldbeladene Verantwortung. Wir fühlen uns hilflos, wissen einfach nicht, was wir tun könnten.
Auch ich bedanke mich herzlich für diesen Lesehinweis.
Ja, so ist unsere Spezies. Wir beschränken uns nicht auf die eigene Vernichtung, nein, wir begehen auch an allen anderen ein Selbstmordattentat. Und gleichzeitig können sich diese klugen, dummen, selbsterkennenden Menschen über Rasenmähergeräusche am Sonntag aufregend, gar einen Prozess darüber anstrengen. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik.
Jedenfalls, Losung „Weitermachen“.
Kann es sein, dass Sie den Podcast „Der Rest ist Geschichte“ noch nicht kennen? Er dürfte Ihre Wellenlänge treffen.