Die schrundige Menschheit

Hier eine Meldung, die ich erst nur aus dem Augenwinkel gesehen habe, dass sich eine Hautkrankheit gerade rasant ausbreitet. Ein Pilzbefall, der eventuell über die Barbershops weiträumig gestreut wird, welche es auch bei uns im Stadtteil seit einigen Jahren in gefühlt jedem zweiten Haus gibt. Und es werden immer noch mehr.

In einem dystopischen Erzählszenario könnte man das mit einem naheliegenden Bezug zu Corona einbauen. Mit jeder Covid-Infektion wird das Immunsystem weiter geschädigt und schwächer. Pilze und dergleichen haben nach jeder Welle umso leichteres Spiel … so ein Drehbuch schriebe sich fast wie von selbst, denke ich. Und schon nach etwa 15 Filmminuten müsste die Maske immer mehr leisten. All die Flechten, Ekzeme, Knoten, Rötungen etc., die immer mehr entstellten Hauptdarstellerinnen. Schließlich mehr und mehr aussätzig aussehende Personen im Bild, die schrundige Menschheit, die Schuppen und das Schicksal. Und dazu der Klimawandel, es wird stetig wärmer, der Schweiß brennt an den Sommertagen sengend in den entzündeten Schleimhäuten …

Aber gut, wer hat schon noch Interesse an Dystopien.

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Am Sonntag habe ich am Abend noch weiteren italienischen Autorinnen und Autoren hinterher recherchiert. Damit ich mir kurz vor dem Urlaub bei nur einem einzigen Gang durch die Zentralbücherei auf jeden Fall genug Romane, Erzählungen etc. unter den Arm klemmen kann. Genug jedenfalls, um ein paar davon später im Liegestuhl lässig wieder verwerfen zu können. Es wird schon werden.

Weiter im Troller-Tagebuch aus Paris gelesen, passend zu den Wahlergebnissen aus Frankreich, es fügte sich angenehm. Und während er im Buch über den Aufstand von 68 und die irritierte Reaktion von de Gaulle schreibt, brennen in Paris wieder Mülltonnen und Macron sagt an diesem Abend lieber nichts, es harmoniert ganz ungemein.

Gehört: Radiowissen (ich bin bald durch mit dem Archiv) über Marlene Dietrich und  über F. Scott Fitzgerald.

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Vor unserer Haustür blüht ansonsten irgendwas, ich habe es leider nicht weiter ermitteln können, das an schwülen, drückenden Hitzetagen eklig und intensiv riecht, wie ungelüfteter Puff. Was ich allerdings schreibe, ohne da besonders umfassende Kenntnisse zu haben. Es ist mehr so eine ungefähre Vorstellung, eher angelesen als erlebt. Es geht vielleicht auch in die Richtung Raps in höherer Potenz, darunter wird man sich vielleicht etwas vorstellen können. Allerdings wächst hier weit und breit kein Raps. Der nächste Acker ist erst nach langem Marsch erreichbar, nach mehreren Bahnstationen.

Überaus unangenehm körperlich riecht es jedenfalls, nach zu viel von allem. Nach besonders schwierigen Verhältnissen auch, nach einem Übermaß an unregulierten Körperflüssigkeiten und nach eher schweren hygienischen Mängeln, die man vermutlich einer Behörde melden müsste. Schwer und lastend wabert es schauderhaft durch die Saunaluft mancher Tage der Sommermitte, und an der Ecke da vorne hat sich jemand übergeben, sehe ich. Fast könnte man einen Zusammenhang vermuten, und heute sollen es üppige 28 Grad werden.

Die Stadtnatur ist auch nicht immer die Erlösung vor der Haustür, das wollte ich nur eben andeuten.

Ein Pärchen sitzt im letzten Abendlicht am Ufer der Außenalster und blickt übers Wasser. Die beiden sind von hinten nur als Silhouetten zu sehen. Am Horizont, am anderen Ufer der Fernsehturm.

Man muss in Hamburg an manchen Tagen erst ganz runter bis zur Alster, zur Elbe oder zur Bille gehen. Man muss sich am Ufer stehend beim tieferen, bemühteren Durchatmen etwas maritime Frische einbilden, um dieses urbane Draußen ausreichend schön und belebend zu finden.

Manchmal gelingt einem die Übung sogar, und das ist dann besser als gar kein Erfolg am Tag.

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3 Kommentare

  1. Vielleicht ist es keine Pflanze, die so riecht, sondern es sind tatsächlich Menschen? Ich habe so etwas leider schon erlebt (medizinischer Kontext), dazu kann es bei fortgeschrittener Verwahrlosung kommen. Oder (ich will Sie nicht erschrecken, ich bin einfach nur Praktiker) ein verschiedener Nachbar, dessen sterbliche Überreste noch nicht gefunden wurden?

    Genug der morbiden Hinweise. Ich wünsche allerseits einen schönen und guten Tag!

  2. Der Spiegel-Online-Artikel, auf den sich T-Online da bezieht, ist etwas merkwürdig. Zum einen mutet er an wie ein Advertorial für einen Frisiersalon in Erlangen (der im Artikel auch mindestens zweimal bei Namen genannt wird), zum andern gleitet er dann ganz schräg ab, nämlich in die Richtung, daß „Ausländer“ alle schmutzig sind und komische Krankheiten verbreiten. Fies.
    Allerdings basiert das alles auf Hörensagen und Vermutungen und es gibt Null Untersuchungen oder Zahlen, daß Barbiershops tatsächlich an diesem angeblichen Anstieg dieser ebenso angeblichen Pilzkrankheit schuld sind.
    Abgesehen davon habe ich in meinem Leben noch nie mehr als maximal 10-12 Mark/Euro für einen, äh, „Herrenschnitt“ bezahlt, nu kostet’s 15, auch gut, aber 32 Euro wie bei eben jenem „Salon“ in Erlangen empfinde ich als Wucher.
    Sollte man vielleicht unter „Sommerloch“ abhaken, wenn es nicht so allzu tendenziös wäre.

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