Duckfaces und echte Enten

Am frühen Abend eines heißen Tages saß ich an der Alster, ich hatte ein Date in der Abendsonne. Ein wenig vorabendserienmäßig war es von der Ausstattung her, ein wenig posh, wie meine Begleitung befand. Die Sonne glitzerte in den Kaltgetränkgläsern wie in klassischen Werbefilmchen. Üppig gediehene Palmen standen in großen Pflanzkübeln davor, leicht wedelnd im Abendwind. Feierabendgäste der gepflegteren Art um uns herum. Büromenschen in smart casual und noch entspannter. Es war warm, so warm, die aufgeheizte Stadt. Man legte ab, was nur ging.

Unter den jüngeren Gästen am Steg einige, die sich mit den Selfies vor der Kulisse des Bilderbuchjulis erheblich Mühe gaben. Viele Versuche, aufwändige Inszenierungen, lange Begutachtungen der Ergebnisse und Nachbearbeitungen. Stative sahen wir, große Kameras auch, nicht nur schnelle Schüsse aus dem Handgelenk nebenbei. Es musste schon alles stimmen. Minutenlange Frisurkorrekturen, oft wiederholtes Herumzuppeln an Kleidchen und Klamotten, am Schmuck, an allem. Grimassierende Duckfaces auf den Selfiegesichtern um uns herum. Wie in einem Kabarettprogramm sah das aus, wenn Selfies lächerlich gemacht werden sollen. Eine zu oft gespielte Nummer, aber was interessiert das die Wirklichkeit.

Eine junge Frau in einem durchsichtigen Kleid, unter dem sich die Unterwäsche abhob und fürchterlich unordentlich saß, das konnte auf den Bildern kaum gut aussehen. Ich hatte ein ausgeprägt elterliches Bedürfnis, ihr das mahnend mitzuteilen.

Aber Contenance. Immer nur die eigenen Kinder kritisch kommentieren, und auch die besser nicht zu oft.

Segelboote im Abendlicht vor uns, langsam durchs Bild gleitend, elegant wendend. Daneben die Schiffe der weißen Alsterflotte, letzte Fahrten des Tages vielleicht schon. Außerdem Tretboote, in denen alle Plätze besetzt waren. Familienverbünde fuhren noch ein Viertelstündchen vor der Bettzeit herum. Kleinere Kinder mit Schwimmwesten hinten, die Väter vorne am Steuer, die Mütter daneben. Fast immer die Väter am Steuer.

Schwäne, Gänse, Enten und Möwen. Etliche Vögel sahen wir oben segelnd oder unten dümpelnd in dieser Szenerie. Die Sonne sank langsam am Westufer nieder, es gefiel allgemein.

Updates und Austausch, wir hatten uns länger nicht zu zweit gesehen. Wer macht was und mit wem, und auch wieder: „Was wurde eigentlich aus“, die beliebte Rubrik. Dazu die üblichen Themen unseres Alters, etwa die langsam kritischer werdenden Zustände der Eltern. Die Abläufe ähneln sich bei uns allen, Variationen auf eine Grundmelodie werden durchgespielt.

Immerhin mussten wir keine eigenen Krankengeschichten abnudeln, dafür muss man dankbar sein. Es endet üblicherweise irgendwann, dass man ohne diese Themen durchkommt. Noch einmal Schwein gehabt, das stets mitdenken.

Beim Zahlen dann die unwillkürliche Frage, als der absurd hohe Preis genannt wurde: „Kann das denn sein?! Für vier Getränke?“ Ich freute mich immerhin, dass nicht ich das laut gefragt hatte. Ich hatte es nur gedacht. So ist es nämlich, wenn man nicht oft ausgeht. Man staunt dann mit seinen Preiserinnerungen, die allmählich dezent veraltet sind, die eindeutig präpandemisch sind.

Und die Bedienung, entspannt gelaunt, mit lässiger, großer Geste über das Gewässer zeigend: „Was wollen Sie, Alsterblick!“

Und lacht und lacht. Wieder Gäste, die zu lange unter einem Stein gelebt haben oder aus der Provinz kommen. Kopfschüttelnder Abgang.

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2 Kommentare

  1. Es gab mal eine Zeit, da haben wir zum Ende der Woche hin immer gerne in einer kleinen feinen Brauerei im Garten gesessen und uns über die Woche ausgetauscht. Es war eine lieb gewonnene Tradition geworden. Durch die Kinder schafften wir es lange nicht mehr und als wir nach Jahren mal wieder dort waren, sind wir fast vom Stuhl gefallen, so sehr waren die Preise gestiegen. Erschreckend… und es hält uns tatsächlich davon ab dort hinzugehen, obwohl wir es früher so gerne taten.

  2. Da hast du ein schönes Bild gemalt.
    Es weckt den Wunsch, mal wieder nach Hamburg zu kommen.
    Danke!

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