Ausgelacht und angepampt

Am Mittwoch Office-Office in Hammerbrook. Vor dem offenen Fenster kreisen tieffliegend auf dem Parkplatz herumlungernde Möwen beträchtlicher Größe und lachen mich in hysterischem Tonfall gellend laut aus, stundenlang und immer wieder. Dahinter die tief wummernden Geräusche der alle paar Minuten vorbeifahrenden S-Bahn. Neben den Gleisen werden große Gerüststangen von einem LKW mit Schwung in einen asphaltierten Hof geworfen, viele davon. KREISCH RUMPEL SCHEPPER, die Geräuschkulisse des Tages im Stadtteil der Arbeit.

Ich arbeite dezent und vergeblich gegen den Lärm an, mit vermutlich kaum hörbaren Tippgeräuschen. Was man so macht, in einem Büro.

Beim Discounter auf dem Rückweg nach Hause schreien sich später zwei Menschen an, weil sie sich um eines dieser Warentrenndinger an der Kasse streiten, als gäbe es keine wichtigen, großen Themen im Leben. Sie mit stark russischem Akzent, er mit vermutlich arabischem Akzent, beide werfen sich mit Vehemenz ihre jeweilige Herkunft und auch ihre Dummheit vor. Sie beleidigen sich nach Kräften unter Erwähnung sämtlicher Klischeevorstellungen über die jeweils vermuteten Hintergrundländer. Während die zahlreichen Umstehenden aus wer weiß wie vielen weiteren Ländern im Geiste vermutlich beliebig und aus reichem Fundus anlegen. Deutsche selbstverständlich eingeschlossen.

Der Mann von der Security steht augenrollend daneben, stöhnt und sieht aus, als würde er gerne und am liebsten umgehend die komplette verdammte Kundschaft aus dem Laden werfen. Es kommt mir ausgesprochen nachvollziehbar vor. Allerdings wäre diese Aufgabe gerade zu groß für einen allein, es ist voll.

Die Frau hinter mir in der elend langen Warteschlange vor der Kasse, immer der Personalmangel, regt sich in einem theaterhaft laut geführten Telefonat darüber auf, dass sie hier anstehen muss: „Schlimmer als bei uns! In einem reichen Land!“ Ob ich sie nicht vorlassen könnte, fragt sie dann. Was ich verneine, und was dann zu gezischten Beschimpfungen führt. Kopfhörer rein und Musik hören, Abhilfe suchen, wo es sie nur gibt.

Was wird mir zugeshuffelt? Your mind is on vacation, es passt schon.

An der Kreuzung vor der Tür brüllen sich Menschen an, weil sie sich um einen Parkplatz streiten, aus SUV-Fenstern gereckte Fäuste. Wüste Drohungen, man attestiert sich Behinderungsgrade und geistige Gebrechen. Krach gibt es auch, weil ein Greis mit Rollator nur in Zeitlupe über die Kreuzung krebst und also die herandrängenden Autos aufhält, weswegen dringend von allen Seiten gehupt werden muss.

Was ist hier eigentlich los. Ist das summer in the city, ist es vielleicht too hot in the city. Ist es der Zeitgeist oder ist es nur der Zufall der Großstadtbegegnungen. Oder ist es nur diese eine Stunde, wäre ein wenig später alles friedlich und besinnlich auf meinem Weg. Es kommt mir nicht so vor.

Menschen am Rande des Nervenzusammenbruchs, und gleich in dermaßen reicher Auswahl. Man wirkt schon beherrscht, wenn man gerade niemanden anschreit.

Im Laufe des Tages fühle ich mich zusehends hitzelädiert und allgemein überbeansprucht. Obwohl es schon heißer war in dieser Stadt, ich weiß. Aber was nützen pflichtgemäß klingenden Relativierungen. Wenn man durch ist, ist man durch.

Weitere Einkäufe für die ebenfalls schwächelnde Mutter und für uns. Kochen für die Familie. Etwas Haushalt, die üblichen Erledigungen. Alles ist heute zu viel, auch der Gang zur Eisdiele, sagt man das überhaupt noch so, ist zu anstrengend.

Frühes Wegklappen also und anschließendes Herunterfahren im Bett, das allerdings auch zu warm ist. Nach nur einer halben Stunde etwa mit einem alten Film von Chabrol bei filmfriend. „Die Straße von Korinth“ von 1967, Jean Seberg (mir waren die wilden Umstände ihres Todes nicht bekannt) und Michel Bouqet.

Ein nicht allzu einprägsamer Film, eine eher seltsame Angelegenheit. Aber wieder diese 70er-Jahre-Kulissen, all diese vergessenen Details. Es ist doch faszinierend, wenn man damals auch schon dabei war.

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3 Kommentare

  1. Schwieriges Klima..

    Hintergrund der Auseinandersetzung sei der Streit um eine Parklücke gewesen, die durch einen Transporter zugeparkt war. Das sagte der Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Sebastian Bücher, am Freitag dem rbb. Nachdem der 37-jährige Transporter-Fahrer trotz Aufforderung die Lücke nicht freigegeben haben soll, sei die Situation schnell eskaliert.

    Laut Büchner stieg der Fahrer des Autos, der in die Parklücke wollte, aus und „rammte dem Transporter-Fahrer ein Messer in den Bauchbereich“. An dieser Verletzung starb das Opfer.

    https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/07/berlin-gesundbrunnen-mann-niedergestochen.html

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