In Ergänzung zum gestrigen Text noch eben eine schnelle Anmerkung. Die Grundaggression in dieser Stadt war auch am späten Abend dieses etwas seltsamen Tages nicht zu überhören und weckte mich zu später Stunde sogar wieder auf. Keifende Menschen auf der Straße, schon wieder dieser schnell erkennbare Tonfall von „Willst du aufs Maul oder was!“
Als würden sich sämtliche Menschen aus den Autos heraus an die Kehle wollen. Vor unserem Haus ist eine Engstelle im Verkehr, und es macht die Menschen fertig, man kann es nicht mehr anders sagen, dass sie da etwas langsamer werden müssen. Dass sie manchmal sogar halten müssen. Eine unerträgliche Zumutung.
Bei manchen eine derart mangelnde Affektkontrolle, dass man es in Kindergärten schon kritisch würdigen würde. Da mal den Eltern eine Mitteilung machen, der kleine Benny oder wer auch immer hat heute schon wieder andere Kinder angefallen. Und dann aber schnell Stuhlkreis und Problembewusstsein.
Ich sehe aus dem Fenster auf die spätabendliche Straße hinunter, was da nun wieder los ist. Es sind normale Menschen, die da explodieren. Es sind keine Gangstertypen aus den Problemvierteln der Stadt. Es sind auch keine herumhängenden Jugendlichen, es sind keine Alkoholkranken mit Überdosis. Es sind keine durchgeknallten Crackjunkies, keine Fußballfans im kollektiven Wahn. Durchschnittsmenschen in Durchschnittsautos sind es.
Und auch das kommt mir wieder ungemein dystopiegeeignet vor. Die Aggression steigt aus unerklärlichen Gründen einfach stetig an, alle paar Wochen eine Umdrehung weiter. Die Zivilisation hält es nicht lange aus, und dieses Szenario entwickelt sich dann auch fast wie von selbst. Man kann das alles vorhersagen, was in dem Film oder Buch passieren muss.
Wir alle können das vorhersagen, nehme ich an, man muss nicht besonders kreativ sein. Man muss nur schlicht hochrechnen, was es jetzt schon zu sehen gibt, zumindest in Großstädten. Wenn ich eben unterstellen darf, dass es in anderen Großstädten auch so zugeht wie bei uns.
Eine immer wütender werdende Welt ist jedenfalls eine weitere faszinierende Zukunftsvorstellung, und an diesem Tag kommt sie mir nicht eben unwahrscheinlich vor. Die Hauptrolle in der Hollywoodversion müsste dann einem Menschen zukommen, der sich emotional seltsamerweise noch im Griff hat, ein spockhafter Sonderling.
Ich wollte nur eine kleine Ergänzung schreiben, fällt mir wieder ein. Zwei, drei Sätze wollte ich nur schreiben, daraus ist ein Blogartikel in üblicher Länge geworden, wie ging das zu. Das war so nicht geplant, und ich mag es nicht, wenn Ungeplantes geschieht.
Im Sinne dieses Textes und der allgemeinen Trends der Zeit vielleicht gleich mal das Notebook an die Wand werfen.
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Nicht werfen- ihre Texte sind ein Teil der morgendlichen Lektüre. Es wäre sehr schade ohne sie in den Tag zu starten. Ihnen ein erholsames Wochenende mit freundlichen Menschen.
Wenn jetzt gefühlt immer mehr wütende Wildnis in die Stadt einzieht, womöglich in alle Städte, möchte ich auf eine statistische Regel hinweisen, aus der sich ein wenig Hoffnung ergibt. Die wenigsten Dinge entwickeln sich in einer geraden, steilen Kurve nach oben, schon gar nicht bis jenseits der y-Achse. Erst recht nicht in der Wildnis. Das würde ich fürs Hochrechnen zu bedenken geben.
Ich würde ansonsten gerne noch mehr Aufmunterndes sagen, aber es kommen mir nur Plattitüden in den Sinn. Die erspare ich uns und wünsche mir stattdessen, dass du über eine weiche Hülle fürs Notebook nachdenkst. Nur, um gewappnet zu sein für Affekte.
Bei mir in Duisburg ist es ähnlich. Besonders in warmen Nächten schallt so manches Geschrei über die Innenhöfe oder von der Straße her.