Der Journalist Jonas Schaible hat einen neuen Newsletter, „als Ort, um nachzudenken, über die Welt, die Krisen, das Leben im Anthropozän.“ So schrieb er auf Threads. Gerne gelesen, auch wegen solcher Sätze:
„Menschen sind lernfähig. Gesellschaften sind beweglich. Die Zukunft steht nicht schon fest, auch nicht in der Klimakrise. Menschen sind klüger und interessanter und komplexer, als es scheint, wenn man vor allem liest, was jene schreiben, die Provokation, Unirritierbarkeit und Boshaftigkeit zu ihrem Geschäftsmodell gemacht haben oder zu ihrem politischen Programm.“
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Gehört: Im Spektrum-Podcast eine Folge über Extremwetter. Während zuhause in Hamburg der Westteil der Stadt im Starkregen gründlich absoff, ich las im eher zu heißen Italien (34 Grad) davon. Die Folge enthielt für mich nichts auffällig Neues, stellt Bekanntes aber gut dar. Ich habe bei dem Thema also in letzter Zeit halbwegs aufgepasst, das muss man aber auch. Schon um allfälligen Gegenargumenten der Leugner manchmal noch halbwegs souverän begegnen zu können. Wenn man gerade die Kraft dafür hat.
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Es ist sicher ein etwas morbides Nebeninteresse von mir, aber ich mag nun einmal Kompost und verfolge daher regelmäßig die Berichte über die Kompostierung von Menschen, hier etwa in der taz. Eine so attraktive Bestattungsform.
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Weiter in der Urlaubsberichterstattung, es fängt alles erst an (ich musste einen Augenblick überlegen, woher der letzte Halbsatz kommt: Juliane Werding, Stimmen im Wind, 1986. Meine Güte, was hat man im Kopf).
Der erste Gedanke nach dem Aufwachen am ersten Urlaubstag: „Oh, wie großartig, ich habe ja Urlaub im Hauptjob!“ Und gleich der zweite Gedanke nach dem Aufwachen aber: „Oh, da war doch noch eine Deadline im anderen Job!“ Es ist immer so eine Sache mit der beruflichen Vielseitigkeit. Einige deutliche Nachteile gibt es dabei auch, manchmal fallen sie mir deutlicher auf als sonst im geregelten Alltag.
Es hat aber auch wieder nicht genug Nachteile, um alles anders zu machen oder sogar noch einmal neu auszurichten.
Unterm Strich bin ich zufrieden damit, mehrere Seiten von mir beruflich auszuleben. Für 9 to 5 bin ich mittlerweile eh verloren, das ist für mich längst fast unvorstellbar geworden. Acht Stunden oder noch deutlich mehr nur für ein einziges Thema – ein entsetzlich gewordener Gedanke. Weit habe ich mich davon entfernt, und ich mag meine Umschaltmomente im Laufe des Tages. Meistens.
Wir sehen siebenmal nach, ob der Herd aus ist. Wir ziehen die Koffer zum Bahnhof und sind wieder nicht allein damit. Immer in der Herde bleiben, immer machen, was so viele andere auch machen. Es sind Hunderte, die wie wir zum Bahnhof ziehen, eine Bewegung durch das Viertel und auf die große Halle im Zentrum der Stadt zu. Mit einer Drohne könnte man es von oben gut erkennen, dieses vielfache Streben zu einem Mittelpunkt, auf den auch die Bahngleise und Straßen verweisen.
Koffer und Kinder verschiedener Größe hinter den Leuten. Es ist auch in diesem Jahr dieses eine Reisewochenende, vor dem der ADAC immer so ausführlich und drohend, etwas onkelhaft mahnend warnt. Wir planen unsere Reisen oft so, ohne es allerdings zu beabsichtigen. Es fällt einfach an, wie bei all den anderen auch.
Und dabei haben wir noch gut verteilte Ferien in diesem Land. Ich habe, und es war eine lehrreiche, beeindruckende Erfahrung, einmal einen Sommerferienanfang in Frankreich erlebt. Diesen Tag also, an dem die komplette Gesellschaft dort raus aus den Städten und in die Provinzen reist, an die Meere und in die Berge. Das ist ein Großereignis anderer Art. Da reichen unsere Stau- und Reisewarnungen gar nicht ran, an diese unfassbaren Dimensionen des Irrsinns auf den Reisewegen dort. Dagegen läuft bei uns alles schön sortiert ab, fast klischeemäßig deutsch und gut durchgeplant.
Wir ziehen also unsere Koffer zum Bahnhof. Wir ziehen sie und spüren dabei die leider mit jedem Jahr unangenehmer werdenden Spannung, ob und wann unser Zug nach München denn fahren wird. Unseren Pessimismus und die Skepsis haben wir schon Tage vorher sicherheitshalber immer weiter und bis zum Anschlag hochgedreht, um Enttäuschungen möglichst frühzeitig abzumildern.
Gar nicht erst annehmen, dass da ein Zug fahren wird! Gar nicht erst davon ausgehen, reibungslos und ohne unbestellte Abenteuer reisen zu können. Gleich bei allem das Schlimmste annehmen, und fast lustvoll. Sich alles ausmalen, und zwar tiefschwarz.
Dann geht es, so denkt man sich das heute. Dann geht es auch mit der Bahn.
Aber es kommt an diesem Tag dann doch wieder das beliebte Böll-Titelzitat zum Einsatz. Dieses Zitat, das man als heiteres Versatzstück im Text verwenden kann, ohne an den grausigen Inhalt des Buches auch nur eine Minute zu denken: „Der Zug war pünktlich.“
Der ursprüngliche Titel dieser Erzählung war Zwischen Lemberg und Czernowitz, sehe ich in der Wikipedia. Damit hätte ich gar nichts anfangen können, denn wir bewegen uns in den nächsten Stunden zwischen Hamburg und München.
Wie auch Taylor Swift, und darüber wird noch zu reden sein.
Im Bild „Mann und Frau“ von Stephan Balkenhol. Die Figuren stehen vor der Hambuger Zentralbücherei, im Hintergrund rechts der Hauptbahnhof.
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