Die Kaltmamsell verschenkt einen Krautreporter-Artikel von Gabriel Yoran.
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Gehört: Ein Zeitzeichen zu Colette. Die auch mal wieder lesen. Irgendwann.
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Zwischendurch verwerfe ich ein Buch, obwohl es vermutlich ein guter Roman ist, ein vielfach gut besprochener auch. Mit Preisen und allem: „Alle, außer mir“ von Francesca Melandri, Deutsch von Esther Hansen. Der Schreibstil gefällt mir, die Schilderungen Roms auch, die Figuren werden gut eingeführt. Aber die politische Gegenwart kommt hier mit einer Intensität vor, dass die Seiten für mich schon Anklänge von Sachbuch haben. Und das mag ich nicht. Kein Qualitätsurteil, es ist nur eine nicht weiter begründbare Geschmacksentscheidung.
Stattdessen dann den Zeno Cosini von Italo Svevo angefangen. Der beginnt mit einem vorangestellten Schopenhauer-Zitat an, das ich vor Jahren schon einmal gelesen und genossen, dann aber lange vergessen hatte. Es gefällt mir außerordentlich gut, ich würde es am liebsten auch diesem Blog voranstellen:
„Das Leben jedes Einzelnen ist, wenn man es im Ganzen und Allgemeinen übersieht und nur die bedeutsamsten Züge heraushebt, eigentlich immer ein Trauerspiel; aber im Einzelnen durchgegangen, hat es den Charakter des Lustspiels. Denn das Treiben und die Plage des Tages, die rastlose Neckerei des Augenblicks, das Wünschen und Fürchten der Woche, die Unfälle jeder Stunde, mittelst des stets aus Schabernack bedachten Zufalls, sind lauter Komödienscenen. Aber die nie erfüllten Wünsche, das vereitelte Streben, die vom Schicksal unbarmherzig zertretenen Hoffnungen, die unsäligen Irrthümer des ganzen Lebens, mit dem steigenden Leiden und Tode am Schlusse, geben immer ein Trauerspiel. So muß, als ob das Schicksal zum Jammer unseres Daseyns noch den Spott fügen gewollt, unser Leben alle Wehen des Trauerspiels enthalten, und wir dabei doch nicht einmal die Würde tragischer Personen behaupten können, sondern, im breiten Detail des Lebens, unumgänglich läppische Lustspielcharaktere seyn.“
(Zitiert in dieser Schreibweise nach Projekt Gutenberg)
Wer könnte dem widersprechen, so unter uns läppischen Lustspielcharakteren.
Und ich habe am Abend schließlich auch wieder zwei Folgen der alten Maigret-Serie weitergesehen, und zwar mit erheblichem Genuss.
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Weiter im Südtiroler Reisebericht. Ich muss mich ranhalten, sonst geht das Blog wieder wochenlang nach. Schlimm.
Ich rufe am nächsten Morgen, am ersten Tag unseres Aufenthalts in Kaltern, meine Mutter an, die Geburtstag hat. Ich stehe dabei zwischen Reihen von Apfelbäumen an einem Hang in Südtirol, ziemlich weit weg von der Ferienwohnung. Ein paar Meter weiter Weinreben ohne Ende, kilometerlange Pflanzungen, über eine halbe Stunde kann man an denen entlang gehen und sie nehmen kein Ende.
Weit unten im Blick der gerade annähernd türkisfarbene Kalterer See, dessen Farbe im Laufe des Tages vielfach unentschieden variiert. In meinem Rücken die hinter der kleinen Stadt aufragenden Berge, ansprechend umwölkt, in bester Fernsicht. Oben der Mendelpass. Eine dekorativ rote Seilbahn führt hinauf, ich sehe sie in der Ferne auf dem langsamen Weg nach oben. Über mir die sengende Hochsommersonne der südlichen Art, die wird in ein, zwei Stunden enorm anstrengend werden. Aber noch geht es.
Und ich rufe also einfach so in Hamburg an, auf dem Handy. Meine Mutter klingt, als stünde sie neben mir. Und wie in fast jedem Jahr – unsere Reiseplanung kollidiert dauernd mit ihrem Geburtstag, was allerdings keine finstere Absicht ist – staune ich immer noch ein wenig, dass das möglich ist.
Die Nachteile dieser ständigen Erreichbarkeit und permanenten Kommunikationsfähigkeit habe ich neulich bereits erwähnt, einige Vorteile findet man aber auch.
Apropos Kommunikation. In der neugebauten Ferienwohnung gibt es, es fällt einem nur noch nebenbei auf, kein Festnetztelefon. Bei der Übernachtung in München gab es auch schon keines. Die Zeiten, in denen ein Telefon selbstverständlicher und unverzichtbarer Bestandteil der Ausrüstung von Hotelzimmern etc. war, sie sind vorbei. Passend dazu: Das fortwährende Klingeln in Frankreichs letzter Telefonzelle.
Das WLAN in der Ferienwohnung allerdings schwächelt diesmal erheblich und auch unser Netzempfang in der Gegend ist schlechter als sonst. Warum auch immer. Es erinnert uns fast ein wenig an Eiderstedt und das ewige, unauflösbare Netzdesaster Nordfrieslands dort.
Eine App, die ich auf dem Handy aufrufen möchte, meldet sich kapitulierend gleich mit einem Fehlerspruch, er lautet: „Sie sind offline, aber nicht ohne Optionen.“
Das ist eine attraktive Fehlermeldung, finde ich. Die sollte man sich merken und in diversen Situationen wieder aufsagen. Beim Spaziergang im tiefsten Wald, am Strand in Schleswig-Holstein, im steckengebliebenen Fahrstuhl und natürlich jederzeit im ICE oder überhaupt in deutschen Zügen.
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Sie könnten den Schopenhauer in die Unterzeile des Blog-Headers einfügen, zum Beispiel neben „Über uns“.
Wenn sie das Zitat in „Über uns“ einfügten…
Was für ein Zufall! Seit ein paar Tagen suchen wir noch ein Reiseziel grob in dieser Gegend. Voraussetzungen: keine Flugreise, keine Funktionskleigung, eine Pizzeria fußläufig, möglichst etwas außerhalb, Pool wäre auch nicht schlecht.
Gibt es vielleicht einen link zum Angucken?
Das wäre sehr nett 🙂
Morgen im Blog!