Und nun die sportlich anmutende Staffelstabübergabe. So etwas liegt nach den olympischen Spielen gerade noch in der Luft: Frau Herzbruch und Frau Novemberregen übernehmen die Reiseberichterstattung und melden aus der Normandie. Da war ich auch schon, wo die sich jetzt herumtreiben, aber damals gab es noch keine Blogs. Da mussten wir uns die Urlaubsabenteuer noch abends am Lagerfeuer erzählen. Heute alles viel komfortabler!
Am frühen Sonntagmorgen stand ich auf dem Balkon, witternd wie ein alter und kenntnisreicher Bauer. Ich habe wissend oder doch wenigstens ahnend „Ah, heute“ gemurmelt. Denn es war da etwas in der Luft, etwas schwer zu Beschreibendes, eine vage Ahnung von Schärfe vielleicht. Eine kaum wahrnehmbare Änderung des Lichtes, des Geruchs und der Stimmung. Ein betont spätsommerlicher Morgen war es, überraschend kühl nach einem warmen, staubig-stickigen Großstadtabend. Die Standardeinstellung 12 Grad war es auf einmal wieder. Und was ich da wahrzunehmen meinte, das war diese feine Änderung, deren jahreszeitliches Pendant man irgendwann Mitte März registriert, wenn man auf einmal weiß, dieser Winter ist durch. So geht es mir jetzt mit dem Hochsommer.
Immer habe ich dabei die Hoffnung, dass es etwas Instinkthaftes ist, dieses Wittern der großen Wechsel, dass ich damit richtig liege. Es wäre mir eine angenehme Vorstellung, soweit den Tieren noch nahe zu sein. Auch wenn ich erfahrungsgemäß aufgrund dieses Wechsels in der Luft jetzt im Gegensatz zu manchen Tierarten weder im Paarungs- noch im Zugverhalten besonders auffällig werde. Auch wenn ich mir keine passende Höhle für den Winter suche oder mich erst einmal in tiefere Wälder zurückziehe, um dort heiser herumzubrüllen.
Nein, Contenance. Man ist doch so weit Mensch.
Und es werden noch mehrere Hitzetage kommen, ich weiß, heute schon wird es so einer werden. Es werden auch noch Früchte heranreifen und etliches an sommerlichem Programm wird noch stattfinden. Aber es hat sich doch etwas verändert, ist in Schieflage geraten und rutscht. Langsam, langsam.
Wie auch immer. Erst einmal belästigen mich zwei aufgekratzte Wespen, die den Bildschirm des Notebooks und mich schon zu früher Stunde bei erstem Tageslicht unangemessen hektisch und für meinen Geschmack auch entschieden zu dicht umkreisen. Es ist noch einmal volle Möhre August, keine Frage.
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Apropos Möhre. Am Wochenende bin ich kurz im Garten gewesen, der dieses Jahr Schauplatz einer krachenden Niederlage ist. Eine Niete im Parzellenlotto, ein Beetdesaster erster Klasse. Mit der Herzdame habe ich eine Weile erörternd darüber gesprochen. So recht erklären können wir es uns nicht, selbst unter Heranziehung der üblichen Faktoren wie Wetter, Schneckenplage, nicht geschafftes Gießen, Pilze, Sporen etc. reimen wir uns das nicht recht zusammen.
Vielleicht ist es so, dass, wenn man einen Garten lange genug hat, schon qua Wahrscheinlichkeitsrechnung zwischendurch ein betont maues Jahr dabei ist, ein fast vorhersehbarer Totalausfall. Mag sein.
Vielleicht ist der Garten auch beleidigt, weil wir noch nie so wenig dort waren wie in diesem Jahr. Weil die Söhne mehr dort waren als wir, die es dort allerdings nicht aus gärtnerischen Gründen hinzog, wie man sich bei Teenagern vorstellen kann.
Vielleicht schmollt der Garten also einfach mit uns und wir müssen erst mühsam wieder etwas gut machen, wie es oft in Beziehungen ist. Vielleicht müssen wir ihn im Oktober mehr als sonst mit dem großen Laubrechen kraulen, was weiß ich.
Wenn ich aber durch die Kolonie gehe, es ist immer gut, wenn man vergleichen kann, sehe ich, dass die Parzellen krass unterschiedlich ausfallen. Auch wenn sie ähnlich begärtnert werden. Hier der Garten Eden, und nur eine Hecke weiter deutliche Mangelbewirtschaftung, Steppe und dürres Kraut. Hier ein üppiger Bilderbuchobstbaum, der seine prachtvollen Äpfel, Birnen oder Pflaumen kaum noch tragen kann, daneben ein resignierendes Baumelend der genau gleichen Art, zwei grässliche Fruchtmumien im Geäst, zu früh welkendes Laub und sonst nichts.
Unterm Strich würde ich mich nicht wundern, wenn man die Unterschiede gar nicht erklären kann. Wenn alle immer nur meinen, sie erklären zu können, mit tausend abweichenden Theorien. Im Grunde ist das genau mein Humor. Wäre ich Gott (Gott bewahre!), ich hätte es exakt so eingerichtet und würde mich über den sinnlosen Ideenreichtum der Menschen endlos amüsieren.
Einzig die Tomaten neben unserer Laube haben auf der letzten Rille der Saison einen beachtlichen, nicht mehr erwarteten und unmöglich wirkenden Endspurt hingelegt. Sie schmecken fantastisch, eine sensationell aromatische Süße. Und es sind über Nacht auch unerklärlich viele geworden. Auch da muss ein Trick dabei gewesen sein. Man kann es nur so hinnehmen, nicht verstehen.
Und das ist nicht nichts. Das ist zumindest mehr als eine dürre Randnotiz, denn Tomaten sind wichtig als Geschmacksträger des Sommers und als entscheidendes Augusterlebnis. In das wir jetzt also gebissen haben.
Rechts im Bild ein Stück Weg, das neuerdings Karl-Lagerfeld-Promenade heißt. Haben Sie das auch einmal gesehen.
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Also meine Theorie bzgl. Garten ist ja (Sie haben meine innere Klugscheißerin herausgefordert ;-)): Das letzte und dieses Jahr waren sehr warm und sehr nass, heißt, die Pflanzen setzen sehr viel um und gerade bei Nutzpflanzenanbau könnte fehlender Dünger das Problem sein. In „Fruchtfolge“ kenne ich mich nicht aus, aber auch da spielen ja die unterschiedlichen Ansprüche an den Boden eine Rolle. Das ist mir aber zu kompliziert, deswegen habe ich nur einen Ziergarten und der braucht gefühlt ständig irgendwo Dünger/Kompost.
Viele Grüße aus einem anderen Teil der Stadt und auf das neue Gartenjahr, das, wie Sie richtig bemerkten, bereits in der Luft liegt.
Bei uns sind es die Wühlmäuse, die sind neu ….
„Tomaten als Geschmacksträger des Sommers“…. sehr schön 🙂
Pflanzen in meinem Garten gibt es in zwei Zuständen: wuchern und eingehen. Ich habe keine Ahnung, nach welchem System sie das tun, denn ich behandle alle gleich schlecht, leider. Vielleicht würfeln die das aus…