Der Wutvogel

Am Morgen noch eben eine Hotelbuchungsanfrage verschickt, für zwei Tage im nächsten Monat. Der Rest des Urlaubsfeelings für dieses Jahr. In den Norden geht es dann, bis kurz vor Dänemark, schon im Sichtkontakt mit dem befreundeten Ausland. Immerhin zwei zweisame Tage in uns bisher nicht näher bekannter Gegend sind angedacht. Es kann noch vieles dazwischenkommen, aber man hofft so vor sich hin.

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Am Vormittag kommt der Eichelhäher auf das Balkongeländer. Zerzaust sieht er aus, er ist wohl arg mauserig. Etwas heruntergekommen, abgerissen, verlottert und schäbig wirkt er daher in diesen Wochen. Er wollte nur eben anmerken, fängt er heiser an, als er mich am Schreibtisch sieht, dass er zwar grundsätzlich damit klarkomme, dass wir die Nusslieferungen im Sommer routinemäßig einstellen, dass es jetzt aber schon fast September sei und ob wir nicht … Er atmet durch, legt den Kopf schräg und besieht sich einen Moment sinnend die letzten leeren Nussschalen, die immer noch in den Blumentöpfen liegen, seit Monaten nun schon.

Ob wir nicht gefälligst, fährt er dann fort, und er wird auf einmal deutlich lauter und verhaspelt sich mit kippender Stimme, vergisst sich dann schnell, verfällt bald ins Pöbelnde, gerät unversehens endgültig außer Fassung und schreit eine Weile wie von Sinnen in äußerstem Zorn herum, ein wahrer Wutvogel, so dass man nicht einmal mehr ansatzweise irgendeinen Sinn in seinen aufgebrachten Äußerungen finden kann.

Schließlich kackt er auf den Hauswurz im Blumenkasten unter ihm und schwirrt unter weiteren wüsten Beleidigungen ab, um auf den Ästen der alten Eiche auf dem Spielplatz eine grundlose Schlägerei mit einer überraschten Jungkrähe anzufangen, dass die Federn nur so fliegen. Eichelhäher haben sich, schon oft konnten wir das bei uns beobachten, emotional nicht immer im Griff.

Die beiden tantenhaften Ringeltauben im Holunder gucken pikierter denn je: Die Wohnlage, die Nachbarn, die Sitten, der Untergang.

Wie auch immer. Bei Gelegenheit werde ich wieder einmal Nüsse auf den Einkaufszettel schreiben. Ich habe es so weit verstanden, glaube ich.

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Weiter den Raymond Chandler gehört (Das hohe Fenster). Weiter sportlich im Zeno Cosini gelesen, den ich früher hätte kennen sollen, wie mir immer klarer wird. Es ist doch ein wenig schade um die Jahre der Unkenntnis.

Und immer weiter am Abend und auch zwischendurch die Maigret-Serie mit Bruno Cremer auf filmfriend gesehen. Einer der wenigen Fälle, in denen ich eine Serie, und sogar eine Krimi-Serie, was sonst überhaupt nicht mein Fall ist, gut und entspannend finde.

Es sind noch etliche Folgen übrig. Ich finde den Gedanken  angenehm und gebe mich beim Zusehen auch willig mit einer wohligen Nostalgie ab, die sich auf ein uns heute so ruhig und genügsam vorkommendes analoges Zeitalter vor der enormen Eskalation des Konsums und der Digitalisierung bezieht. Und die ich aus Gründen der Entspannung nicht einmal hinterfrage.

Auch einmal unreflektiert herumträumen! Andere machen das auch. Glaube ich.

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Und nicht immer nur die schicken Seiten von Hamburg im Bild zeigen. In Wahrheit sieht es hier um die Ecke nämlich so aus.

Blick in einen Innenhof zwischen Neubauten, unterkühlte Architektur

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Ein Kommentar

  1. Danke für den ersten Lacher am heutigen Tag! Die Charakterisierung der Eichelhäher und auch der tantenhaften, pikiert guckenden Ringeltauben (genau! so!) ist einfach nur herrlich.
    Einen erfreulichen Mittwoch wünsche ich, mit Grüßen aus dem schwülen Frankfurt.

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