Alles entschlossen umbenennen

Nur versuchsweise, nebenbei und ein wenig auch wieder aus routinierter Lust an sinniger Vorarbeit habe ich noch einmal in den schmalen Band mit den Septembergedichten hineingesehen. Aber nichts von dem, was ich da flüchtig angeblättert habe, war auch nur ansatzweise passend, trotz der zeitlichen Nähe zum nächsten Monat. Aber gut, ich las die Verse bei 30 Grad Außentemperatur. Halb zerschmolzen am Schreibtisch hielt ich das Buch, während der Smalltalk in der Stadt den ganzen Tag über ausschließlich aus Hinweisen auf die Luft bestand. So schwül, so heiß, so unfassbar drückend, alle erwähnten das, und kaum noch etwas anderes.

Vermutlich beginnt der September, also der Zeitraum, den wir assoziativ traditionell derart mit Bildern belegen, dass die Wetter- und Naturbeschreibungen in der althergebrachten Lyrik damit fein harmonieren, in diesem Jahr etwa am 15.9.. Wenn nicht noch etwas später.

Die große Fracht des Sommers ist verladen,

das Sonnenschiff im Hafen liegt bereit,

wenn hinter dir die Möwe stürzt und schreit,

die große Fracht des Sommers ist verladen.

Ingeborg Bachmann schrieb das, und diese große Fracht des Sommers, sie fühlt sich heute durchaus nicht verladen an. Sie liegt viel mehr weiterhin direkt vor der Haustür herum und wartet auf die überfällige Abholung. Die Möwen stürzen und schreien bei uns eh ganzjährig, die kommen als Zeigevögel nicht in Betracht.

In Kürze dann der Septober, vielleicht auch noch der Oktember, bevor es ernstlich herbstlich werden kann. Wir müssen alles entschlossen umbenennen, neu verstehen und deuten. Wir müssen alles anpassen, den Wandel bewusst erleben und mitmachen. Den Klimawandel im Kopf gestalten! Dieser Satz wiederum ist heute schon ausreichend für ein Wahlplakat, ist fast schon ein vollständiges Programm. Ich sollte mir dringend die Rechte am Slogan sichern.

Aber meine Grundgenervtheit, siehe gestern, auch von der Politik und der allgemeinen Lage spottet weiterhin jeder Beschreibung. Also lieber nicht über Programme nachdenken. Es wird mit den nächsten Wahlen vermutlich auch nicht besser werden. So viel an prophetischer Gabe kann ich mir wohl zutrauen.

Meine Timelines bestehen währenddessen aus erstaunlich vielen Topcheckerinnen, die alles jederzeit erklären können, auch die seltsamsten sozialen Verwerfungen im Lande und in der Welt. Während ich längst nicht mehr mitkomme und mich ab und zu fühle wie damals in Mathe, als es um die Vektorrechnung ging. Ich weiß bis heute nicht, was das ist. Sie ist mir nur in Erinnerung geblieben, weil es da Stunden gab, in denen ich so wenig verstand, dass es fast schon wieder lustig war.

Irgendwann bin ich dann nicht mehr hingegangen, aber das ist auch keine Lösung fürs Leben, wie ich mittlerweile weiß.

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Bei der Kaltmamsell Erinnerungen an Frau Kelef. Der Name wird sicher denen noch etwas sagen, die sich schon länger oder sogar seit den Anfängen in grauer Vorzeit mit Blogs beschäftigen. Ihr letzter Blogeintrag war aus dem Januar. Aus dem Jänner, wie es bei ihr hieß.

Da sie an Covid-19 starb, dazu passend noch die Beobachtung aus den letzten paar Monaten, dass gar nicht wenig Menschen auf die Erwähnung der möglichen Schwere der Krankheit mittlerweile mit überraschend heftiger Abwehr reagieren – weil doch nicht sein kann, was nicht sein darf.

Verdrängungsleistungen können ein wenig unheimlich ausfallen, to say the least.

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Die übernächtigten und bleichen Söhne, passend zum ersten Absatz könnte ich fast vom „novembrig gestimmten Nachwuchs“ reden, haben wir am Donnerstagmorgen aus dem Haus geschoben. Es war der ernsthafte Beginn des nächsten Abschnitts, es ging um die Forderungen des unnachgiebigen Stundenplans. Händeringen und großes Drama.

Aber wenn dieser Text erscheint, wenn Sie diese Zeilen lesen, wissen die beiden mit etwas Glück schon wieder, wer sie sind, wo sie wohnen und was es mit diesem Konzept „Schule“ auf sich hat. Mein Mitgefühl ist den beiden in jedem Fall sicher, aber davon können sie sich, wie sie sofort und treffend anmerken würden, auch nichts kaufen.

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Im Bild ein Bahnsteig in der riesigen Station Jungfernstieg. Sie wird täglich von 73.000 Menschen frequentiert, keiner von denen ist hier im Bild. Wie isses nun bloß möglich.

Ein menschenleerer Bahnsteig in der U-Bahnstation Junfernstieg

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