Theater und allgemeine Umtriebigkeit

Im Landlebenblog geht es um die Manufacture d’orgues in Rambervillers, wie immer mit feinen Fotos: „Macht Ihr da draußen, was Ihr wollt.“ In den Kommentaren dort stellt jemand auch den Zusammenhang zwischen Orgelbau und Klimawandel her, woran man alles denken kann. Oder muss, je nach Beruf.

Um inhaltlich halbwegs korrekt ein Bild aus unserem kleinen Bahnhofsviertel anzulegen, wie zufällig liegt gerade eines bereit:

Der Schriftzug "Piano-Fabrik" an einer Altbau-Fassade

An diesem Gebäude hat allerdings nur der Schriftzug etwas mit den Instrumenten zu tun. Von altem Handwerk keine Spur.

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Ich erwähnte neulich das Stück „Altes Land“ im Ohnsorg-Theater, in dem die Herzdame und ich waren. Das ist zu ergänzen um den Hinweis, dass im Thalia-Theater ab 11. Oktober der „Apfelgarten“ laufen wird. Dieses Remix-Stück vereint Tschechows Komödie Kirschgarten mit Dörte Hansens Roman über das Apfelanbaugebiet, was auch eine interessante Idee ist. Sie hat daran mitgeschrieben, das würde bei mir gut in den Kontext der Saison passen. Ich bleibe dran.

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Weiter im bei mir vehement anlaufenden Kulturprogramm. Ich bin kurz nach Lübeck gefahren und habe mir die kleine, zur Nachbarschaft ausgelagerte Sonderausstellung des gerade geschlossenen Buddenbrookhauses im St. Annen-Museum angesehen. Es geht um den Zauberberg, hier gab es auch einen Bericht im NDR dazu.

Die Fassade des st. Annen-Museums in Lübeck

Als ich das Museum betrat und mich Orientierung suchend umsah, sprach mich das ungewöhnlich freundliche und hilfsbereite Personal dort sofort an: „Wollen Sie zum Zauberberg?“

Eine im Grunde märchenhaft einladende Begrüßungsfrage, wer kann dazu schon nein sagen. So könnten auch weitere 700 Seiten beginnen. Oder natürlich, passend zur Vorlage: „Ein einfacher älterer Mensch reiste im Hochsommer von Hamburg, seiner Vaterstadt, nach Lübeck im Schleswig-Holsteinischen.“

Die Ausstellung verbindet jedenfalls die im Roman thematisierten und zentralen Gegenstände mit passenden Zitaten. Wortmagie und Dingzauber werden verwoben, und die Ausstellungsmacherinnen hatten Spaß dabei, man sieht es. Es ist ein netter Einfall am Rande, dass auch die banalen Insignien der Gegenwart, die in jedem Museumsraum zwingend zu finden sind, schnöde Feuerlöscher, die Lüftungsanlagen, der Notausgang etc., mit entsprechenden Anreicherungen versehen worden sind. So steht auf einem Schild neben dem Lüftungsgerät etwa ein Zitat aus dem Roman:

Behrens meinte, es sei vorläufig hier nicht mehr viel für mich zu erreichen. C’est pourquoi je vais risquer un petit changement d‘air.”

Wer sagte es? Die von Hans Castorp angebetete Dame, meine ich, aber alle Angaben ohne Gewähr.

Da aber bloß nicht weiter darauf herumdenken. Sonst fängt man noch an, zu jedem Ding im Alltag einen Satz aus der Weltliteratur herauszusuchen und also wieder in Büchern zu wühlen. Und man kauft sich dann am Ende eine Etikettiermaschine und beklebt zuhause das gesamte Inventar mit sinnig verbundenen Textschnörkeln. Also mir zumindest wäre das fraglos zuzutrauen, so eine nette und überaus attraktiv erscheinende Sammelaufgabe.

Da lieber vorsichtig sein und gehörigen Abstand von der Idee wahren.

Wer den Roman gelesen und noch einigermaßen in Erinnerung hat, findet vermutlich Gefallen etwa am „perlmuttbeschlagenen Crayon“ der Clawdia Chauchat oder am Beispiel eines Blauen Heinrichs, den die Lungenkranken damals zu unschönen Zwecken mit sich herumtrugen und dergleichen mehr.

Der perlmuttbeschlagene Drehbleistift als Ausstellungsstück

 

Ein beispielhafter "Blauer Heinrich"

Und wissen Sie übrigens noch, wie uns zu Beginn der Pandemie der mittlerweile und entschieden zu früh verstorbene Sven Walser im leeren Ernst-Deutsch-Theater jeden Tag aus dem Zauberberg vorgelesen hat? Ich habe das sehr gemocht. Man kann die Lesungen auf Youtube natürlich noch finden. Und es wirkt auf mich, als seien diese Auftritte im toten Theater zehn Jahre oder eher noch länger her. Es ist etwas unheimlich. Nein, es ist, nachdem ich nun etwas darüber nachgedacht habe, doch entschieden unheimlich.

Aber wie auch immer, kommen Sie bitte gut über den hoffentlich zauberhaften Berg dieser Woche.

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3 Kommentare

  1. Wir waren am Tag des Zauberberg-Ausstellungsbeginns in Lübeck und haben nichts darüber gewusst. Manchmal muss man auch Pech haben im Leben. Mann verpasst Lübeck genossen!

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