Gelesen: Den Anfang eines Buches aus einem der mittlerweile vier – das entwickelt sich hier erfreulich – öffentlichen Bücherschränke im Stadtteil, aus denen ich fast merkwürdig gut versorgt werde, und bei denen ich natürlich auch alle Bücher im steten Umlauf halte und für Nachschub sorge: „Es waren Habichte in der Luft“ vom Lenz. Ich dachte das Buch, es war sein Erstling, längst zu kennen, das war allerdings ein Irrtum. Ich dachte auch, es seien Erzählungen, dabei ist es ein Roman.
Was man sich so denkt, und wie oft man dabei falsch liegt. Imaginierte Bildung und dergleichen. Schlimm.
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Am Abend des Hochzeitstages waren die Herzdame und ich, wie romantisch ist das denn, auf einem weiteren Elternabend. Diesmal in der gymnasialen Oberstufe, in der man nur noch begrenzt für Organisatorisches zuständig ist, wie deutlich vermittelt wurde. Weil die jungen Menschen sich altersgerecht selbst um alles kümmern sollen, was sicher richtig ist.
Wir haben es vorher diskutiert, gehen wir dorthin oder nicht, an diesem besonderen Tag für uns zwei … Aber wir haben nie einen Elternabend verpasst, keinen einzigen, bei keinem Sohn, in all den Jahren nicht. Es hätte sich merkwürdig angefühlt, jetzt damit zu beginnen, auf den letzten Metern dieses Lebensabschnitts. Die protestantische Arbeitsethik bekommt man aus uns beiden nicht heraus, wie weit auch immer wir von der verursachenden Religion entfernt sind.
Und ein Elternabend ist schließlich auch ein Produkt der Ehe, so unpassend war es nicht. Dazu konnten wir uns dann gemeinsam durchringen, und wir kamen uns nicht so falsch dort vor, an diesem Abend, an diesem Jahrestag.
Der 20. Hochzeitstag war die Porzellanhochzeit, dieses Wort kannte ich sogar. Der 21. wird dann, wenn alles gutgeht, unsere Opalhochzeit. Davon wiederum hatte ich vorher noch nie etwas gehört. Wieder etwas gelernt, auch dafür sind Beziehungen gut.
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Ich mache ansonsten weiter in der Reihe „Selbstbezichtigungen“. Es mangelt der Gesellschaft an kritischer Betrachtung der eigenen Person, möchte ich meinen, da also nach Möglichkeit beispielhaft vorangehen. Selbstkritik kommt mir auch in Zeiten sinnvoll vor, in denen jedes morgendliche Aufstehen auf LinkedIn bereits zur absolvierten Daily Challenge und zum Milestone in der Schedule hochgejubelt wird. Man erreicht dort bei allen nur denkbaren Aspekten des Alltags und des Berufslebens mittlerweile Dimensionen der Selbstbeweihräucherung, die mir eher fremd bleiben. So gut fand ich mich nie, so awesome bin ich gar nicht, und so exciting ist es auch nicht, was ich zu erreichen scheine.
Es ist, wenn man hier und da Wahrheit und den Hintergrund kennt, kaum zu ertragen, was die ausgeprägte Herbeibehauptungskultur dort mittlerweile vollkommen enthemmt abliefert. Ich habe mir das, bevor ich meinen Account auf der Plattform einigermaßen angewidert gelöscht habe, zunehmend entgeistert eine Weile angesehen. Wie großartig sich alle dort fanden, clap hands, clap hands.
Wenn man nach dem Besuch solcher Seiten Tom Waits hört, dann heilt man wieder etwas.
Ich aber beobachte, das wollte ich nur eben sagen, erschreckend schlecht und ungenau. Es erwies sich gerade in aller Deutlichkeit, wie man hier am Beispiel des Hamburger Bahnhofs Dammtor nachlesen kann. Bei dem hatte ich neulich erst über die geschlossenen Geschäfte in der Halle unter den Gleisen geschrieben, über die merkwürdige Atmosphäre und die Dunkelheit dort, ich habe das sogar als Zeichen des Niedergangs gedeutet. Was auch halbwegs hinkommt, so ist es nicht. Sie waren aber nicht nur geschlossen, diese dunklen Geschäfte dort, sie stehen teils sogar leer, und das ist etwas deutlich anderes.
Genauer und länger hinsehen, Herr Buddenbohm! Stehenbleiben und aufpassen! Denn so geht es nun nicht, nur flüchtig und wie nebenbei zwei, drei genehme, gerade in den Kontext des Blogs passende Stichwörter notieren und dann fehlen im Text aber entscheidende Begriffe und Umstände. Mängelrüge hiermit in aller Deutlichkeit erteilt. Besserung umgehend erwartet, Wind von vorne.
So nämlich, immer druff.
Auf LinkedIn würde ich entsprechend vermerken, dass ich als Autor gerade frisch gecoacht worden bin, Advanced Professional Writing Academy oder dergleichen. Dass ich mir dabei selbst der Coach war, herrje, wer wird es so genau wissen wollen.
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Es gibt zur Selbstkritik ein sehr nettes Gedicht von Wilhelm Busch 🙂
Einen schönen Tag trotz Regen und Sturm!
Ja, und es ist sehr gut.
Das Gedicht vom Busch läuft ja aufs Gegenteil hinaus. Das ist etwas kontrovetsisch, aber lesen möchte frau das dann doch.
Hier isses:
Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich,
So hab’ ich erstens den Gewinn,
Daß ich so hübsch bescheiden bin;
Zum zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp’ ich drittens diesen Bissen
Vorweg den andern Kritiküssen;
Und viertens hoff’ ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es denn zuletzt heraus,
Daß ich ein ganz famoses Haus.
Danke für das Smileysfoto; das Lächeln ist ansteckend und steckt jetzt in meinem Gesicht.
Der Verband der Deutschen Automobilbauer begrüßt die Opelhochzeit, weist aber darauf hin, daß es legitim ist, zu diesem Anlaß auch Autos anderer Marken zu kaufen.
Opelhochzeit? Ich lese Opal.
Die Sätze zur Selbstbeweihräucherung auf LinkedIn treffen den Nagel aber sowas von auf den Kopf.
Danke dafür!